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Lindner, Scholz, Habeck: Die Stimmung könnte besser sein

© dpa/Kay Nietfeld

Nach der Klausur in Meseberg: Die Ampel gibt sich harmonisch – doch es hakt an vielen Stellen weiter

Die Regierung brüstet sich damit, vieles aus dem Koalitionsvertrag bereits umgesetzt und eine positive Leistungsbilanz zu haben. Dabei blockiert sie sich oft selbst.

Mittwochmittag, Finanzminister Christian Lindner (FDP) steht nach der Kabinettsklausur in Meseberg neben Olaf Scholz (SPD) und Robert Habeck (Grüne). In der Regierung werde gehämmert und geschraubt, das führe zu Geräuschen – aber eben auch Beschlüssen, sagt Lindner. Künftig aber, verspricht Scholz, werde „mit Schalldämpfern“ gehämmert. „Wir töpfern jetzt“, erwidert Lindner.

Während die Bundesregierung sich – offenbar in töpfernder Stuhlkreisatmosphäre– für den Moment öffentlich wieder zusammengerauft hat, das Wachstumschancengesetz beschlossen, und sich auf die Kindergrundsicherung geeinigt hat, sind die Blockaden an anderen Stellen noch lange nicht gelöst. Ein Überblick.


Industriestrompreis

Die Bundesregierung hat einen Zehn-Punkte-Plan vorgelegt, der die deutsche Wirtschaft stabilisieren soll, doch ein Punkt fehlt: Der Industriestrompreis, für den Wirtschaftsminister Habeck sich bisher eingesetzt hatte. Habeck fürchtet die Abwanderung energieintensiver Industrie, weil sie ohne den Industriestrompreis nicht in Deutschland investieren würde. Doch Lindner ist dagegen, Scholz skeptisch.

Auf der Abschluss-Pressekonferenz in Meseberg sagt der Kanzler, die „Sicherung einer billigen Energieversorgung“ sei „Dauerthema“. Ob Habeck dazu im Austausch mit der EU-Kommission sei, will ein Reporter wissen. Ja, antwortet Habeck. Und fügt hinzu: „Mehr ist dazu nicht zu sagen. Heute jedenfalls nicht.“ Das Thema wird bleiben.


Mieten

Im Koalitionsvertrag hatten die Regierungsparteien verabredet, in angespannten Mietmärkten die Kappungsgrenze, also die zulässige Mieterhöhung, auf „elf Prozent in drei Jahren“ abzusenken. Bislang liegt sie bei 20 Prozent, in einigen Ländern, wie Berlin, ist sie darunter.

Wir sollten aufhören, ständig Themen miteinander zu verknüpfen, die nicht zusammengehören.

Hakan Demir, SPD-Innenpolitiker

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hat FDP-Bundesjustizminister Marco Buschmann vorgeworfen, das Vorhaben nicht umzusetzen. „Das ist auch kein Geheimnis, dass er das in Geiselhaft hält, weil er im Clinch ist mit der Innenministerin zu einem anderen Thema, zur Vorratsdatenspeicherung“, sagte Kühnert im Interview mit „Radio Eins“.

Es ist ein ähnlicher Vorgang wie bei dem Streit um die Kindergrundsicherung: Weil die Koalitionspartner sich über ein Gesetz (vor wenigen Wochen die Kindergrundsicherung, in diesem Beispiel die Form der Vorratsdatenspeicherung) nicht einig sind, wird ein anderes Gesetz (vor wenigen Wochen das Wachstumschancengesetz, in diesem Beispiel die Mieterhöhungsmöglichkeiten) nicht umgesetzt.

„Wir sollten aufhören, ständig Themen miteinander zu verknüpfen, die nicht zusammengehören“, sagte der SPD-Innenpolitiker Hakan Demir dem Tagesspiegel. „Sicherheitsfragen mit dem Mietrecht zu verknüpfen, macht keinen Sinn“, sagte er. Schutz von Mieterinnen und Mietern sei ein „gemeinsames Anliegen“. „Wir müssen das endlich umsetzen“, forderte er.


„Quick Freeze“-Verfahren versus Vorratsdatenspeicherung

Beinahe seit Beginn ihrer Regierungszeit streitet die Ampelkoalition um die Vorratsdatenspeicherung. FDP und Grüne, ausnahmsweise Seite an Seite, wollen keine Vorratsdatenspeicherung. Sicherheitsbehörden und Innenministerin Nancy Faeser (SPD) fordern sie aber, um schwerste Verbrechen wie Kindesmissbrauch aufzuklären.

Buschmann hat stattdessen vorgeschlagen, das sogenannte „Quick Freeze“-Verfahren gesetzlich zu verankern, bei dem Behörden Unternehmen wie Google oder Meta verpflichten können, beim Verdacht auf schwere Straftaten Daten umgehend „einzufrieren“. Bislang gibt es allerdings keinen Kompromissvorschlag. Deswegen hängt der Referentenentwurf aus dem Hause Buschmann seit einem knappen Jahr in der sogenannten Ressortabstimmung.


Verbot der Süßigkeitenwerbung

„An Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- und Salzgehalt darf es in Zukunft bei Sendungen und Formaten für unter 14-Jährige nicht mehr geben“, heißt es im Koalitionsvertrag. Eigentlich klar. Doch Streit gibt es trotzdem.

Ein Vorschlag von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) liegt seit Monaten vor, doch die FDP blockiert, weil der Entwurf von Özdemir sich auch auf Werbung, die an Erwachsene gerichtet ist, ausdehnt. Zu bestimmten Uhrzeiten soll keine Süßigkeitenwerbung gesendet werden dürfen. Dafür gebe es „keine Mehrheit“ sagte die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Carina Konrad.

Özdemir sagt nun, sein „sportlicher Ehrgeiz“ sei geweckt. „Wer hat eigentlich in diesem Land die Macht?“, fragte er in der „heute show“. Die Koalition oder „kleine Einzelgruppen mit sehr viel Geld“? Doch noch ist der Entwurf nicht im Kabinett beschlossen worden. „Warum der Schutz von Kindern, der zudem das Leben der Eltern leichter macht, noch immer von der FDP blockiert wird, verstehe ich ehrlich nicht“, sagte die frühere Landwirtschaftsministerin Renate Künast (Grüne) dem Tagesspiegel.


Und nun?

Kanzler Olaf Scholz hat die Fraktionen auf der Klausur in Meseberg ermahnt, künftig konstruktiver zu agieren. Auch sie hätten schließlich ein Interesse daran, dass die Leistung der Ampel „nicht dadurch unbesichtigt bleibt, weil der Weg zur Findung der Entscheidung so laut ist“.

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