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Blutspender in Erfurt.

© dpa/Bodo Schackow

Update

„Inakzeptable Regelung“: Deutsche Aidshilfe kritisiert neue Blutspende-Richtlinie

Die Bundesärztekammer hat die Blutspende-Richtlinie überarbeitet. Kommende Woche soll sie in Kraft treten. Doch die Deutsche Aidshilfe hält sie weiterhin für diskriminierend.

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Die Deutsche Aidshilfe hat die erneuerte Blutspende-Richtlinie der Bundesärztekammer (BÄK) als nach wie vor diskriminierend bezeichnet und neue Regeln gefordert. „Zum wiederholten Mal hat die BÄK eine inakzeptable Regelung vorgelegt und die Perspektiven zahlreicher kompetenter Verbände zuvor ignoriert“, teilte der Verband mit.

Das Ziel der Ampelkoalition, der Diskriminierung schwuler Männer und Transmenschen ein Ende zu setzen, sei gescheitert, hießt es in der Mitteilung.

Die Bundesärztekammer hatte am Donnerstag mitgeteilt, dass am 4. September eine Erneuerung der Blutspende-Richtlinie in Kraft tritt. Demnach dürfen die sexuelle Orientierung und die Geschlechtsidentität künftig keine Rolle mehr bei der Risikobewertung spielen. Unter anderem Schwulenverbände hatten die bisherige Praxis immer wieder als diskriminierend bewertet.

Analverkehr kann als risikoreich gelten

Als risikoreich zählt Sexualverhalten, wenn die Gefahr, sich mit einer schweren Infektionskrankheit anzustecken, deutlich erhöht ist. Dazu gehört künftig etwa Sex mit insgesamt mehr als zwei Personen und Sex mit einer neuen Person, wenn dabei Analverkehr praktiziert wurde.

Ziel der Risikoanalyse ist es, die Übertragung einer Infektion auf den Empfänger einer Blutspende möglichst zu verhindern. Künftig darf zunächst nicht Blut spenden, wer solchen risikoreichen Sex hatte. Ausschlaggebend sind dabei die letzten vier Monate vor der Spende. Spezielle Ausschlusskriterien für Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), und für Transmenschen fallen weg.

„Jetzt wird das individuelle Risiko erhoben, indem nach der Anzahl der Partner und nach der Sexualpraxis gefragt wird“, sagte Johannes Oldenburg, Arzt und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer, der Deutschen Presse-Agentur.

Das heißt, dass auch heterosexuelle Menschen künftig konkrekt nach ihrer Sexualpraxis befragt werden. Ob die neue Regelung ab Montag schon in der Praxis angewendet wird, hängt einem Sprecher zufolge davon ab, wie schnell die Blutspendedienste auf den neuen Fragebogen umstellen.

Aidshilfe gegen Analverkehr-Regelung

Aidshilfe-Vorstandsmitglied Sven Warminsky zufolge schließen die neuen Kriterien die meisten schwulen Männer trotzdem weiterhin aus, ohne dies klar zu benennen. Demnach hält der Verband die Regelung für Analverkehr für falsch – die Sexualpraktik an sich sei kein Risiko.

„Diese Annahme ist stigmatisierend“, heißt es in der Mitteilung. Auch die Regelung zur Rückstellung von Menschen, die Sex mit einer HIV-positiven Person hatten, sei nicht richtig. Dem Verband zufolge gibt es unter wirksamer HIV-Therapie beim Sex kein Übertragungsrisiko. Es sei nicht nachvollziehbar, warum Schutzmaßnahmen wie Kondome und HIV-Prophylaxe in der Risikobewertung nicht berücksichtigt würden.

Auslöser für die Änderung der sogenannten „Richtlinie zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten“ ist ein Beschluss des Bundestags aus dem März. Ziel sei es „eine unvertretbare, medizinisch unnötige Diskriminierung“ homosexueller Männer bei Blutspenden zu beseitigen, wie es Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nannte.

Die Deutsche Aidshilfe forderte neue Regeln, die nicht allein von medizinischen Fachgesellschaften erarbeitet werden dürften. Verbände müssten in den Prozess mit einbezogen werden. (pbl/dpa)

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