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Elizabeth Wathuti, climate activist from Kenia, adresses a press confernece at the open-cast mine Garzweiler in Luetzerath, western Germany on October 16, 2022. - German multinational energy company RWE plans to entirely demolish houses in the village of Luetzerath for coal mining. RWE also brought forward its exit from coal power to 2030 on October 4, 2022 amid fears the country's plans to abandon fossil fuels are wobbling following the energy crisis caused by Russia's war in Ukraine. Russia's curtailing of gas exports to Germany in the wake of the Ukraine war has forced Berlin to make the radical decision to restart mothballed coal power stations, at least temporarily. (Photo by Ina FASSBENDER / AFP)

© Foto: AFP

Klimaaktivistin Elizabeth Wathuti zur COP27: „Afrika hat eines der größten Potenziale“

Die Kenianerin Wathuti zweifelt an den Zusagen der Industriestaaten. Ein Gespräch über afrikanische Erwartungen, gebrochene Versprechen und Solarenergie.

Frau Wathuti, die Weltklimakonferenz in Ägypten soll „die afrikanische COP” werden. Was bedeutet das für Sie?
Für mich heißt es, dass die Stimmen und Bedürfnisse des afrikanischen Kontinents in Sharm-el-Sheikh im Zentrum der Verhandlungen stehen. Und dass sich das dann auch im Ergebnis widerspiegelt. Denn diese COP27 findet auf demselben Boden, demselben Kontinent statt, wo Millionen Menschen wegen Dürren vom Hungertod bedroht sind, wo Frauen und Kinder und ganze Familien zu Flüchtenden werden, weil gigantische Fluten ihre Dörfer und ihr Land zerstören.

Wie sieht das in ihrem Heimatland aus? Kenia leidet in Teilen gerade ja unter einer massiven Dürre.
Im Nordosten Kenias sind bereits fünf Regenzeiten hintereinander ausgefallen. Die meisten Menschen dort sind Viehzüchter, die Tiere sind ihre Lebensgrundlage. Ich war gerade dort, es ist furchtbar. Verdurstete Rinder liegen auf den Weiden, ich habe selbst sterbende Ziegen im Arm gehalten.

Die Menschen haben kein Geld, kein Essen, kein Wasser. Müttern versiegt die Milch für ihre Babies, Mädchen müssen die Schule abbrechen, weil das Geld dafür nicht mehr da ist. Das sind die Menschen, die Stimmen, die Geschichten, die im Herzen, im Zentrum der Entscheidungen auf der COP stehen müssen. Diese Menschen verdienen Gerechtigkeit.

Was bedeutet in dem Zusammenhang für Sie Gerechtigkeit?
Die Menschen, die am heftigsten von den Folgen der Klimakrise betroffen sind, haben am allerwenigsten dazu beigetragen. Gerechtigkeit heißt, diese Menschen jetzt nicht auch noch einfach ihrem Schicksal zu überlassen. Die Industriestaaten sind auf Kosten der armen Länder reich geworden, und durch ihr Nicht-Handeln in der Klimakrise verstärken sie die massive Ungleichheit weiter.

Gerechtigkeit heißt für mich deshalb vor allem, dass die Staats- und Regierungschefs der Industriestaaten jetzt Verantwortung übernehmen und ihre finanziellen Zusagen einhalten, die sie seit Jahren brechen. Jede weitere Verzögerung verursacht mehr Leid, vergrößert Schäden und Verluste durch Dürren, Überschwemmungen oder Ernteausfälle.

Eine somalische Mutter mit ihrer unterernährten Tochter.

© Foto: dpa/Farah Abdi Warsameh

Die Schäden und Verluste in Folge der Klimakrise, im COP-Jargon „Loss and Damages“, werden immer schwerer. Wer dafür zahlen soll, darüber streiten Industrie- und sich entwickelnde Staaten seit Jahrzehnten.
Die kleinen Inselstaaten im Pazifik und in der Karibik bringt jedes weitere Zehntelgrad an Erderhitzung dem Untergang näher. Sie haben das Thema „Schäden und Verluste“ schon vor 30 Jahren auf die Agenda gebracht. Aber statt zu handeln, wird nur darüber geredet. Und währenddessen sterben jedes Jahr mehr Menschen an den Folgen der Klimakrise.

Gerade jetzt erleben wir am Horn von Afrika die schlimmste Dürre seit 40 Jahren, 20 Millionen Menschen sind vom Hunger bedroht. In Nigeria wiederum sind jetzt wegen der schlimmsten Überflutungen seit Jahren zweieinhalb Millionen Menschen ohne Lebensmittel, ohne Medikamente, Hunderttausende haben ihre Heimat komplett verloren. Dürre wie Flut hängen mit der Klimakrise zusammen. „Loss and Damages“ muss deshalb eines der zentralen Themen, wenn nicht das zentrale Thema der COP27 sein.

