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Olaf Scholz bei einer Sitzung des Sicherheitskabinett im Bundeskanzleramt.

© Thomas Trutschel/IMAGO

Pro und Contra zu Waffenlieferungen: Hat Scholz mit seinem Zaudern recht?

Der Kanzler ist gegen die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine – auch wenn er jetzt den Verkauf genehmigt. Ein Pro und Contra.

Die Debatte, welche militärische Unterstützung die Ukraine von Deutschland bekommen soll, ist heftig. Die Meinungen darüber, ob Deutschland schwere Waffen liefern soll, gehen auseinander. Ein Pro und Contra zu der Frage, ob die Zurückhaltung von Bundeskanzler Olaf Scholz richtig ist.

Scholz' Zögern ist richtig – ein Pro von Stephan-Andreas Casdorff

Wie heißt das schöne Sprichwort noch? Allen recht getan ist eine Kunst, die niemand kann. Erst recht nicht einer, der ist wie Olaf Scholz. In allen Ämtern – nie war er anders: Wer Führung bei ihm bestellt, der bekommt sie auch; nur anders, als der Satz klingt. Bei ihm heißt Führung, dass er buchstäblich bis ins Kleinste abwägt, sich berät und dann an seinen Maßstäben für gutes Regierungshandeln misst. Aus alledem ergibt sich eine aus seiner Sicht logische Handlungsanleitung, der er dann entspricht. Fertig.

Auf die einen wirkt das cool, auf die anderen, na ja, erratisch. Denn er redet nicht so gern, oder anders, netter gesagt: Seine Sätze sind knapp, konzentrierte Information. Wer nicht genau zuhört, überhört schon mal was. Seine Arroganz besteht darin, dass er davon ausgeht, dass man ihm einfach zuhören muss.

Und er hat doch alles gesagt! Handelt auch danach. Gesagt hat er: Russland darf nicht siegen. Wir müssen deshalb gemeinsam handeln. Wir liefern, abgestimmt mit den Bündnispartnern. Und, was geschieht? Deutschland liefert, im direkten, im indirekten und im übertragenen Sinn.

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Der Bundessicherheitsrat soll entscheiden

Alles abgestimmt: Einige Partner liefern Waffen, die die Ukrainer direkt bedienen können; Deutschland ersetzt den liefernden Staaten die Waffen; und gibt zugleich der Ukraine Geld, sich weitere Waffen zu kaufen. Wenn zusätzlich der Antrag von deutschen Rüstungsfirmen gestellt wird, überzähliges Kriegsgerät wie „Gepard“-Flakpanzer zu liefern, befasst sich der Bundessicherheitsrat damit und entscheidet. Siehe aktuell. Das ist ja… wie in einer richtigen Demokratie!

Nicht nur am Rande: Wollen die anderen Parteien der Regierungskoalition, dass Deutschland mehr liefert – dafür gibt es den Bundessicherheitsrat. Der ist ein Kollegialorgan und der Bundeskanzler nicht der, der da einfach alles allein bestimmt. Kurz: nicht über Scholz klagen, nicht meckern, sondern handeln.

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Es sind übrigens auch nicht alle im Land gegen den Bundeskanzler. Laut Umfragen ist mindestens die Hälfte der Bevölkerung skeptisch, was Waffenlieferungen, zumal die von schweren, betrifft. In der SPD – die im Vergleich zu den Grünen wie die letzte pazifistische Partei wirkt – hat Scholz mit seiner abwägenden Art bestimmt die Mehrheit. Jahrzehnte der Zurückhaltung lassen sich nicht wegkommandieren. Die Mehrheit hinter sich zu haben, ist aber nicht unwichtig für einen, der weiterregieren will. Ohne Partei geht das nicht.

Er muss die Gesellschaft mitnehmen

Womit wir zurück bei seinem Auftreten sind: Er muss die Gesellschaft mitnehmen. Er muss mehr erklären, sich und sein Handeln. Scholz wollte immer wie Helmut Schmidt sein – jetzt ist seine Stunde. Sagen wir so: mehr Schmidt, weniger Merkel.

Nachtrag: Wer die Sache mit dem Atomkrieg durchdenkt, der kann auch hier auf die Idee kommen, dass Scholz recht hat. Es ist nämlich so: Unter allen Umständen muss verhindert werden, dass Putin eine Atomwaffe in der Ukraine zündet. Erstens, weil damit das Tabu gebrochen wäre, zweitens, weil weder die USA noch die Nato darauf antworten könnten. Nicht, ohne Kriegspartei zu werden. Und das wäre: der dritte Weltkrieg.

