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Die AfD-Jugend wird als gesichert rechtsextremistische Bestrebung eingestuft.

© imago/IPON

Update

Nach vier Jahren Prüfung: Verfassungsschutz stuft AfD-Jugend als gesichert rechtsextremistisch ein

Mit der „Junge Alternative“, dem „Institut für Staatspolitik“ und dem Verein „Ein Prozent“ trifft es drei zentrale Akteure der Neuen Rechten. Die AfD-Spitze reagiert empört.

| Update:

Vier Jahre lang hat das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) die AfD-Jugend als Verdachtsfall beobachtet. Jetzt stuft die Behörde die „Junge Alternative“ als gesichert rechtsextremistische Bestrebung ein. Das teilte das BfV am Mittwoch mit.

Zugleich stufte der Verfassungsschutz auch das neurechte „Institut für Staatspolitik“ sowie den Verein „Ein Prozent e.V.“ vom Verdachtsfall zur gesichert rechtsextremistischen Bestrebung hoch. Ihre Positionen seien nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, teilte Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang mit. „Es bestehen keine Zweifel mehr, dass diese drei Personenzusammenschlüsse verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgen.“

Für die AfD ist es ein empfindlicher Schlag. Die Partei selbst wird als Verdachtsfall behandelt und will verhindern, als gesichert rechtsextrem eingestuft zu werden. Doch zumindest bei ihrer Jugendorganisation haben Verfassungsschützer nun keine Zweifel mehr.

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Die Parteispitze der AfD reagierte mit Empörung. „Uns liegen aktuell weder eine Begründung, noch entsprechende Dokumente vor, die den Schritt nachvollziehbar machen. Selbstverständlich prüfen wir bereits den Einsatz juristischer Mittel“, hieß es in einer schriftlichen Mitteilung der AfD-Vorsitzenden, Alice Weidel und Tino Chrupalla.

„Das empörende Vorgehen des Bundesamtes für Verfassungsschutz scheint auch ein prozesstaktisches Manöver zu sein, um das bevorstehende Verfahren am OVG Münster einseitig zu beeinflussen und medial ein fiktives Urteil zu inszenieren“, hieß es weiter.

Sicherheitskreise beobachteten, dass sich das vergleichsweise gemäßigte Lager bei der „Jungen Alternative“ (JA) quasi aufgelöst hat. Seit Oktober 2022 ist Hannes Gnauck Vorsitzender der JA. 2021 wurde bekannt, dass er vom Militärischen Abschirmdienst als Extremist eingestuft wird.

Die AfD-Jugend hat eine Scharnierfunktion

Generell sieht der Verfassungsschutz bei der JA eine „Verschärfung“ ihrer extremistischen Positionen. In einer Mitteilung heißt es: Die JA propagiere ein völkisches Gesellschaftskonzept, das ein ethnokulturell möglichst homogenes Staatsvolk zum Ziel habe und Migranten außereuropäischer Herkunft als grundsätzlich nicht integrierbar ausgrenze. Die größte Gefahr sehe die JA in einem vermeintlich gesteuerten Bevölkerungsaustausch zur Vernichtung der „organisch gewachsenen europäischen Völker“. Muslimische Asylbewerber und Migranten stellt die JA pauschal als Sicherheitsrisiko dar.

Auf Demonstrationen riefen Mitglieder der JA: „Heimat, Freiheit, Tradition, Multikulti Endstation“. Es war eine wörtliche Übernahme eines Slogans der rechtsextremen Jugendbewegung „Identitäre Bewegung.“

Die Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung haben sich inzwischen zur Gewissheit verdichtet.

Bundesamt für Verfassungsschutz

Der Schritt des Verfassungsschutzes ist zugleich ein Schlag gegen die Neue Rechte in Deutschland. Das Ziel der Neuen Rechten ist es, rechte und extrem rechte Positionen salonfähig zu machen und die „kulturelle Hegemonie“ zu erreichen. Ihre Positionen sollen also Mainstream in Deutschland werden. Die Neue Rechte will ihre Ideen in die Mitte der Gesellschaft tragen. Dabei spielt auch die AfD eine wichtige Rolle.

