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Wahl und Gewalt: Weil sie zur Wahl gegangen waren, schnitten Taliban diesen Männern die mit Tinte gekennzeichneten Finger ab.

© dpa

Präsidentschaftswahl in Afghanistan: Millionenfaches Votum für den Frieden

Abgeschnittene Finger, Bomben und Tote: Millionen Afghanen haben ihr Leben riskiert, um einen neuen Präsidenten zu wählen. Über 250 Menschen starben bei den Anschlägen am Wahltag.

"Heute ist unser Tag. Heute ist Afghanistans Tag", sagt Abdullah Abdullah, als er seinen Stimmzettel in die Wahlbox wirft. Der 53-jährige im westlichen Anzug lächelt entspannt. Noch 2009 hatte der frühere Außenminister gegen Hamid Karsai den Kürzeren gezogen. Nun hat er gute Chancen, im zweiten Anlauf den Sieg zu holen. Sieben Millionen Afghanen haben am Samstag den Taliban getrotzt und ihr Leben riskiert, um einen neuen Präsidenten gewählt.

Der erste demokratische Machtwechsel im Land  

Bei der Stichwahl trat Abdullah gegen den früheren Finanzminister Ashraf Ghani an. Die Abstimmung wurde von Gewalt begleitet. Bei 150 Anschlägen starben über 250 Menschen. In Herat schnitten die Taliban mindestens elf Männern den mit Wahltinte markierten Zeigefinger ab. Doch das tat dem Andrang keinen Abbruch. Vor vielen Lokalen bildeten sich lange Schlangen. Es war ein millionenfaches Votum für den Frieden und gegen den Terror. 

Die Menschen hoffen, dass die Wahl den Beginn einer besseren Zukunft für ihre Heimat markiert. Die Beteiligung lag wie bei der ersten Wahlrunde am 5. April bei fast 60 Prozent, 38 Prozent waren Frauen. Der Sieger wird Präsident Karsai ablösen, der nach über zwölf Jahren an der Macht nicht mehr kandidieren durfte. Erstmals steht Afghanistan damit vor einem demokratischen Machtwechsel. 

Karsais Nachfolger ist nach dem US-Abzug auf sich selbst gestellt

Als Favorit gilt Abdullah, der in der ersten Runde 45 Prozent geholt hatte. Ghani landete mit 31,6 Prozent auf Platz zwei. Laut Umfragen hat er aber aufgeholt. Viele Beobachter rechnen nun mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen. Erste Resultate werden am 2. Juli, das Endergebnis am 22. Juli erwartet. Ein knapper Ausgang könnte böses Blut machen, sollte der Verlierer seine Anhänger aufhetzen. Die Wahllokale waren kaum geschlossen, da erhoben Abdullah und Ghani bereits Vorwürfe wegen Betrugs. “Wir wissen, dass es Betrug gab”, sagte Abdullah. Ghani meinte: “Unglücklicherweise waren Sicherheitskräfte am Betrug beteiligt.” 

Der neue Präsident steht vor gewaltigen Herausforderungen. Wenn Ende 2014 die Nato-Truppen abziehen, ist das Land im Kampf gegen die Taliban auf sich gestellt. Auch der Wirtschaft droht ein dramatischer Einbruch. Das wissen die Kandidaten. Beide habe erklärt, im Falle eines Wahlsieges den umstrittenen Militärpakt mit den USA unterzeichnen, der den internationalen Militäreinsatz nach 2014 regelt. 

Während das Land wählt, bombardiert Pakistan Taliban-Verstecke

Die USA gratulierten Afghanistan zur “historischen Präsidentenwahl” und sagten dem künftigen Präsidenten Unterstützung zu. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier nannte die Wahl ermutigend.  

Unterdessen flog das Militär im Nachbarland Pakistan Luftangriffe auf Taliban-Verstecke in der Provinz Nord-Wasiristan, die als Rückzugsgebiet von in- und ausländischen Extremisten gilt. Dabei wurden 100 Menschen getötet, die ein Armeesprecher als Militante bezeichnete. Es ist bereits das zweite Bombardement dieser Art binnen weniger Tage.  

Das Militär reagierte damit auf einen spektakulären Angriff der Taliban auf den Flughafen von Karachi am vergangenen Sonntag, bei dem mehr als 30 Menschen getötet wurden. Der Anschlag torpedierte Versuche von Regierungschef Nawaz Sharif, mit den Militanten Friedensgespräche zu starten.

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