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Der Übungsflug eines Kampfjets vom Typ Tornado, das hier bestückt ist mit dem Lenkflugkörper Taurus.

© dpa/Bundeswehr/Andrea Bienert

Marschflugkörper für die Ukraine: Beugt sich der Kanzler dem Taurus-Druck?

Zuletzt hatte Finanzminister Lindner eine zügige Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine für möglich und wünschenswert gehalten. Aber was sagt Kanzler Scholz? Drei Einschätzungen.

Wieder führt die Ampelkoalition eine erbitterte Diskussion um Waffenlieferungen an die Ukraine. Dieses Mal geht es um das Taurus-Waffensystem, eine Art deutsche Cruise-Missiles. Wann gibt der Kanzler nach? Einschätzungen von drei Experten in unserer Kolumne „3 auf 1“. Alle Folgen von „3 auf 1“ finden Sie hier.


Am Ende wird zugestimmt

Olaf Scholz‘ Spielraum engen zurzeit vor allem zwei Gegenkräfte ein, das Eskalationsrisiko und seine eigene Partei. Von Eskalationskontrolle war noch bei jeder weiteren Waffenlieferung die Rede. Aber ohne sie gäbe es eine souveräne Ukraine heute nicht mehr.

Dass Putins Propaganda jede Unterstützung als Eskalation hin zum Weltkrieg brandmarkt, gehört offenbar zum Gefechtslärm dieser „Spezialoperation“. Dass tatsächlich aber keine westliche Waffenwirkung gegen russisches Gebiet erfolgen darf, hält Kiews Armee peinlich genau ein. Die deutschen Cruise-Missiles stellen insofern keine neue Dimension der Kriegsführung dar. Nach gründlicher Abwägung dürfte man deshalb in Berlin, wie zuvor schon in Paris und London Marschflugkörper für vertretbar halten. Das könnte schnell gehen.

Scholz‘ demonstratives Zögern soll nun vielmehr die pazifistischen Strömungen in der SPD und in der Bundestagsfraktion einbinden, vielleicht zudem Rücksicht nehmen auf ostdeutsche Befindlichkeiten. Ausgerechnet der Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich gehört aus ideologischen Gründen zu den Bremsern. So wird verzögert, zerredet – und am Ende mit blutendem Herzen zugestimmt.


Die Bedeutung von Marschflugkörpern wird überhöht

Ob sich Bundeskanzler Olaf Scholz dem Druck, Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine zu liefern, beugen wird, weiß niemand. Aus sicherheitspolitischer Sicht ist diese Personalisierung der Politik allerdings auch belanglos. Entscheidend sind zwei andere Faktoren:

Erstens wiederholt sich bei jedem denkbaren deutschen Waffensystem, dessen Lieferung an Kiew erwogen wird, die Debatte zwischen Befürwortern, die reflexhaft jeder ukrainischen Forderung nachkommen wollen, und Gegnern, die genauso reflexhaft vor einer Eskalation des Krieges warnen. Ohne eine Angabe, was denn mit diesen Waffen militärisch und politisch erreicht werden soll, sind solche Diskussionen sinnlos.

Zweitens wird in der öffentlichen Debatte die Bedeutung einzelner Waffensysteme für den Kriegsverlauf überhöht. Vor wenigen Monaten galten die Leopard-Panzer für die Ukraine noch als sogenannter „Gamechanger“; jetzt stecken sie in russischen Minenfeldern fest. Der Ausgang eines Krieges hängt von unzähligen Faktoren ab, von denen sich die wenigsten kontrollieren lassen.


Druck muss ausgehalten werden

Druck ist dafür da, ihn auszuhalten. So ähnlich lautet das Amtsverständnis von Olaf Scholz. Es stimmt ja auch: Ein Kanzler hat die politische Letztverantwortung, muss Dinge bedenken, die andere für eine schnelle Schlagzeile ignorieren.

Die Gefahr bei Scholz ist, dass er sich schon aus Prinzip Forderungen nicht anschließt, Entscheidungen hinauszögert und am Ende doch als Getriebener wirkt.

Wahrscheinlich läuft es bei den Marschflugkörpern ähnlich. Militärisch gibt es gute Gründe für die Lieferung, da sie Ziele weit hinter der festgefahrenen Front treffen können. Das Eskalationsrisiko ist nicht höher als durch von Briten und Franzosen gelieferte Modelle. Der Sorge, die Ukraine könne mit deutschen Waffen das Territorium Russlands angreifen, lässt sich auch technisch begegnen.

So könnte das Zögern von Scholz und US-Präsident Joe Biden auch mit der langsam bröckelnden Unterstützung für die Ukraine-Militärhilfe zusammenhängen. Doch dieser Art von Druck will Scholz auch nicht nachgeben – er ist fest davon überzeugt, dass Wladimir Putin für seine Aggression nicht belohnt werden darf.

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