Thinktank und Logistiker

Der rechte Vordenker Götz Kubitschek spricht gerne von einer „Mosaikrechten“ – unterschiedliche Akteure haben unterschiedliche Aufgaben. Die „Junge Alternative“ hat dabei eine Scharnierfunktion zwischen dem parlamentarischen und dem vorpolitischen Raum.

Der neurechte Strippenzieher Götz Kubitschek.

© dpa/Patrick Pleul

Das nun ebenfalls als gesichert rechtsextrem eingestufte „Institut für Staatspolitik“ (IfS) ist wiederum eine Art Thinktank der Neuen Rechten. In Sicherheitskreisen wird es als „Ideen- und Impulsgeber“ bezeichnet. Es hat seinen Sitz auf Kubitscheks Rittergut in Schnellroda in Sachsen-Anhalt. Hier kommt regelmäßig das „Who is Who“ der neurechten Szene zusammen. Hier werden Akademien abgehalten, es entsteht der intellektuelle Überbau für die neurechte Szene.

Die vom IfS herausgegebene Zeitschrift „Sezession“ sowie das zugehörige Online-Medium gelten als wichtigste rechtsintellektuelle Publikation in Deutschland, die auch beispielsweise in der AfD gelesen wird. Ein Podcast wird in Schnellroda ebenfalls produziert.

Dem Verein „Ein Prozent e.V.“ wiederum kommt nach Ansicht von Experten die Rolle des „Logistikers“ zu. Neurechte Projekte werden unterstützt und finanziert. Nach eigenen Angaben flossen bereits mehr als zwei Millionen Euro in „patriotische Projekte“. Auch „Ein Prozent“ verbreitet seine Ideen in Podcasts, ließ zudem ein rechtsradikales Computerspiel namens „Heimat Defender: Rebellion“ entwickeln. Geleitet wird „Ein Prozent“ von Philip Stein, der in Sicherheitskreisen als Zögling von Kubitschek gilt.

„Gezieltes Propagieren von Feindbildern“

Sowohl die AfD-Jugend, als auch das IfS und „Ein Prozent“ zielen nach Ansicht des Verfassungsschutzes auf die Ausgrenzung vermeintlich „Fremder“ und versuchen, diese Positionen gesellschaftlich anschlussfähig zu machen. „Das gezielte Propagieren von Feindbildern und das Schüren von Ressentiments in der Bevölkerung sind zudem generell geeignet, den Boden für unfriedliche Verhaltensweisen gegenüber den Betroffenen zu bereiten“, heißt es.

Jetzt, da die drei Organisationen vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft werden, hat das auch Einfluss auf die Verhältnismäßigkeitsprüfung, etwa wenn es um den Einsatz von V-Leuten oder virtuellen Agenten im Netz geht. Trotzdem gelten hierfür weiterhin sehr hohe Hürden.

Weiterhin hat die Mitgliedschaft in einer gesichert rechtsextremistischen Bestrebung auch Auswirkungen auf die Einzelpersonen. So wird für sie die Beantragung eines Waffenscheins deutlich schwerer. Ein Ziel der Bundesregierung ist die Entwaffnung von Rechtsextremisten in Deutschland.

Für die AfD könnte es zum Problem werden, dass Sicherheitskreise eine zunehmend enge Verflechtung zwischen Mutterpartei und Jugendorganisation beobachten. So sind Mitglieder der JA auch im Bundesvorstand der AfD vertreten. Auch rekrutieren viele Bundestagsabgeordnete ihre Mitarbeiter aus den Kreisen der JA. Wenn perspektivisch über die Frage entschieden wird, ob auch die AfD rechtsextrem ist, könnte das eine Rolle spielen.

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