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Die deutsche Außenministerin: Annalena Baerbock (Grüne).

© dpa/Michael Kappeler

Massenhaft russische Fake-Konten auf X?: Baerbocks Ministerium soll Kampagne gegen Ampel aufgedeckt haben

Die Regierung vernachlässige die Deutschen, um der Ukraine zu helfen – mit solchen Tweets versucht der Kreml offenbar, massiv Einfluss zu nehmen. In Berlin ist man alarmiert.

| Update:

Immer wieder gibt es Berichte über mutmaßliche Versuche Russlands, durch gezielte Kampagnen im Internet Einfluss auf die Stimmung in den Gesellschaften westlicher Länder zu nehmen und die Bevölkerung gegen die Regierungen aufzuwiegeln. Im Fokus bei der Verbreitung von Falschinformationen im Netz stand häufig der Nachrichtendienst X (ehemals Twitter) des US-Milliardärs Elon Musk.

Einem Medienbericht zufolge soll nun Deutschland im Zuge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Ziel einer massiven Desinformationskampagne des Machthabers Wladimir Putins geworden sein. Wie der „Spiegel“ berichtet, soll das Auswärtige Amt (AA) von Ministerin Annalena Baerbock (Grüne) aufgedeckt haben, dass der Kreml auf der Plattform X gezielt versuche, den Unmut gegen die Ampelkoalition zu verstärken und die Unterstützung für die Ukraine zu untergraben.

Nachdem X unter Elon Musk Schutzmechanismen gegen hasserfüllte und irreführende Inhalte systematisch abgebaut hat, kann der Anstieg solchen Contents nur als erwartbare, logische Konsequenz betrachtet werden.

 Lea Frühwirth vom Center für Monitoring, Analyse und Strategie

In dem Bericht heißt es, im Auftrag des AA-Referats für Strategische Kommunikation hätten Experten vom 20. Dezember 2023 bis 20. Januar mit einer speziellen Software Musks Kurznachrichtendienst X analysiert und seien dabei auf ein massives Netzwerk falscher Nutzerkonten gestoßen, die deutschsprachige Inhalte verbreiten. Dem Magazin liegt die vertrauliche Analyse eigenen Angaben zufolge in Auszügen vor.

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Bis zu 200.000 falsche Tweets auf Deutsch pro Tag

Demnach identifizierten die Experten in dem Zeitraum mehr als 50.000 solcher Nutzerkonten, die insgesamt mehr als eine Million deutschsprachige Tweets absetzten. Häufig tauchte in den Tweets der Vorwurf auf, die Bundesregierung vernachlässige die eigene Bevölkerung, um die Ukraine zu unterstützen.

Elon Musk spricht am 16. Juni auf der Vivatech-Messe.
Elon Musk spricht am 16. Juni auf der Vivatech-Messe.

© Michel Euler/AP/dpa

„Ich finde es enttäuschend, dass die Regierung mehr für andere Länder tut als für die eigenen Bürger“, zitiert das Blatt einen Tweet aus der Analyse. Ein anderer lautete demnach: „Es ist eine Schande, dass die Ampelkoalition die Probleme im eigenen Land nicht zuerst angeht.“

An manchen Tagen registrierten die Experten demnach 200.000 dieser Kurznachrichten. Das entspricht ungefähr zwei Mitteilungen pro Sekunde. Wie es in dem Bericht weiter heißt, schreiben die Analysten die aktuellen Attacken der sogenannten Doppelgänger-Kampagne zu, die 2022 bekannt wurde und auch auf andere europäische Länder zielt.

X-Eigentümer Musk hatte bei der Übernahme des Unternehmens angekündigt, entschieden gegen das Bot-Problem vorzugehen. „Nachdem X unter Elon Musk Schutzmechanismen gegen hasserfüllte und irreführende Inhalte systematisch abgebaut hat, kann der Anstieg solchen Contents nur als erwartbare, logische Konsequenz betrachtet werden“, sagte Lea Frühwirth vom Center für Monitoring, Analyse und Strategie dem Magazin.

