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Arbeiter erhöhen 1961 die Sektorensperre an der Bernauer Straße in Berlin.

© dpa/---

Jahrestag des Mauerbaus : Noch immer gibt es viel Trennendes zwischen den Deutschen

Am 13. August 1961 errichtete die DDR die Berliner Mauer. Es war ein Tag in aller Menschen Bewusstsein in Deutschland. 33 Jahre nach ihrem Fall gibt es nicht nur Gemeinsamkeiten zwischen den Deutschen.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Es gibt Gedenktage, über die geht die Geschichte hinweg. Amtlich verordnetes Erinnern funktioniert nur so lange, wie der Staat sich die Herrschaft über das Erinnern anmaßt. Sobald die Menschen neben der Freiheit des Denkens, die ohnedies keine Obrigkeit einfangen kann, auch entscheiden können, wessen sie sich erinnern wollen, legen sie ihre Gedenktage nach eigenem Ermessen fest.

In Berlin, aber auch darüber hinaus, war der 13. August lange ein Gedenktag. 1961 hatte an diesem Datum in Berlin der Bau der Mauer begonnen. Angeordnet durch die SED, vollzogen durch die Volkspolizei und Betriebskampfgruppen, begann mit diesem 13. August 1961 der gewaltsame Versuch der kommunistischen Regierung in Ost-Berlin, alle Fluchtmöglichkeiten in den freien Westteil der Stadt zu unterbinden.

Da es keine Familie im Ost- oder im Westteil der Stadt gab, die durch diese Gewaltmaßnahme nicht betroffen war, wurde im Westen der 13. August zu einem offiziellen Gedenktag. Im Osten war es ein Tag bewusster und verordneter Alltagsgeschäftigkeit. In den Köpfen der Ostberlinerinnen und Berliner aber war das Datum still präsent.

Der 13. August war auch ein Tag in aller Menschen Bewusstsein in Deutschland. Den Machthabern der einen Hälfte der geteilten Nation, im kommunistisch beherrschten Teil, in der DDR, war er Gedenkmarke des Triumphs. Mit dem 13. August, mit dem Bau der Mauer, hatte der kommunistische Staat eine Fluchtbewegung zum Erliegen gebracht, die den SED-Staat aushöhlte. Zwischen 1949 und 1961, dem Jahr des Mauerbaus, waren 2,5 Millionen Bürgerinnen und Bürger aus dem kommunistischen Machtbereich geflüchtet.

So brutal es klingt: Der Mauerbau war für die SED die letzte Chance, die staatliche Macht noch zu sichern. Und dieser Gewaltakt war letztlich erfolgreich. Er zwang die Zurückgebliebenen, sich mit den realen Machtverhältnissen zu arrangieren.

Mit der Zeit wurde die Teilung Normalität

Je mehr Jahre vergingen nach dem Tag des Mauerbaus, desto mehr verschwand das Erinnern an die Jahre der staatlichen Einheit davor. Je mehr Zeit verstrich, wurde die Teilung Normalität. Die Deutsche Demokratische Republik und die Bundesrepublik Deutschland mit ihrer Exklave West-Berlin entwickelten sich auseinander. Noch vereint durch die Sprache, aber zwischen den Menschen mehr und mehr getrennt, auch wenn die Familien alles taten, die Bande der Verwandtschaft zu erhalten.

Was sich viele Deutsche erst nach dem 9. November 1989, dem Tag der Maueröffnung, eingestanden, was sie nur langsam begriffen, wenn überhaupt: dass sich auch zwei Teile eines Volkes auseinander entwickeln, wenn die politischen Systeme der einen Seite jede Gemeinsamkeit mit der anderen leugnen, oder, wo einfaches bestreiten nicht möglich war, zu unterbinden suchten.

Im Jahre 33 nach dem Fall der Mauer gibt es, nur Schönfärber würden es bestreiten, nicht nur Gemeinsamkeiten, sondern auch viel Trennendes zwischen den Deutschen. Das Leben in verschiedenen Gesellschaftssystemen über Jahrzehnte hinweg verändert die Menschen, prägt ihre Vorstellungen vom Zusammenleben, hat Einfluss auf ihr politisches Wertesystem, lässt den einen wichtig erscheinen, was den anderen eher beiläufig vorkommt.

Die Deutschen in Ost und West haben, 62 Jahre nach dem Bau der Mauer und 33 Jahre nach ihrem Fall, verstanden, dass nicht auf der einen Seite der brutalen und mörderischen Trennwand ein vorbildhaftes Politik- und Gesellschaftssystem etabliert worden war und auf der anderen eines, das mit all seinen Mangelerscheinungen nur durch staatliche Repression überlebte.

Im Westen unserer Heimat geprägte Mitbürgerinnen und Mitbürger müssen begreifen, dass viele ihrer Landsleute im Osten einen ausgeprägten Stolz darauf haben, wie sie ihr Zusammenleben unter großen Schwierigkeiten organisierten und mit welchem Fleiß und Einfallsreichtum sie ihren Alltag unter Bedingungen lebenswert machten, die unvergleichlich schwieriger als an Rhein und Neckar gewesen waren.

Ein Jahrestag des Mauerbaus am 13. August 1961 kann ein guter Anlass sein, darüber nachzudenken, was uns, wo wir rein rechtlich längst wieder ein Volk sind, an Einsichten und Nachdenklichkeit guttäte. Ein Zurück in die Zeit vor dem 9. November 1989 will dann ja wohl niemand.

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