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Will nicht vom Sparetat reden: Christian Lindner, Bundesminister der Finanzen.

© imago/photothek/Florian Gaertner

Laute Klagen, volle Töpfe : Ist wirklich zu wenig Geld im Bundeshaushalt?

Einzelberichte des Bundesrechnungshofs zu den Ministerien offenbaren, dass Mittel oft nicht ankommen. Sie werden gebunkert oder der Bedarf fehlt einfach. Dennoch wird stets über die Etats geklagt.

Etatberatungen im Bundestag werden von einem sehr großen Chor begleitet. Die vielfältige Lobby ist noch aktiver als sonst. Sie will vor allem eines, von den Wirtschafts- über die Sozial- bis hin zu den Kulturverbänden: mehr Geld. Wenn es Kürzungen gibt, folgt der Aufschrei. Immer mit dabei sind die jeweiligen Fachpolitiker, und keineswegs nur die der Opposition.

Der SPD-Haushaltspolitiker Dennis Rohde hat das in der Etatdebatte zuletzt so auf den Punkt gebracht: Er erwarte schon, dass die Fachseite für ihre Etats kämpft, am Ende aber müsse man Wunsch und Wirklichkeit in Einklang bringen.

Und die Realität ist die, dass das Klagen und Fordern zwar laut ist, aber nicht immer einer nüchternen Betrachtung standhält. Denn es ist in praktisch allen Etats bisweilen deutlich mehr Geld, als gebraucht wird.

Teilweise über das eigentlich notwendige Maß hinaus finanziert.

Der Bundesrechnungshof über Forschungseinrichtungen

Das zeigt der Blick in die Berichte des Bundesrechnungshofs (BRH) zu den Einzeletats der Ministerien. In der Vorwoche hat die Bonner Kontrollbehörde mit einer kritischen Gesamtanalyse die Ampel-Koalitionäre verärgert. Aber der Bericht las sich wenig anders als das, was sonst vom Rechnungshof kommt. Das gilt auch für die Einzelkritiken.

Und nicht allein die Ampel darf sich angesprochen fühlen, denn vieles, was im Argen liegt beim Haushaltsvollzug der Bundesregierung, war zu Groko-Zeiten und auch davor keineswegs anders. Es wird fehlfinanziert, es wird am Bedarf vorbei geplant und es wird Geld zur Vorratshaltung gebunkert wie in einem Hamsterbau.

Die Berichte zum Bildungsministerium, zum Wirtschaftsressort, zum Verteidigungsministerium und zum Landwirtschaftsressort zeigen beispielhaft, was alle (mehr oder weniger) tun.


Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ist ein ganz besonderer Fall. Wissenschaftsförderung ist ein bedeutendes Anliegen aller Regierungen, Bildung gilt (schon immer) als großes Zukunftsthema. Da ist das Feld bereitet für Großzügigkeit. 20,3 Milliarden Euro darf die Hausherrin Bettina Stark-Watzinger (FDP) nach dem Regierungsplan 2024 ausgeben. Das ist weniger als im Schnitt der vergangenen Jahre.

Unangemessener Umgang mit Steuermitteln durch überhöhte Ausgaben für Reisen, Dienstfahrzeuge und Repräsentationen.

Der Bundesrechnungshof über Forschungseinrichtungen

7,9 Milliarden Euro fließen an außeruniversitäre Einrichtungen – Fraunhofer-Gesellschaft, Helmholtz-Gemeinschaft, Max-Planck-Gesellschaft, die Leibniz-Institute. Der Rechnungshof sieht trotz des leichten Ausgabenrückgangs keine Anzeichen dafür, „dass die außeruniversitären Forschungseinrichtungen unterfinanziert sein könnten“.

Eine Prüfung der Fraunhofer-Gesellschaft hat schon im Frühjahr „erhebliche Mängel in der Haushalts- und Wirtschaftsführung“ ergeben. Der BRH spricht von einem „unangemessenen Umgang mit Steuermitteln durch überhöhte Ausgaben für Reisen, Dienstfahrzeuge und Repräsentationen“. Er sieht das als „Indiz“, dass aufgrund der garantierten Zuwächse diese Einrichtungen „zumindest teilweise über das eigentlich tatsächlich notwendige Maß hinaus finanziert sind“.

Dazu kommt, dass in den Wissenschaftseinrichtungen offenbar ordentlich Geld gebunkert wird. Denn Mittel, die nicht verbraucht werden, können quasi als Rücklagen auf gesonderten Konten für die nächsten Jahre angesammelt werden. Mit 1,19 Milliarden Euro (Stand Ende 2022) konstatiert der BRH hier eine neue Rekordhöhe.

677 Millionen Euro hat allein die Helmholtz-Gemeinschaft zurückgelegt, 188 Millionen sind es bei der Leibniz-Gemeinschaft. Als wichtige Ursache nennt der BRH-Bericht „eine zu frühe oder zu hohe Veranschlagung“ von Fördermitteln. Will heißen: Es geht mehr an die Forschungsorganisationen raus als sein dürfte, denn solche über Jahre wachsenden Rücklagen sind nichts anderes als Mittel über Bedarf.


Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz 

Für Förderpolitik kann der Wirtschaftsminister nur halb so viel einsetzen wie das Forschungsministerium. Aber die elf Milliarden Euro, die Robert Habeck (Grüne) für 2024 zur Verfügung haben soll, sind ebenfalls problembehaftet. Auch hier wird wohl oft über den Bedarf hinaus Geld angeboten. Das Ergebnis: Die ins Folgejahr übertragbaren Mittel summierten sich 2022 auf 4,2 Milliarden Euro.

Ob überhaupt Bedarf an der Förderung solcher Projekte besteht

Der Bundesrechnungshof über den Etat des Wirtschaftsministeriums

Der Bericht zum BMWK reiht auf, wo die Mittelabflussquote unter 20 Prozent liegt. Beispiele für Mittelbereitstellung weit über Bedarf reichen vom Zukunftsfonds Automobilindustrie über die Förderung von Mikroelektronik für die Digitalisierung, die Förderung für gemeinwohlorientierte Kleinunternehmen oder den Klimaschutz im beruflichen Alltag, die Wasserstoffstrategie Außenwirtschaft oder den Wirtschaftsfonds Afrika bis hin zur Stiftung Umweltenergierecht. Bisweilen floss hier kein einziger Cent ab.

Bisweilen wird auch gegen die eigenen Richtlinien gefördert – wohl um überhaupt Geld loszuwerden. Laut BRH-Bericht waren bei einem Programm für Unternehmensgründungen an Hochschulen bei der Hälfte der geprüften Fälle die Voraussetzungen nicht erfüllt.

Beim „Unternehmen Revier“, einem Förderprogramm für die Braunkohleregionen, das nur mager in Anspruch genommen wurde, fragt sich der Rechnungshof, „ob überhaupt Bedarf an der Förderung solcher Projekte besteht“.


Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft

In die Kritik ist auch das Bundeslandwirtschaftsministerium geraten, geführt von Cem Özdemir (Grüne). Dem hält der Rechnungshof vor, bei der Förderung des Umbaus hin zu einer artgerechten Tierhaltung den Landwirten zu sehr entgegenzukommen – indem es die Förderung über zehn Jahre hinweg auf dem gleichen Niveau hält, statt sie langsam abzusenken, wie es die Subventionsleitlinien eigentlich vorsehen.

Auch in diesem Ministerium bleiben die Abflüsse bei Förderprogrammen seit Jahren deutlich unter den Ansätzen – 2022 etwa um etwa 111 Millionen Euro, im Jahr davor um 115 Millionen. Ein Viertel der Planmittel in diesem Bereich blieb so konstant ungenutzt. Fazit des Rechnungshofs: Das Ministerium müsse „einen Fokus auf die zweckgerichtete Verwendung der Mittel“ legen.  


Bundesministerium der Verteidigung

Als besonders schwieriges Ressort, was wirtschaftliche Mittelverwendung angeht, gilt seit langem das Verteidigungsministerium. Neuerdings hat Minister Boris Pistorius (SPD) zwei Etats zur Verfügung. Den regulären, der 2024 knapp 52 Milliarden Euro ausmachen soll. Und das Sondervermögen Bundeswehr, in dem insgesamt 100 Milliarden Euro liegen. Davon sollen etwa 19 Milliarden Euro im kommenden Jahr ausgegeben werden.

Eigentlich war vorgesehen, dass das Sondervermögen und der Normaletat nicht vermischt werden. Der Grund: Der Nebenhaushalt wurde 2022 auf große Beschaffungsprojekte zur Aufrüstung der Bundeswehr beschränkt. Aber das hat die Regierung nun schon aufgegeben.

Sie praktiziert laut BRH jetzt eine „Mischfinanzierung“. Weil offenkundig das Geld im Normaletat für den Betrieb der Armee nicht ausreicht (oder Sparziele nicht eingehalten werden können), wird das Sondervermögen angezapft – wofür das aber gar nicht eingerichtet wurde.

Hinweis auf weiterhin bestehende Defizite bei der Planung und im Beschaffungswesen.

Der Bundesrechnungshof über den Etat des Verteidigungsministeriums

Auch das Wehrressort hat Probleme mit dem Geldausgeben – was für militärische Beschaffungen im Plan steht, wird seit Jahren nicht vollständig verbraucht. Der Rechnungshof beziffert die Summe für 2022 auf zwei Milliarden Euro, worin auch gebunkerte Rücklagen wegen Verzögerungen enthalten sind.

Bei einem Gesamtetat von 52 Milliarden Euro auf den ersten Blick nicht viel, aber es sind laut BRH immerhin 20 Prozent der für Beschaffungen vorgesehenen Mittel. Für die Haushaltskontrolleure ein „Hinweis auf weiterhin bestehende Defizite bei der Planung und im Beschaffungswesen“.

Das Fazit: Es hapert nicht an allen Ecken und Enden beim Etat der Ampel-Koalition. Aber an einigen eben schon. Ein Sparhaushalt ist es nicht. Geld ist da. Dass es bisweilen nicht ankommt, dass es fehlgeleitet wird, dass es liegenbleibt – das ist nicht allein ein Versäumnis der Regierenden.

Daran haben auch jene, die gern klagen in den Verbänden und Interessengruppen, ihren Anteil. Denn es gibt zwei Seiten in diesem Geschäft: eine, die gibt, und eine, die nimmt. Oder eben öfters auch nicht.

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