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Die Rückkehr Maiers ins Richteramt hatte für Empörung gesorgt.

© imago/Christian Ditsch

Wegen verfassungsfeindlicher Gesinnung: Kann Richteranklage den rechtsextremen Jens Maier aus dem Amt heben?

Dass der AfD-Politiker Jens Maier wieder Recht sprechen darf, ist vielen ein Dorn im Auge. Ihn des Amtes zu entheben ist komplex - drei Verfahren laufen schon.

Eigentlich ist es business as usual, dass jemand, der aus dem Bundestag ausscheidet, wieder seiner früheren Tätigkeit nachgeht - wovon sollten ehemalige Berufspolitiker*innen sonst leben? Doch bei Jens Maier, dem vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften AfDler, war die Empörung groß als er, nachdem er sein Mandat im Bundestag im September 2021 nicht verteidigen konnte, im Dezember einen Rückkehrantrag in sein ruhendes Richteramt stellte und sang- und klanglos wieder die Robe am Amtsgericht in Dippoldiswalde überstreifen wollte.

Genutzt hat die bundesweite Debatte wenig, seit dem 14. März spricht Maier wieder Recht. Das sächsische Justizministerium sah keine andere Möglichkeit als die Rückkehr Maiers und verwies bei der Begründung auf die Gesetzgebung. Denn: Nach der bislang geltenden Rechtslage haben ehemalige Bundestagsabgeordnete einen Anspruch auf Rückkehr in ihr Amt.

Für Rückkehranspruch sollen politische Aktivitäten nicht relevant sein

Dies hat der Bundesgesetzgeber so entschieden und im Abgeordnetengesetz verankert. Für den gesetzlichen Rückkehranspruch sollen die politischen Aktivitäten während der Zeit als Abgeordneter grundsätzlich außer Betracht bleiben.

Dass jemand wie Maier, der sich in der Vergangenheit selbst als „kleiner Höcke“ bezeichnet, von „Schuldkult“ und „Mischvölkern“ gesprochen hatte, wieder Recht sprechen darf, hatte Josef Schuster, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, als „beschämend“ bezeichnet, der Verfassungsrechtler Andreas Fischer-Lescano hatte von einem „Dammbruch“ für das deutsche Rechtssystem gesprochen.

Und auch das sächsische Justizministerium, geführt von der Grünenpolitikerin Katja Meier, ist nicht glücklich mit der Ist-Situation: Es hat bereits beantragt, den ungeliebten Staatsdiener in den Ruhestand zu versetzen und einen Eilantrag gestellt, ihm vorläufig die Amtsgeschäfte zu untersagen. Gestützt wird das Verfahren auf Paragraf 31 des Deutschen Richtergesetzes.

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Laut diesem kann ein Richter in den Ruhestand versetzt werden, wenn Tatsachen außerhalb seiner richterlichen Tätigkeit eine Maßnahme dieser Art zwingend gebieten, um eine schwere Beeinträchtigung der Rechtspflege abzuwenden. Darüber hinaus läuft gegen Maier ein Disziplinarverfahren am Landgericht Dresden wegen des Verdachts, Dienstpflichten zur verfassungstreue, zur politischen Mäßigung und zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten verletzt zu haben.

Weil sich diese Verfahren jedoch enorm in die Länge ziehen und mehrere Instanzen durchlaufen könnten, hatten die Grünen bereits angekündigt, noch einen Schritt weitergehen und im Landtag eine sogenannte Richteranklage gegen Maier vorbereiten zu wollen.

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Die Richteranklage ist zwar im Grundgesetz geregelt, bundesweit jedoch noch nie erhoben worden. Mit einer Richteranklage könnte sich der Landtag direkt an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wenden, um die Entlassung Maiers zu erwirken.

Dort müsste dann abgewogen werden zwischen einem etwaig verfassungsfeindlichen Verhaltens Maiers einerseits und dem Schutz des Richteramts andererseits.

Rückendeckung für dieses Novum im deutschen Justizsystem, das zunächst vom Deutschen Richterbund ins Spiel gebracht worden war, erhielten Sachsens Grüne nun durch das Gutachten des Berliner Staatsrechtlers Christoph Möllers: Dieses kommt zu dem Schluss, dass die Richteranklage durch den Sächsischen Landtag im Fall Maier ein taugliches Instrument ist und räumt einige Bedenken zu den Voraussetzungen für ein solches Verfahren aus.

