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Hubertus Heil (SPD, l-r), Bundesminister für Arbeit und Soziales, Christian Lindner (FDP), Bundesminister der Finanzen, und Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, geben eine Pressekonferenz.

© dpa/Kay Nietfeld

Die beschädigte Ministerin: Am Tag nach ihrer größten Niederlage gibt sich Lisa Paus unbeirrt

Tag eins nach dem Kompromiss zur Kindergrundsicherung. Die Familienministerin ist politisch schwer angeschlagen, doch sie fasst eine Hoffnung in Worte, die viele Grüne hegen.

Der Dienstag beginnt mit einer Überraschung. Und mit dem Beweis, dass Familienministerin Lisa Paus, einst als Finanzpolitikerin bekannt, noch immer kreativ mit Zahlen umgehen kann.

Im Interview mit dem Deutschlandfunk rechnet sie vor, eigentlich seien nicht – wie am Montag verkündet – nur 2,4 Milliarden Euro für die Kindergrundsicherung vereinbart worden. Es könnten auch sechs Milliarden werden, sagt Paus. Dann nämlich, wenn 80 Prozent aller Familien die Leistungen, die ihnen zustehen, auch tatsächlich beanspruchen.

Ein Trojanisches Pferd in Lindners Haushalt

Am Tag nach ihrer größten Niederlage gibt die Ministerin sich unbeirrt. Sie fasst eine Hoffnung in Worte, die viele Grüne hegen: dass mit der Kindergrundsicherung gewissermaßen ein Trojanisches Pferd in den Haushalt von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) gesetzt wurde. Denn wer weiß schon, was am Ende tatsächlich geschieht und was das fürs Budget bedeutet?

Das Interview zeigt aber auch: Ministerin Paus macht einfach weiter. Eine große strategische Niederlage, eine Koalition in der Krise, das Ansehen des Kabinetts beschädigt? „Das war es auf jeden Fall wert“, sagt Paus im Radio-Interview.

Aber war es das wert? Insbesondere die Grünen vom Realo-Flügel sehen das anders.

Paus hat ziemlich allein gehandelt

Paus, so die dominante Erzählung in der Partei, habe ziemlich allein gehandelt. Ohne sich mit der Grünen-Führung abzusprechen. Es gibt einen Teil des linken Flügels, der ihr Vorgehen schätzt. Endlich ist es nicht mehr nur die FDP, die hart bleibt. Auch die Grünen können stur sein.

Es gibt jedoch viele, die sich fragen, welchen Dienst Paus ihrem Vorhaben erwiesen hat. Denn unabhängig davon, wie ihre Verhandlungsposition vorher war: Lindner musste aus seiner Sicht auf der von ihm veranschlagten Größenordnung beharren, nachdem sie ihn beim Wachstumschancengesetz derart unter Druck gesetzt hatte. Ob das Manöver den Grünen in ihrem Ansinnen, in die Breite zu wachsen, helfen wird? Fraglich, glauben viele.

Die Regelsätze wären ohnehin gestiegen

Doch der Tag hält noch eine gute Nachricht bereit, zumindest aus Sicht der Grünen. Im Laufe des Vormittags wird bekannt, dass die Bürgergeld-Regelsätze zum Januar 2024 steigen werden. 40 bis 50 Euro kommen pro Kind obendrauf.

Ministerin Paus hätte in einem ganz anderen Licht dagestanden, wenn diese Zahlen schon am Montag verkündet worden wären. Hätte, wäre, wenn. Weder FDP noch SPD waren dazu zu bewegen. Sie haben Paus deren Kabinettsblockade noch lange nicht verziehen. Es steht zwei zu eins in der Koalition.

Und so müssen sich die Grünen nun bemühen, die Anhebung der Regelsätze nachträglich für sich zu reklamieren. „Das gehört selbstverständlich mit zur Kindergrundsicherung“, sagt Fraktionschefin Britta Haßelmann am Dienstag auf der Klausurtagung ihrer Fraktion in Berlin.

Allein: Dem ist nicht so. Dass die Regelsätze so stark steigen, folgt schlicht dem Gesetz. Und zwar einem, das schon galt, bevor Christian Lindner und Lisa Paus wegen der Kindergrundsicherung aneinandergerieten.

Als das Bürgergeld eingeführt wurde, wurde auch der Mechanismus angepasst, mit dem die Regelsätze sich an Inflation und Lohnentwicklung orientieren. Seitdem folgen die Regelsätze schneller, was sich derzeit angesichts der hohen Inflation stark bemerkbar macht.

„Die Fortschreibung hat nichts mit der Kindergrundsicherung zu tun und wäre auch ohne dieses politische Vorhaben so ausgefallen“, sagt ein Sprecher des Bundesarbeitsministeriums.

Das hören sie bei den Grünen natürlich nicht so gerne. Aber gute Nachrichten sind rar, in diesen Tagen. In denen es um Schadensbegrenzung geht.

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