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Israelische Soldaten vor dem UNRWA-Hauptquartier im Gazastreifen - keine andere Organisation ist nach Einschätzung vieler Experten strukturell in der Lage, die Zivilbevölkerung zu versorgen..

© AFP/JACK GUEZ

Nach Untersuchungsbericht: Deutschland zahlt wieder an Palästinenserhilfswerk

Für Israels harten Vorwurf, das Hilfswerk UNRWA sei von Hamas-Terroristen unterwandert, fand eine Kommission keine Belege. Die Bundesregierung leistet daher erneut finanzielle Unterstützung.

Zwei Mal wurden die deutschen Zahlungen an das Palästinenserhilfswerk UNRWA nach dem 7. Oktober auf den Prüfstand gestellt, nun werden sie zum zweiten Mal wieder aufgenommen. Direkt nach dem von Hamas-Terroristen verübten Massaker ließ Entwicklungsministerin Svenja Schulze „unser gesamtes Engagement für die palästinensischen Gebiete“ untersuchen, ehe es dann teilweise fortgesetzt wurde. Heftige Anschuldigungen von Seiten Israels hatten im Januar dann erneut für eine Unterbrechung gesorgt.

So sollen nach Erkenntnissen der Regierung von Premier Benjamin Netanjahu ein gutes Dutzend UNRWA-Mitarbeiter direkt am Überfall auf Israel beteiligt gewesen sein. Ron Prosor, der Botschafter des Landes in Berlin, hatte kurz vor Ostern auf Basis von Geheimdienstinformationen die Vorwürfe noch verschärft und von 2135 Mitarbeitern gesprochen, die durch Mitgliedschaft in der Hamas oder anderen militanten Organisationen den Terror unterstützten.

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Fehlende Beweise führen zur Entscheidung

Die Beweise dafür fehlen jedoch – zu diesem Ergebnis kommt zumindest eine zur Aufklärung der Vorwürfe eingesetzte Untersuchungskommission unter Leitung der ehemaligen französischen Außenministerin Catherine Colonna. Es war für die Bundesregierung nun der Anlass, die Finanzierung wieder aufzunehmen. Bereits Ende März waren wieder 45 Millionen Euro an UNRWA geflossen – allerdings nur für deren Arbeit außerhalb von Gaza.

Die genauere Überprüfung der UNRWA-Mitarbeiter sowie der bessere Schutz der Einrichtungen vor missbräuchlicher militärischer Nutzung sind alternativlos.

Christoph Hoffmann, FDP

Die Zusammenarbeit werde auch dort nun „in Kürze“ fortgesetzt, hieß es am Mittwoch in einer Stellungnahme von Auswärtigem Amt und Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Die Organisation spiele eine „lebenswichtige und derzeit nicht zu ersetzende Rolle“ bei der Versorgung der Menschen im Gazastreifen.

Die Mitteilung verwies zudem darauf, dass Australien, Kanada, Schweden und Japan bei ihrer Hilfe ebenso verfahren. Da die Französin Colonna durchaus „Probleme mit der Neutralität“ der UN-Organisation ausgemacht hatte, geht die Entscheidung einher mit der Aufforderung, dass deren Reformvorschläge „unverzüglich umgesetzt werden“ müssten.

Vorausgegangen waren unter anderem Anfragen etwa bei Unicef, ob das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen alternativ tätig werden könne.

Die Bundesregierung wurde jedoch darauf hingewiesen, dass auch andere internationale Hilfsorganisationen „auf die operativen Strukturen von UNRWA in Gaza derzeit angewiesen“ seien. Angesichts der humanitären Katastrophe gebe es „keine Alternativen“ dazu, sagte Ministerin Schulze am Mittwoch, die tags zuvor im Westjordanland zudem eine Beschäftigungsinitiative für die palästinensischen Gebiete gestartet hatte.

Viele Gespräche vor dem Kurswechsel

Nach Angaben aus Regierungskreisen wurden für eine möglichst umfassende Einschätzung auch eigene nachrichtendienstliche Erkenntnisse herangezogen. Man habe sich „intensiv“ mit den Vorwürfen beschäftigt, hieß es in der Erklärung, und sich „hierzu eng mit der israelischen Regierung, den Vereinten Nationen und anderen internationalen Gebern ausgetauscht“.

Im Ergebnis sind Zahlungen des Entwicklungsministeriums erst für die zweite Jahreshälfte vorgesehen, während das für die Nothilfe zuständige Auswärtige Amt sich nun international über die Modalitäten austauschen will. Der aktuelle Geldbedarf von UNRWA ist nach Regierungsangaben bis Juni gedeckt.

Deutschland lässt Millionen von Menschen in Gaza, denen es seit Monaten an nahezu allem fehlt, nicht im Stich.

 Ottmar von Holtz, Sprecher Entwicklungspolitik der Grünen

„Mit Ihrer Entscheidung setzt die Bundesregierung ein wichtiges Zeichen“, sagte Ottmar von Holtz, der entwicklungspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, vor dem Hintergrund, dass es „keinerlei Strukturen“ als Alternative zu UNRWA gebe: „Deutschland lässt Millionen von Menschen in Gaza, denen es seit Monaten an nahezu allem fehlt, nicht im Stich.“ Die Wiederaufnahme der Zahlungen entbinde die Organisation aber „nicht von der Pflicht, seine Strukturen zu überarbeiten und sein Personal zu überprüfen“,

Als „überaus positive Entwicklung“ wertet Muriel Asseburg von der Stiftung Wissenschaft und Politik die Entscheidung. „Das Hilfswerk ist für die Nothilfe im Gazastreifen unersetzlich, ohne es kann die drohende Hungersnot nicht abgewendet werden.“ Es sei zudem „ein wichtiger Stabilitätsanker in einer krisen- und kriegsgeplagten Region“.

Auch der amtierende Vorsitzende des Entwicklungsausschusses hält die Zahlungen für richtig. Er besteht jedoch auf mehr Kontrolle. „Die genauere Überprüfung der UNRWA-Mitarbeiter sowie der bessere Schutz der Einrichtungen vor missbräuchlicher militärischer Nutzung sind alternativlos“, so Christoph Hoffmann (FDP): Die Bundesregierung müsse „sicherstellen, dass keine deutschen Gelder von der Hamas für Angriffe auf Israel genutzt werden. Ansonsten muss die derzeit unersetzbare Rolle von UNRWA in Gaza eine andere, unabhängige Hilfsorganisation übernehmen“,

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