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Mitglieder der Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ retten Migranten im Mittelmeer. Das Foto stammt von 2021.

© via REUTERS/AVRA FIALAS/MSF

„Musk ist nicht irgendein Nutzer“: Streit um Einmischung des Tesla-Gründers bei deutscher Hilfe für Flüchtlinge

Der Co-Vorsitzende der Böll-Stiftung fordert Gegenmaßnahmen nach der Intervention auf der Plattform X in der Seenotrettungs-Debatte. Die CDU/CSU äußert Verständnis für Musk.

Der Tesla-Gründer und Milliardär Elon Musk hat sich in die deutsche Politik eingemischt. Auf seiner Internet-Plattform X (vormals Twitter) lieferte sich Musk einen Schlagabtausch mit dem Auswärtigen Amt über die Seenotrettung im Mittelmeer. Außerdem retweetete er einen Post, in dem eine Woche vor den Landtagswahlen in Bayern und Hessen zur Stimmabgabe für die in Teilen rechtsextreme AfD aufgerufen wird.

Ist sich die deutsche Öffentlichkeit dessen bewusst?

Elon Musk, Tesla-Gründer und Milliardär

Musk teilte auf der Internet-Plattform den Post des Nutzerkontos „Radio Genoa“, in dem die finanzielle Unterstützung ziviler Seenotretter im Mittelmeer durch die Ampel-Koalition kritisiert und die Hoffnung auf einen AfD-Wahlsieg geäußert wird. Musk gab den Post mit dem Kommentar weiter: „Ist sich die deutsche Öffentlichkeit dessen bewusst?“

Das Auswärtige Amt antwortete ebenfalls auf der Plattform X: „Ja. Und man nennt das Leben retten.“ Musk wiederum äußerte in seiner Replik, er beweifle, „dass die Mehrheit der deutschen Öffentlichkeit dies befürwortet“.

Der Co-Vorsitzende der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung, Jan Philip Albrecht, verlangte von der EU-Kommission, Musks „Wahlpropaganda“ zu stoppen. Albrecht berief sich dabei auf das Gesetz über Digitale Dienste (DSA) der EU, das strenge Regeln für große Plattformen vorsieht und seit Ende August rechtskräftig ist.

Italien fordert bei Reform des Asylsystems Bedenkzeit

„Die Regeln des DSA besagen, dass Desinformation und Wahlbeeinflussungen unterbleiben müssen, wenn sie ein gewisses Maß überschreiten“, sagte Albrecht dem Tagesspiegel. „Musk ist nicht irgendein Nutzer, ihm gehören rund 80 Prozent von X, und er nimmt auch operativen Einfluss auf das Unternehmen“, sagte Albrecht weiter.

Der Streit um die Seenotrettung im Mittelmeer ist insofern von Bedeutung, als er derzeit im Mittelpunkt der weiteren Beratungen über die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) steht.

Am vergangenen Donnerstag hatte es beim Treffen der EU-Innenminister zunächst nach einem Durchbruch bei den Verhandlungen über die umstrittene EU-Krisenverordnung ausgesehen, die unter bestimmten Voraussetzungen einen längeren Aufenthalt von Migranten an den EU-Außengrenzen unter haftähnlichen Bedingungen vorsieht.

Allerdings forderte die italienische Regierung nach dem Treffen in Brüssel dann doch Bedenkzeit. Der Grund: Rom verlangt bei den Beratungen über die Krisenverordnung weitere Zugeständnisse von Berlin und kritisiert obendrein die Finanzierung der Seenotrettung durch die Bundesregierung.

Dabei hatte sich der italienische Außenminister Antonio Tajani zuletzt zweideutig über die Seenotretter geäußert. Bei einem Besuch bei Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte er am vergangenen Donnerstag, dass aus seiner Sicht Seenotretter auf dem Mittelmeer aktiv sein könnten.

Parlamentarischer Geschäftsführer der Union stützt Musk

Anschließend sagte Tajani in einem Interview mit der Zeitung „La Repubblica“, er sei besorgt darüber, dass sieben Schiffe von Nichtregierungsorganisationen, einige davon unter deutscher Flagge, auf dem Weg zur Insel Lampedusa seien.

Im vergangenen Jahr hatte der Haushaltsausschuss des Bundestags beschlossen, dass die zivile Seenotrettung bis 2026 mit zwei Millionen Euro pro Jahr unterstützt werden soll. Das Auswärtige Amt betont jedoch, dass mit dem Geld nicht nur die zivile Seenotrettung unterstützt wird, sondern auch humanitäre Projekte an Land.

Elon Musk fordert spürbare Erleichterungen für Menschen, die legal in die USA einwandern und dort arbeiten wollen.

Thorsten Frei (CDU), parlamentarischer Geschäftsführer der Union im Bundestag

Der parlamentarische Geschäftsführer der Union im Bundestag, Thorsten Frei, verteidigte die Äußerungen des Tech-Milliardärs Musk im Onlinedienst X. „Elon Musk fordert spürbare Erleichterungen für Menschen, die legal in die USA einwandern und dort arbeiten wollen“, sagte der CDU-Politiker dem Tagesspiegel.

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz will, dass Scholz’ „Deutschlandpakt“ als Erstes in der Migrationspolitik greifen soll.

© dpa/RONNY HARTMANN

Im Gegenzug spreche sich Musk für eine „Bekämpfung und Reduzierung der illegalen Grenzübertritte“ aus. „Auch wenn sich die Lage in den USA und in Europa nicht eins zu eins vergleichen lässt, halte ich es für vernünftig, diesen Weg zur Lösung der Migrationskrise zu gehen“, so Frei.

In der Ampel-Koalition wird weiter um das weitere Vorgehen angesichts der steigenden Asylbewerberzahlen in Deutschland heftig gerungen. Die FDP hat sich offen für den Vorschlag des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz gezeigt, im Zuge des von Kanzler Olaf Scholz ins Spiel gebrachten „Deutschlandpaktes“ vorrangig das Thema der Migrationspolitik zu behandeln.

„Wir können nicht hinnehmen, dass die Kontrolle über den Zugang in unsere Gesellschaft verloren geht“, erklärte FDP-Chef Christian Lindner am Samstag im Onlinedienst X. „Wir müssen souverän entscheiden: Wen laden wir in unseren Arbeitsmarkt ein? Mit wem sind wir aus humanitären Gründen solidarisch, und bei wem liegen solche Gründe nicht vor?“, so Lindner.

Unterdessen nimmt die größte der Thüringer Landeserstaufnahmeeinrichtungen in Suhl, die als überlastet gilt, vorerst keine Flüchtlinge mehr auf. Wie ein Sprecher des Thüringer Ministeriums für Migration und Justiz am Samstag mitteilte, würden in Suhl ankommende Menschen entweder in die kleineren Erstaufnahmestellen Eisenberg und Hermsdorf oder wenn möglich in andere Bundesländer verteilt.

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