Das Auswärtige Amt beobachtet dem Bericht zufolge seit geraumer Zeit mit mehreren Datenanalysten Debatten zu außenpolitischen Themen in den sozialen Medien. Ziel sei es, Kampagnen ausländischer Akteure aufzudecken.

Desinformation ist zu einem globalen Bedrohungsfaktor geworden“, sagte ein Sprecher des AA. „Sie wird von denjenigen, die unsere Werte nicht teilen, gezielt eingesetzt, um ganze Gesellschaften zu destabilisieren – nicht nur in westlichen Demokratien, sondern überall.“ Dies zu beobachten gehöre genauso zu einer modernen Außenpolitik wie digitale Visaverfahren. „Hier haben auch die Plattformen für soziale Medien eine riesige Verantwortung.“

Das Ministerium von Nancy Faeser (SPD) leitet die ressortübergreifende Arbeitsgruppe zur Bekämpfung von Desinformation.
Das Ministerium von Nancy Faeser (SPD) leitet die ressortübergreifende Arbeitsgruppe zur Bekämpfung von Desinformation.

© dpa/Kay Nietfeld

Kanzleramt, Auswärtiges Amt und Innenministerium arbeiten zusammen

Die beteiligten Bundesministerien betonten, dass sie bei diesem Thema in engem Austausch stünden. „Wir haben die Schutzmaßnahmen hochgefahren, um uns gegen die Bedrohung durch Desinformation zu wappnen“, sagte deshalb auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser dem Handelsblatt. Das Innenministerium leitet die Arbeitsgruppe gegen Desinformation. Fähigkeiten zur Analyse und Abwehr von hybriden Bedrohungen wie Desinformation habe man verstärkt, sagte die SPD-Politikerin weiter – das gelte besonders für die Nachrichtendienste.

Nach Angaben des Magazins hat Baerbocks Ministerium seine Erkenntnisse bereits mit dem EU-Kompetenzzentrum „EU vs Disinfo“ geteilt – auch um sie von den Brüsseler Experten überprüfen und verifizieren zu lassen.

Kampagne aus Russland gegen Ampel offenbar automatisiert

Baerbocks Haus sei besonders besorgt, weil einiges darauf hindeute, dass ein großer Teil der Kampagne automatisiert funktioniere. In einer exemplarischen Detailanalyse von 4000 der identifizierten, offenbar aus Russland gesteuerten Nutzerkonten weisen die Experten nach, dass diese am 29. Dezember von Mitternacht an zeitgleich und im gleichen Takt deutschsprachige Inhalte posteten, offenbar algorithmisch gesteuert.

Russland missbraucht offenbar bekannte deutsche Medienmarken

Wie es in dem Bericht weiter heißt, missbrauchten die Angreifer die Namen von bekannten deutschen Medienmarken, um die Einflussnahme authentisch erscheinen zu lassen. Sie ahmten demnach deren Webseiten nach, um im gewohnten Layout ihre Falschnachrichten zu platzieren – daher der Kampagnenname Doppelgänger.

Die Fake-Accounts posten neben ihren falschen Botschaften vermeintliche Links auf bekannte Nachrichtenmedien. Die falschen Nachrichtenseiten würden dann fleißig weiterverbreitet. 

Die aufgedeckte Kampagne nähre in Berlin die Befürchtung, dass Desinformationskampagnen durch künstliche Intelligenz noch befeuert werden könnten, so das Blatt weiter. Im AA herrsche daher Aufregung, so heißt es im Bericht, schließlich stehen in diesem Jahr nicht nur Europawahlen an, sondern auch Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern. Die Sorge sei groß, dass Russland erneut in Wahlkämpfe eingreifen könnte.

Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser sagt: „Wir nehmen diese Bedrohung im Hinblick auf die Wahlen in diesem Jahr sehr ernst.“ Der russische Präsident Putins verbreite mit einem Propaganda-Apparat seit Jahren Desinformation, um das Vertrauen in die Demokratie zu erschüttern und die öffentliche Meinung zu manipulieren.

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