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Will neuen Schwung in die deutsch-französische Freundschaft bringen: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.

© dpa/LUDOVIC MARIN

Je t’aime … moi non plus: Macrons Deutschland-Reise – ein seltener Besuch in schwierigen Zeiten

Die deutsch-französische Freundschaft ist angeschlagen. Nun kommt nach 23 Jahren wieder ein Präsident aus Paris zum Staatsbesuch. Die Erwartungen sind hoch.

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Man muss schon das Erwachsenenalter erreicht haben, um sich an den letzten Staatsbesuch eines französischen Präsidenten in Deutschland erinnern zu können. Als der damalige Präsident Jacques Chirac 2000 nach Berlin kam, stand die französische Botschaft am Pariser Platz noch nicht. Der Bundeskanzler hieß noch Gerhard Schröder, und die EU-Erweiterung war noch einige Jahre entfernt. Es war also an der Zeit, um wieder einmal auf höchster Ebene die Symbolik des deutsch-französischen Verhältnisses zu feiern.

Wenn am Montag das zweitägige offizielle Besuchsprogramm für den Staatsbesuch des Präsidenten Emmanuel Macron beginnt, dann soll ein neues Kapitel in den deutsch-französischen Beziehungen aufgeschlagen werden. Im vergangenen Januar feierten beide Seiten den 60. Jahrestag des Freundschaftsvertrages zwischen Berlin und Paris aus dem Jahr 1963.

Ein Staatsbesuch gilt als „seltene Ehre“, die Einladung dazu spricht als Staatsoberhaupt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier aus – er ist das Gegenüber seines Gastes. Nach dem Empfang mit militärischen Ehren in Ludwigsburg, wo Charles de Gaulle 1962 seine Rede an die deutsche Jugend hielt, trifft Macron Kanzler Olaf Scholz (SPD) nur einmal, beim Bootsausflug in Berlin.

Allerdings könnte die Visite von Konflikten in Frankreich überschattet werden, wenn die schweren Ausschreitungen andauern, die nach der Tötung eines Jugendlichen durch einen Polizisten ausgebrochen waren. Für diesen Fall muss damit gerechnet werden, dass Macron den Besuch womöglich verkürzt. Der PR-erfahrene Politiker wird berücksichtigen, dass etwa Bilder von einer Bootsfahrt auf der Spree als Zeichen von Gleichgültigkeit verstanden werden können, wenn daheim Jugendliche Rathäuser in Brand setzen.

In den Sechzigerjahren ging es noch um die Nachkriegs-Aussöhnung zwischen beiden Seiten. Jetzt, so heißt es aus dem Bundespräsidialamt, gehe es für Deutschland und Frankreich darum, gemeinsam den Blick nach außen auf die globalen Herausforderungen zu richten – den Kampf gegen den Klimawandel, die digitale Transformation und den Angriffskrieg von Kremlchef Wladimir Putin gegen die Ukraine.

Gerade der Ukraine-Krieg hat allerdings gezeigt, dass es zwischen Berlin und Paris nicht immer rund läuft. Zu Beginn des Jahres preschte Macron mit der Ankündigung vor, Spähpanzer an Kiew zu liefern, und überraschte damit die Bundesregierung. Zuvor hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine Initiative zur europäischen Luftverteidigung gegen mögliche russische Raketenangriffe gestartet, bei der Frankreich nicht mitmacht.

Die Meinungsverschiedenheiten zwischen Berlin und Paris in Fragen der Militärstrategie zeigen, dass das Verhältnis zwischen beiden Seiten kompliziert ist. Der Streit um die Atomkraft auf EU-Ebene, unterschiedliche Ansätze zur europäischen Asylpolitik, Irritationen über die China-Politik – die Liste der Streitthemen ist lang.

In Frankreich kam es zu schweren Ausschreitungen, nachdem ein Polizist einen Jugendlichen bei einer Verkehrskontrolle getötet hatte. Offen ist, ob Emmanuel Macrons Staatsbesuch in Deutschland deshalb verkürzt werden könnte.

© dpa/Aurelien Morissard

Dabei mangelt es keineswegs an gemeinsamen Initiativen. Jüngst warb Innenministerin Nancy Faeser (SPD) gemeinsam mit ihrem Amtskollegen Gérald Darmanin beim tunesischen Präsidenten Kais Saied für mehr Kooperation in der Asylpolitik. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) suchte mit seinem Pariser Pendant Bruno Le Maire nach einer gemeinsamen Antwort auf das milliardenschwere US-Investitionsprogramm zur Förderung erneuerbarer Energien. Und im Herbst ist die erste deutsch-französische Kabinettsklausur geplant.

Sowohl in Paris auch in Berlin wird betont, dass die Frequenz der Treffen zwischen Kanzler Scholz und Macron, die sich auf EU-Ebene regelmäßig treffen, ohnehin schon sehr hoch ist. Aber ein Staatsbesuch auf Einladung des Bundespräsidenten ist eben doch noch einmal etwas anderes.

Ich bin sicher, dass Macron klare Botschaften im Gepäck haben wird.

Nicole Westig (FDP), Vorsitzende der deutsch-französischen Parlamentariergruppe im Bundestag

Der Staatsbesuch soll ins öffentliche Bewusstsein rufen, was beide Seiten aneinander haben, auch wenn es im täglichen Miteinander immer wieder hakt. Er diene vor allem dazu, die alltäglich und selbstverständlich gewordenen deutsch-französischen Beziehungen gemeinsam zu feiern, heißt es im Bundespräsidialamt. Deutschland und Frankreich bildeten eine „gut geölte Kooperationsmaschine, die meistens nur auffällt, wenn es ein bisschen ruckelt“. In der Bundesregierung wird das ähnlich gesehen.

Inhaltlich soll bei der Visite Macrons Rede am Dienstag vor der Dresdener Frauenkirche im Fokus stehen. Macron wolle mit der Rede daran erinnern, „dass wir unseren Einfluss nur erhalten können, indem wir uns als Franzosen und Deutsche verbinden – natürlich innerhalb der EU, aber vielleicht auch darüber hinaus“, hieß es vorab aus dem Elysée-Palast.

Auch in Deutschland gibt es hohe Erwartungen an die Rede. „Ich bin sicher, dass Macron klare Botschaften im Gepäck haben wird“, sagte Nicole Westig (FDP), Vorsitzende der deutsch-französischen Parlamentariergruppe, dem Tagesspiegel. Sie rechne „vor allem mit Impulsen für Europa angesichts unserer gemeinsamen Haltung für Reformen der EU und für ein weiteres Zusammenstehen mit Blick auf die Ukraine, auch für den Wiederaufbau“.

Der Besuch des Präsidenten in Sachsen unterstreiche die Bedeutung, die Ostdeutschland für Frankreich habe. Westig weiter: „Im Osten liegt hier noch viel Potenzial, die Zusammenarbeit zu intensivieren."

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