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Hier, aber ohne Arbeit: Vor allem geflüchtete Frauen klagen über Diskriminierung auf Arbeitssuche.

© C. Hardt/future image-imago

Lage Geflüchteter: Pandemie verstärkte Diskriminierungserfahrung

Vor allem die Arbeitssuche wird noch schwieriger: Geflüchtete sahen sich unter Corona stärker ausgegrenzt.

In der Pandemie haben Geflüchtete deutlich häufiger Diskriminierung erlebt als zuvor. Vor allem bei der Arbeitssuche, in Schule, Hochschule oder Ausbildung, aber auch am Arbeitsplatz selbst und im übrigen Alltag sind ihre Erlebnisse von Zurücksetzung und geringeren Chancen im ersten Pandemiejahr 2020 stärker geworden, wie aus einer gemeinsamen Untersuchung des Berliner Wirtschaftsforschungsinstituts DIW, des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge und des Instituts für Arbeitsmarkt- udn Berufsforschung (IAB) bei der Bundesagentur für Arbeit hervorgeht. Über ihre Erfahrungen in Bildungseinrichtungen, Arbeit und in Kontakten mit Behörden und der Polizei vor und nach Beginn der Pandemie wurden etwa 4000 Menschen befragt, die in der Zeit zwischen 2013 und Januar 2016 als Schutzsuchende nach Deutschland kamen.

"Corona hat Geflüchtete in Deutschland zurückgeworfen"

So schnellte etwa der Anteil derer, die sich beim Lernen und Studieren diskriminiert sahen, zwischen 2019 und 2020 von 17 auf 32 Prozent nach oben, auf der Suche nach Arbeit stieg der Anteil von 31 auf 39 Prozent. Hier dürften die geringeren Chancen damit zusammenhängen, meint das Forschungsteam der Studie, dass sie ohnehin besonders stark in der Gastronomie- und Tourismusbranche Arbeit gefunden hatten, die von Corona besonders hart getroffen wurden. Außerdem seien sie häufiger befristet und prekär beschäftigt gewesen und hatten wegen geringerer Qualifikation und Berufserfahrung weniger Chancen als Einheimische. Besonders betroffen äußerten sich geflüchtete Frauen - die ohnedies seltener erwerbstätig sind: Sie sahen sich zu 35 Prozent bei der Arbeitssuche diskriminiert, gegenüber 25 Prozent der Männer, die von solchen Erfahrungen berichteten.

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Ein deutlicher Unterschied zeigt sich zwischen dem Osten und dem Westen Deutschlands: Während 30 Prozent der arbeitsuchenden Flüchtlinge in Westdeutschland sich diskriminiert sahen, waren es im Osten mehr als die Hälfte. In Schule und Ausbildung ist der Abstand mit jeweils acht Prozentpunkten weniger deutlich, aber, so die Forscher:innen Adriana Cardozo Silva, Christopher Prömel und Sabine Zinn, "immer noch substanziell".

Sie ziehen den Schluss, dass Corona "Geflüchtete auf ihrem Weg zur gleichberechtigten Teilhabe in Deutschland zurückgeworfen und dabei auch die wahrgenommene Diskriminierung erhöht " habe. "Im Hinblick auf zukünftige Krisen – seien sie wirtschaftlicher, militärischer oder gesundheitlicher Natur – ist es daher wichtig, politische Maßnahmen zu ergreifen, um Geflüchtete vor Erwerbslosigkeit und Ausgrenzung zu schützen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Integration von Geflüchteten aufgehalten wird."

Die Forscher:innen verweisen unter anderem auf wissenschaftliche Evidenz dafür, dass Diskriminierungserfahrungen Stress bedeuten, der seinerseits die psychische Gesundheit in Gefahr bringt. Menschen, die Diskriminierung erlebten, würden sich "vermehrt aus den Bereichen zurückziehen, wo sie Diskriminierung erfahren, zum Beispiel vom Arbeitsmarkt oder aus dem gesellschaftlichen Leben".

Hilfe für Neuankömmlinge nicht auf Kosten der früheren

Jenseits von Diskriminierungserfahrungen trafen die Einschränkungen, die die Pandemie für die ganze Gesellschaft bedeutete, Geflüchtete besonders hart, wie die Studie noch einmal auflistet: Sprach- und Integrationskurse konnten nicht stattfinden, Unterstützernetze zerrissen, soziale Kontakte waren stark eingeschränkt.

Die Forscher:innen mahnen, weiter und flexibel in Hilfen für Geflüchtete zu investieren - schließlich wisse man nicht, wie viele der jetzt angekommenen Ukrainer:innen und Ukrainer etwa hier bleiben würden.

Sie warnen zugleich vor einer Zwei-Klassen-Gesellschaft Schutzsuchender. Ukrainische Geflüchtete haben bereits jetzt, anders als etwa syrische und afghanische, das Recht zu arbeiten und erhalten ab Juni die höhere Grundsicherung statt der Unterstützung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.

Hilfe für die Neuen "sollte nicht auf Kosten bereits ansässiger Geflüchteter gehen, zum Beispiel indem diese gegenüber Ukrainerinnen und Ukrainern bei der Teilnahme von Sprach- und Integrationskursen benachteiligt werden." Es müsse um die Integration aller gehen und darum, "deren soziale und wirtschaftliche Teilhabe zu sichern."

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