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Eine Demonstrantin bekundet auf einer Demonstration in Wiesbaden ihre Solidarität mit den Empfängern der rechtsextremen Drohschreiben.

© dpa

Hessischer Innenminister sieht Polizei entlastet: Prozess gegen „NSU 2.0“-Drohschreiber beginnt im Februar

Mehrere Jahre lang soll ein Mann Drohschreiben verschickt haben. Dabei habe er regelmäßig die Grußformel „Heil Hitler“ verwendet.

Der Prozess gegen den mutmaßlichen Verfasser der „NSU 2.0“-Drohschreiben beginnt am 16. Februar vor dem Landgericht Frankfurt. Der Mann war im Mai 2021 in Berlin gefasst worden.

Begonnen hatte die Serie seiner Drohschreiben im Jahr 2018 mit Todesdrohungen gegen die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız und ihre Familie. Die Texte waren mit „NSU 2.0“ unterzeichnet – in Anspielung auf die rechtsextreme Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU), die 2011 aufgeflogen war.

Der Angeklagte müsse sich unter anderem wegen des Vorwurfs der Beleidigung in 67 Fällen, wegen versuchter Nötigung und wegen Bedrohung verantworten, so ein Gerichtssprecher in Frankfurt am Main am Mittwoch. Außerdem werde ihm Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener zur Last gelegt, die Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten, das Verbreiten von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, öffentliche Aufforderung zu Straftaten, Volksverhetzung, Besitz kinder- und jugendpornografischer Schriften sowie ein Verstoß gegen das Waffengesetz.

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Der Angeklagte soll zwischen August 2018 und März 2021 insgesamt 116 selbst verfasste Drohschreiben verschickt haben – per E-Mail, Fax oder SMS. Dabei habe er regelmäßig die Grußformel „Heil Hitler“ verwendet sowie sich selbst „SS-Obersturmbannführer“ genannt.

Empfänger der Schreiben waren Privatpersonen, Personen des öffentlichen Lebens sowie Behörden und Institutionen. Die Schreiben enthielten massive verbale Beleidigungen wie „Abfallprodukte“, „Volksschädling“ oder drastische Schimpfwörter gegen Menschen mit türkischen Wurzeln. Gedroht wurde unter anderem mit „Verpiss dich lieber, solange du hier noch lebend rauskommst“ oder damit, dass Familienangehörige „mit barbarischer sadistischer Härte abgeschlachtet“ würden.

Hessens Innenminister Beuth sieht Polizei entlastet

Die Frankfurter Rechtsanwältin Başay-Yıldız hatte im Münchner NSU-Verfahren Angehörige der Opfer als Nebenklageanwältin vertreten. Wie sich im Verlauf der Ermittlungen herausstellte, waren kurz zuvor ihre privaten Daten von einem Polizeirechner in einem Frankfurter Revier abgerufen worden. Auch die Linken-Politikerin Janine Wissler und die Kabarettistin Idil Baydar erhielten „NSU 2.0“-Drohschreiben; und auch ihre Daten wurden an Polizeirechnern abgefragt.

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Der mutmaßliche Verfasser der Schreiben ist selbst kein Polizist. Der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU) sah nach der Anklageerhebung deshalb die Polizei entlastet. Wie der mutmaßliche Verfasser der Drohschreiben jedoch an die öffentlich nicht zugänglichen Daten Başay-Yıldız', Wisslers und Baydars kam, wird in dem zunächst bis Ende April terminierten Verfahren in Frankfurt zu klären sein.

Rechtsextreme Chatgruppe aufgedeckt worden

Im Zug der Ermittlungen war zudem eine Chatgruppe mit rechtsextremen Inhalten in dem Frankfurter Revier aufgedeckt worden, in dem auch die Daten Başay-Yıldız' abgefragt worden waren.

Im vergangenen Jahr wurde der damals 53 Jahre alte Beschuldigte in seiner Berliner Wohnung festgenommen. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt hatte danach Ende Oktober Anklage gegen ihn erhoben. (dpa)

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