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Dietmar Bartsch, Fraktionsvorsitzender der Partei Die Linke, spricht auf dem Parteitag.

© dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Update

Liquidation eine „gewaltige Niederlage“: Bartsch greift Wagenknecht nach Auflösung der Linken-Fraktion scharf an

Der Austritt der prominenten Linken hat für die Partei schwere Konsequenzen. Auf dem Bundesparteitag rechnet die Führung nochmal mit Wagenknecht ab – und beschwört den Neuanfang.

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Mit heftigen Attacken gegen Sahra Wagenknecht und ihre Mitstreiter hat Fraktionschef Dietmar Bartsch den zweiten Tag des Bundesparteitags der Linken eröffnet. Bartsch machte diese Gruppe erneut für die Auflösung der Linken-Bundestagsfraktion verantwortlich. Die Liquidation sei eine „gewaltige Niederlage“, sagte Bartsch am Samstag bei dem Parteitag in Augsburg.

„Die Verantwortung dafür tragen zuallererst die zehn Abgeordneten, die die Partei verlassen haben. Oder besser gesagt, die neun Abgeordneten, die in der zehnten ausschließlich eine politische Heilsbringerin sehen“, meinte Bartsch, ohne Wagenknecht namentlich zu erwähnen. Weglaufen, wenn es darauf ankomme, sei nicht sein Ding, betonte der Fraktionschef. „Das ist die Sache anderer.“

Wagenknecht und ihre Unterstützerinnen und Unterstützer waren im Oktober aus der Linken ausgetreten, um eine Konkurrenzpartei zu gründen. Wegen der Spaltung muss sich die Bundestagsfraktion zum 6. Dezember auflösen.

In kräftezehrenden Auseinandersetzungen sind nötige strukturelle und strategische Aufgaben liegen geblieben.

Janine Wissler, Ko-Chefin der Linken

Bartsch forderte seine Genossen auf, sich nun aufzurappeln. „Wir kämpfen weiter“, sagte er. „Wir wollen ein politisches Comeback der Linken.“ Die Delegierten auf dem Parteitag wollten am Samstag auch noch über einen Antrag debattieren, in dem die zehn ausgetretenen Abgeordneten zur Abgabe ihrer Bundestagsmandate aufgefordert werden.

Chefin Wissler fordert Selbstkritik von Linken

Linken-Chefin Janine Wissler rief nach dem langen Streit mit dem Lager um Wagenknecht zur Erneuerung der Partei aufgerufen. „Es geht darum, unsere Partei wieder stark zu machen“, sagte Wissler auf dem Parteitag. Die Linke müsse „denen eine Stimme geben, die viel zu wenig gehört werden“, sagte sie. „Dazu müssen wir unsere Partei erneuern, sie öffnen und verändern.“

Wissler betonte ebenso wie am Freitag ihr Ko-Parteichef Martin Schirdewan, dass die Linke in Augsburg „ein neues Kapitel“ aufschlagen wolle. Die Konflikte der vergangenen Jahre „haben uns zunehmend gelähmt und waren nicht mehr aufzulösen“, sagte die Linken-Vorsitzende mit Blick auf die Abspaltung Wagenknechts und ihrer Gefolgsleute.

Es seien aber nicht alle Probleme gelöst, weil ein zentraler Streit nun ein Ende gefunden habe. „In kräftezehrenden Auseinandersetzungen sind nötige strukturelle und strategische Aufgaben liegen geblieben“, sagte Wissler. Sie verwies auf „schmerzhafte Wahlniederlagen“ und „schwächelnde Strukturen in der Fläche“.

Die Linke müsse sich selbstkritisch fragen, warum viele, die die Ziele der Partei teilten, sich dennoch abgewandt hätten. „Es geht jetzt darum, Vertrauen zurückzugewinnen“, sagte Wissler unter dem Beifall der 470 Delegierten. Sie hob hervor, dass in den vergangenen Wochen „über 700 neue Mitglieder dazugekommen und einige ehemalige Mitglieder wieder eingetreten“ seien. Drei der neu Eingetretenen stellten sich auf dem Parteitag persönlich vor.

Die beiden Vorsitzenden der Linken beim Bundesparteitag in Augsburg: Janine Wissler und Martin Schirdewan.
Die beiden Vorsitzenden der Linken beim Bundesparteitag in Augsburg: Janine Wissler und Martin Schirdewan.

© dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Die Linke kämpfe dafür, Eigentumsverhältnisse grundlegend zu verändern, sagte Wissler. Die Ampel-Regierung dagegen plane „den größten Kürzungshaushalt seit Jahrzehnten“, anstatt „den enormen Reichtum in diesem Land angemessen zu besteuern“. Sie kürze bei denen, „die ohnehin wenig haben, die Hilfe brauchen, die krank sind und arm“.

Die Linke beschloss in Augsburg als Teil ihres Europawahlprogramms, der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland müsse „auf mindestens 15 Euro steigen und jährlich automatisch in Höhe der Inflationsrate erhöht werde. Hauptthema des dreitägigen Treffens der Partei in Bayern ist die Europawahl im Juni 2024. Schirdewan und die Flüchtlings- und Klimaaktivistin Carola Rackete sollen dann die Kandidatenliste anführen.

Linke ringt um Kompromiss zu Israel

Bei der Wahl von Linken-Chef Schirdewan zum Spitzenkandidaten für die Europawahl kam es zu einem Eklat. Bevor Schirdewan beim Parteitag in Augsburg mit knapp 86,9 Prozent der Stimmen gewählt wurde, sorgte sein Gegenkandidat um Platz eins der Kandidatenliste, Bijan Tavassoli, für einen Tumult.

Tavassoli nutzte seine Bewerbungsrede für eine Beschimpfung der Partei und eine Lobrede auf Sahra Wagenknecht, die kürzlich aus der Linken ausgetreten war. Zum Abschluss seiner Rede erklärte Tavassoli selbst ebenfalls seinen Parteiaustritt. Er wurde schließlich gebeten, von der Bühne zu gehen und wurde von Sicherheitsleuten aus dem Saal geleitet. Schirdewan sprach von einem „unschönen Zwischenfall“.

Im Anschluss an den Vorfall wurde Rackete auf Platz zwei ihrer Kandidatenliste für die Europawahl gesetzt. Die 35-Jährige erhielt am Samstagabend 77,8 Prozent der Delegiertenstimmen.

Am späten Freitagabend hatten die Delegierten hitzig über die Position der Linken zum Hamas-Angriff auf Israel und zum Gaza-Krieg gestritten. Doch fand ein Kompromissantrag letztlich eine breite Mehrheit. Dieser fordert einen sofortigen Waffenstillstand und die sofortige Freilassung der von Hamas verschleppten israelischen Geiseln.

Das Papier betont das Existenzrecht Israels und das Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung, kritisiert aber die „exzessive Bombardierung“ des Gazastreifens durch Israel mit vielen zivilen Opfern. „Israel hat das Recht sich zu verteidigen“, heißt es in dem Papier. „Doch die Verbrechen der Hamas entbinden Israel nicht seiner völkerrechtlichen Verantwortung.“ Antisemitismus in Deutschland wird verurteilt, jedoch auch vor antimuslimischen Ressentiments gewarnt.

Der vorab ausgehandelte Kompromissantrag war der Parteispitze wichtig, um die Linke in der Frage nicht als zerstritten dastehen zu lassen. In der Debatte wurde jedoch deutlich, dass einige Linke extremere Positionen vertreten. (dpa, AFP)

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