Novum in der Praxis

„Der in der Sache recht eindeutige Sachverhalt könnte Gelegenheit bieten, die Richteranklage erstmals in der Praxis anzuwenden und die Ungewissheiten des Verfahrens zu klären und rechtspolitisch zu diskutieren“, hatte Möllers bei der Vorstellung seines Gutachtens erklärt.

Betrachte man die materiellen Kriterien einer Richteranklage im Fall Maier, ergäben sich auch in einem eng verstandenen Sinn keine Zweifel. Nach den bisher öffentlich zugänglichen Quellen habe Maier in den vergangenen Jahren seine verfassungsfeindliche Gesinnung zum Ausdruck gebracht, indem er sich eindeutig für einen ethnischen Volksbegriff ausgesprochen und diese Überzeugung auch gewaltaffin formuliert habe. Er haben sich außerdem mehrfach zu den politischen Inhalten und dem Weltbild des sogenannten ‚Flügels‘ der AfD bekannt und sei als dessen ‚Obmann‘ tätig gewesen.

„Es bestehen prozessuale Hürden und Ungleichheiten“

Als problematisch erachtet Möllers jedoch, dass viele der Maier vorwerfbaren Äußerungen bereits länger zurückliegen. „Gleichzeitig bestehen prozessuale Hürden und Ungewissheiten. Gerade die Frist von zwei Jahren erscheint mir bei der hiesigen Konstellation die Achillesferse, da diese Frist auf eine Tat, aber nicht auf eine aggressiv nach außen tretende Gesinnnung als eine Art Dauerzustand abstellt.“

Valentin Lippmann, verfassungs- und rechtspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag zeigt sich zuversichtlich: „Ich bin der festen Überzeugung, dass der Landtag nunmehr den Weg der Richteranklage zügig und parallel zu den bereits ergriffenen Maßnahmen gegen Maier vorbereiten sollte.“

Angesichts laufender Fristen müsste für den Fall, dass das Eilverfahren im Ruhestandsverfahren scheitere, die Richteranklage umgehend eingeleitet werden. Erst auf ein rechtskräftiges Urteil im Disziplinar- oder Ruhestandsverfahren zu warten, sei nicht vertretbar.

Jens Maier gehörte zu dem inzwischen aufgelösten rechten Flügel der AfD.
Jens Maier gehörte zu dem inzwischen aufgelösten rechten Flügel der AfD.

© dpa/Sebastian Kahnert

Ähnlicher Ansicht ist der Deutsche Richterbund: „Es wäre ein unerträglicher Zustand, wenn ein offenkundiger Rechtsextremist in den Justizdienst zurückkehren und in Deutschland Recht sprechen würde. Das kann niemand wollen. Wir stehen in dieser Frage eng an der Seite des Zentralrats der Juden in Deutschland, der zu Recht an die politisch Verantwortlichen in Sachsen appelliert, im Fall Maier alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen.“

Es sei insbesondere zu prüfen, ob das Verhalten Maiers während seiner Abgeordnetenzeit Grundlage für eine erfolgreiche Richteranklage sein könne.

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Kati Lang vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein zeigt sich empört darüber, dass es überhaupt soweit kommen konnte. „Ein Einsetzen für Demokratie und Rechtsstaat hätte anders aussehen können. Selbstreinigungskräfte scheint die sächsische Justiz kaum aufzuweisen, anders lässt sich auch das zögerliche Vorgehen des Richterdienstgerichts nicht erklären. Das ist wohl der größte Fehler, dass die Justiz selbst rechte, rassistische und antisemitische Funktionsträger duldet, keine Haltung zeigt und die Eskalation damit mit verschuldet“, sagt sie im Namen des Vereins.

Ob sich der Landtag tatsächlich zu einer Richteranklage durchringen wird, ist derzeit aber noch ungewiss. Für den Klageantrag bedarf es einer Zweidrittel-Mehrheit aller anwesenden Landtagsmitglieder, mindestens aber der Mehrheit aller Abgeordneten.. Während die SPD Zustimmung signalisiert, hält sich die Union bislang bedeckt.

Die Petition „Keine Nazis im Richteramt: Der Rechtsextremist Jens Maier darf nicht wieder Richter werden“ wurde inzwischen 100.000 mal unterschrieben und am Mittwoch an den Landtagspräsidenten Sachsens Matthias Rössler übergeben.

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