Im Oktober haben die sieben wichtigsten Industriestaaten, die G7, angekündigt, dass sie einen finanziellen Schutzschirm planen, um künftig die ärmsten Länder bei Schäden und Verlusten durch die Klimakrise zu unterstützen. Der Startschuss dazu soll jetzt in Ägypten fallen. Was halten Sie von der Ankündigung?
Das kommt darauf an. Es reicht nicht, wenn die reichen Länder nur anerkennen, dass es für die Schäden und Verluste durch die Klimakrise tatsächlich Geld braucht. Ich erwarte, dass reiche Länder wie Deutschland sich auch offen bekennen und sagen: Wir stellen konkret Geld zur Verfügung, das ist unser Fahrplan, diese Strukturen werden wir als reiche Staaten dafür aufbauen. Wenn die COP27 hier ein Erfolg sein soll, müssen sich die Staats- und Regierungschefs auf einen konkreten Finanzierungsmechanismus einigen.

Ich glaube, die Menschen in Europa haben den Ernst der Lage noch nicht erkannt.

Elizabeth Wathuti, kenianische Klimaaktivistin

Schon bei der Weltklimakonferenz 2015 in Paris haben die reichsten Länder der Welt versprochen, den ärmsten Ländern ab 2020 pro Jahr mit 100 Milliarden Dollar bei Klimaschutzmaßnahmen und Anpassung an den Klimawandel zu helfen. Jetzt haben wir 2022 und dieses Ziel noch lange nicht erreicht. Vertrauen Sie den Ankündigungen der reichen Industrieländer noch?
Wir haben das Vertrauen komplett verloren. Die Staats- und Regierungschefs haben jahrelang bei den Weltklimakonferenzen das eine versprochen und sind dann nach Hause gefahren und haben das Gegenteil davon getan. Einfach gesagt: Sie haben uns angelogen. Wer dieses verlorene Vertrauen zurückgewinnen will, muss in Ägypten sicherstellen, dass die ganzen finanziellen Versprechen und Zusagen jetzt endlich auch erfüllt werden.

Eine Reihe afrikanischer Staats- und Regierungschefs setzt offenbar darauf, dass jetzt auch im Zuge der globalen Energiekrise verstärkt fossile Rohstoffe in ihren Ländern abgebaut werden. Warum wollen sie nicht stattdessen lieber Vorreiter bei den Erneuerbaren Energien werden?
Also erstmal investieren auch afrikanische Regierungen in Erneuerbare Energien. In Kenia zum Beispiel beziehen wir 80 Prozent unserer Energie aus erneuerbaren Energiequellen. Und bis zum Jahr 2030 will unsere Regierung die 100 Prozent erreichen. Unser Problem ist: Viele Menschen in Kenia und auch in anderen afrikanischen Ländern haben gar keinen Zugang zu Energie.

Für uns geht es anders als zum Beispiel in Europa nicht um die Umstellung von fossiler auf erneuerbare Energie, sondern von der Umstellung von keine Energie auf Zugang zu Energie. Leider reicht das Geld nicht aus, die Erneuerbaren so auszubauen, dass alle Menschen davon profitieren. Das meiste Geld geht im Moment dabei drauf, die Folgen der Klimakrise irgendwie einzudämmen.

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Es geht also wieder ums Geld?
Afrika hat eines der allergrößten Potenziale, was die Erneuerbaren Energien angeht. Das sagt zum Beispiel die Internationale Energieagentur. Wir könnten also massiv zur Lösung der Klimakrise beitragen. Aber dafür braucht es nicht nur Investitionen in Erneuerbare Energien, sie müssen auch Priorität haben. Nur so können wir künftig nachhaltig und widerstandsfähig leben.

Die reichen Länder dürfen nicht durch falsche Anreize dazu beitragen, dass wir in Afrika jetzt dem negativen Vorbild der Industriestaaten folgen. Denn das hat uns doch das ganze heutige Schlamassel eingebrockt: die Investitionen der Industriestaaten in fossile Energien.

Sie reisen gerade durch die EU und sprechen mit vielen Menschen über den Kampf gegen den Klimawandel. Verstehen wir in Europa die Dringlichkeit der Klimakrise?
Ich glaube nicht, dass die Menschen hierzulande die Dringlichkeit der Klimakrise schon verstehen. Würde verstanden werden, wie ernst die Lage ist, dann würde hier viel mehr passieren.

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