Vielleicht macht Olaf Scholz ja doch was richtig.

Flugabwehrpanzer Gepard der Bundeswehr während einer Vorführung.

© IMAGO/Sven Eckelkamp

Scholz´ Zögern ist falsch – ein Contra von Christoph von Marschall

Richtig oder falsch, redliches Argument oder Ausrede: Diese Urteile sind möglich bei einem Sachverhalt, der sich objektiv prüfen lässt. In der Politik hängt die Einschätzung jedoch stark vom Betrachter ab. Das Urteil über den Kurs des Kanzlers bei den Waffen für die Ukraine, und wie er ihn kommuniziert, fällt aus der Perspektive des Auslands, der nationalen Interessen oder seiner Partei unterschiedlich aus.

Das ist inzwischen zu einem gravierenden Problem geworden. Die Kluft zwischen den Erwartungen der SPD, der Koalitionspartner und der Verbündeten an Olaf Scholz wächst. Darunter leidet das internationale Ansehen Deutschlands. Der Kanzler hat in diesem Konflikt offenbar klare Prioritäten: Die Befriedung seiner Partei kommt zuerst, dann die Interessen Deutschlands, zuletzt die Mitverantwortung für den internationalen Zusammenhalt.

Für viele SPDler fühlt sich das richtig an – nicht für Verbündete

Für viele Wähler, Abgeordnete und Mitglieder der SPD fühlt sich, was Olaf Scholz über die letzten Wochen sagte, richtig an. Deutschland müsse vorsichtig handeln und sich mit den Verbündeten abstimmen. Es wäre falsch, schwere Waffen zu liefern, weil das den Krieg verlängere, weil man selbst zu wenig habe, weil man Wladimir Putin nicht in die Enge treiben dürfe, weil Berlin ein potenzieller Vermittler bleiben wolle, weil man keine Eskalation riskieren dürfe, die Nato-Länder zu Kriegsparteien mache oder einen Weltkrieg mit Atomwaffen auslöse.

Es sind die eingängigen Formeln, mit denen die SPD sich seit Jahrzehnten die Welt sowie ihre Rolle als Friedenspartei erklärt. Es irritiert die Genossen kaum, dass Grüne, die jahrelang noch pazifistischer argumentiert hatten, nun ganz andere Schlüsse ziehen.

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Aus Sicht vieler Verbündeter sind die Erklärungen des Kanzlers bestenfalls Ausreden. Sie klingen zudem moralisch überheblich: als seien die, die mehr tun, unverantwortliche Kriegstreiber, die eben mal einen Atomkrieg riskieren. Scholz schreibt sich zudem einen Einfluss zu, den er nicht hat. Wladimir Putin entscheidet, ob er eskaliert und womöglich Atomwaffen einsetzt.

Naja, er macht, was die anderen auch machen, nur eben regelmäßig drei Wochen später. Zeit, die die Ukraine nicht hat.

schreibt NutzerIn HaukeHain

Abstimmung mit den Alliierten? Scholz redet, als dürfe Berlin nicht vorpreschen. Dabei ist es umgekehrt: Die USA, Großbritannien, Polen, Tschechien und die Slowakei liefern längst schwere Waffen. Und beklagen, dass Scholz zögert.

Gesprächskanäle zu Putin offenhalten?

Gesprächskanäle zu Putin offenhalten? Die Türkei ist Schauplatz der Verhandlungen, obwohl sie Kampfdrohnen an die Ukraine liefert. Putin hätte auch gern ein Gipfeltreffen mit Joe Biden, ungeachtet der massiven Waffenhilfe der USA für die Ukraine.

Warum klingt für viele Deutsche plausibel, was der internationale Vergleich widerlegt? Nun muss Scholz auch die Behauptung zurücknehmen, Deutschland könne nichts liefern. Die Bundeswehr hat zwar nichts abzugeben. Die deutsche Rüstungsindustrie aber schon, auch Panzer. Und klar, der Export werde genehmigt, sagt die SPD-Verteidigungsministerin. Hieß es nicht gestern noch, das könne zum Atomkrieg führen?

Erst die eigene Klientel, dann das Land, dann das Gemeinschaftsinteresse Europas: Das wirft man sonst gerne den Orbans und Kaczynskis vor. Die Devise ist auch der deutschen Politik nicht fremd. Manuela Schwesig kalkuliert, die nationale Empörung könne sie getrost ignorieren, solange die Stimmung in Mecklenburg-Vorpommern nicht gegen sie kippt.

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