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Reservisten der Bundeswehr nehmen an einer Übung teil.

© Imago/Funke Foto Services/Reto Klar

Personalprobleme der Bundeswehr: Verbandschef will alle 900.000 Reservisten auf Einsatzbereitschaft checken lassen

Es gebe rund 900.000 Ex-Soldaten und ehemalige Wehrpflichtige, die den Status Reservist hätten, so Sensburg. So viele wie möglich sollten eingeplant werden und wieder üben.

Im Zuge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und der inzwischen damit verbundenen Umstrukturierung der Bundeswehr wird auch darüber diskutiert, wie mehr Frauen und Männer für die Truppe gewonnen werden können. Dies hat sich bisher als äußerst schwierig erwiesen. Der Vorsitzende des Reservisten-Verbands, Patrick Sensburg, sieht eine wichtige Rolle auch bei ehemaligen Soldaten und Wehrpflichtigen.

„Im Verteidigungsfall brauchen wir die Reservisten für die Sicherung des eigenen Landes und der Infrastruktur, für die logistische Unterstützung der Partnernationen in Deutschland und nicht zuletzt für den Feldersatz der kämpfenden Truppe an der Front“, sagte der Oberst der Reserve der „Bild“. Wenn Deutschland angegriffen und im Krieg sei, „werden wir über eine zweite und dritte Verteidigungswelle nachdenken müssen. Diese werden in erste Linie aus Reservisten bestehen.“

Bei ihnen sollten wir sehr zügig den Gesundheitsstatus und die Verfügbarkeit erfassen, um sie im Heimatschutz und der Landes- und Bündnisverteidigung einzuplanen.

Patrick Sensburg, Vorsitzender des Reservisten-Verbandes

Um Deutschland im Ernstfall verteidigen zu können, benötige man 800.000 Soldaten, lautet Sensburgs Analyse. Es gebe rund 900.000 ehemalige Soldaten beziehungsweise Wehrpflichtige, die den Status Reservist hätten und unter 65 Jahre alt seien, sagte Sensburg weiter.

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„Bei ihnen sollten wir sehr zügig den Gesundheitsstatus und die Verfügbarkeit erfassen, um sie im Heimatschutz und der Landes- und Bündnisverteidigung einzuplanen und sie auch Schritt für Schritt wieder üben zu lassen.“ Wenn nur die Hälfte gesundheitlich imstande dazu sei, „hätten wir schon fast die nötige Zahl an Reservisten, die wir brauchen“, sage Sensburg. Zunächst solle die Bundeswehr die Zahl von derzeit 34.000 jährlich dienenden Reservistinnen und Reservisten auf 50.000 erhöhen.

203.000
Soldatinnen und Soldaten soll die Bundeswehr 2031 stark sein. 181.500 waren es Ende 2023.

FDP-Verteidigungsexperte Alexander Müller unterstützt den Vorschlag Sensburgs. Er sagte dem Blatt: „Viele würden gerne als Reservisten beordert und scheitern mit ihrer Bewerbung, weil keine Dienstposten verfügbar sind. Anstatt Geld für Werbekampagnen zu verwenden, wäre es viel sinnvoller, dieses kostenlose Potenzial zu heben.“ In Finnland oder der Schweiz sei die Reserve eine feste Basis der Armee, dort gingen fast alle Ex-Soldaten regelmäßig zu Übungen.

Die Bundeswehr hat Probleme, genügend Soldaten zu finden. Ihre Zahl war trotz aller Anstrengungen für mehr Personal zum Ende des vergangenen Jahres auf 181.500 Männer und Frauen gesunken. Erklärtes Ziel ist es, dass die Bundeswehr bis 2031 auf 203.000 Soldatinnen und Soldaten anwächst.

Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte jüngst dafür plädiert, mehr Ex-Soldaten und ehemalige Wehrpflichtige in den Fokus zu nehmen.  „Die bessere Alternative zur wieder diskutierten Wehrpflicht ist eine gestärkte Reserve. Es sollte möglich sein, dass sich Bürgerinnen und Bürger parallel zum Zivilberuf freiwillig verpflichten, über einen längeren Zeitraum hinweg der Bundeswehr regelmäßig zur Verfügung zu stehen“, forderte Lindner im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.

Dies sei auch der Weg, um ansonsten schwer zu gewinnende Experten in Bereichen wie der Cyber-Abwehr einzubinden. Lindner sagte: „Eine gestärkte Reserve muss durch Qualifikationserwerb so attraktiv sein, dass auch die Arbeitgeber ein entsprechendes Engagement unterstützen.“

Der Angriff Russlands auf die Ukraine stelle die Friedensordnung in Europa insgesamt infrage. „Wir brauchen hochspezialisierte, im Übrigen aber auch durchhaltefähige Streitkräfte. Dazu müssen die vorhandenen Dienstposten besetzt und die Aufwuchsfähigkeit der Bundeswehr mit Reservisten verbessert werden“, sagte Lindner.

Der Minister stellte sich damit gegen Überlegungen seines Kollegen Boris Pistorius (SPD). Der Verteidigungsminister lässt derzeit Modelle einer Wehrpflicht prüfen und hat dabei die Praxis in skandinavischen Ländern in den Blick genommen. So werden in Schweden ganze Jahrgänge registriert und angeschrieben. Dann wird eine erste Auswahl für den Dienst untersucht und getestet, also gemustert. Aus dieser Gruppe leistet dann nur ein Teil Dienst im Militär. (lem)

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