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Der Bundestag hat am Donnerstag im zweiten Anlauf ein Whistleblower-Schutzgesetz verabschiedet. 

© dpa/Kay Nietfeld

Hakeln beim Whistleblower-Gesetz geht weiter: Erst die Provokation, dann der Rückzieher

Deutschland muss EU-Recht zum Schutz von Hinweisgebern umsetzen. Mit einem Kniff wollte die Koalition die Länderkammer austricksen. Doch nun wurde die Abstimmung im Bundestag abgesetzt

Deutschland ist in Verzug geraten. Bis Ende 2021 hätte der Bundestag die Umsetzung der EU-Verordnung zum besseren Schutz von „Whistleblowern“ umsetzen müssen. Nun drängt die Zeit – und Europa. Die Brüsseler Kommission hat ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Das kann teuer werden, denn es sind Strafzahlungen damit verbunden.

Nun drohen weitere Verzögerungen. Denn im Bundestag wurde die Debatte samt Abstimmung am Donnerstag abgesetzt – und zwar erst kurz vor deren Beginn. Darauf habe sich der Ältestenrat fraktionsübergreifend verständigt, hieß es. Der Grund: Ampel-Koalition und Union, Bundestag und Bundesrat – sie haben sich ziemlich verhakt. Zwar versichern alle Seiten, man wolle das „Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen“ (so der formelle Titel) zügig umsetzen. Aber man kam und kommt nicht zueinander.

Mit der Umsetzung der EU-Vorgaben sollen Unternehmen und Behörden verpflichtet werden, anonyme Kanäle für Hinweisgeber einzurichten, die Missstände melden wollen. Darunter fallen Vorkommnisse und Äußerungen, die strafrechtlich relevant sind, dazu Ordnungswidrigkeiten und verfassungsfeindliche Handlungen. Vor allem soll es Personen, die zum Beispiel über Korruption oder schwerwiegende Gesetzesverstöße berichten wollen, den nötigen Schutz geben.

Eigentlich unstrittig

Das ist zwischen den Parteien unstrittig. Aber nach Ansicht der Union ist die Ampel-Koalition mit ihrem im Dezember beschlossenen Gesetz etwas zu weit gegangen. Sie sieht vor allem auf kleine Unternehmen ein unzumutbares Mehr an Kosten und interner Bürokratie zukommen. Außerdem ist sie der Meinung, dass die Ampel weit über die EU-Verordnung hinausgehe, was nicht sein müsse – etwa bei der Einbeziehung von Ordnungswidrigkeiten.

Deswegen gab es im Februar im Bundesrat keine Zustimmung. Zwar kann die Union dort über die Länderregierungen Ampel-Gesetze blockieren, aber es reicht nicht, auch Vermittlungsverfahren auf den Weg zu bringen. Das hätten Bundesregierung oder Bundestag tun müssen. Die Union kalkulierte auch damit.

Aber es kam anders. Die Ampel-Koalition entschied sich für einen ungewöhnlichen Weg: Sie spaltete das gescheiterte Gesetz einfach in zwei Teile, die als neue Gesetze ins Parlament eingebracht wurden. Das eine ist fast identisch mit dem ersten Gesetz, mit der Ausnahme, dass es nicht für Beamte und Behörden der Länder und Kommunen gilt.

Ein großes und ein kleines Gesetz

Damit, so die Ampel-Auslegung, entfällt die Zustimmungspflichtigkeit im Bundesrat. Das zweite, nicht sehr umfangreiche Gesetz, das die Union via Bundesrat weiterhin stoppen könnte, enthält dann die Regelung für Länder- und Kommunalbehörden. 

Der Kniff war nicht ganz unproblematisch. Üblicherweise wird eine zusammenhängende Materie in einem Gesetz geregelt. Aber ist er auch verfassungswidrig? Die Union meint, es sei so. In der Anhörung im Bundestag am vergangenen Montag argumentierten zwei von der Union benannte Juristen in diese Richtung.

Wenn hier kein Missbrauch vorliegt, wann dann?

Gregor Thüsing, Verfassungsrechtler

Der Bonner Rechtswissenschaftler Gregor Thüsing kam zu dem Schluss, dass es keinen sachlichen Grund für die Trennung gebe. Grund sei allein die Umgehung der Zustimmungspflichtigkeit. „Wenn hier kein Missbrauch vorliegt, wann dann?“, fragte Thüsing. Er sprach von Willkür.

Die Ampel-Fraktionen teilten diese Ansicht zwar nicht. Sie halten ihr Vorgehen für verfassungskonform. Außerdem, so die FDP-Fraktion im Rechtsausschuss, müsse man Schaden vom Bundeshaushalt abwenden – wegen der Strafzahlungen. Weshalb die Koalition den Bundesrat unter Druck zu setzen versuchte. Sie bat um ein Eilverfahren, also eine Fristverkürzung bei der Beratung in der Länderkammer.

Bundesrat macht Eile nicht mit

An diesem Freitag schon hätte es dort auf die Tagesordnung kommen sollen. Aber die Bundesratsbevollmächtigten der Länder machten nicht mit. Der Antrag wurde am Mittwoch abgelehnt. Die nächste Bundesratssitzung ist am 12. Mai. So kann es Juni werden, bis das EU-Recht umgesetzt ist. Und dann möglicherweise nicht vollständig, weil das Fitzelgesetz für die Länder am Veto der Union im Bundesrat ja weiter scheitern kann.

„Das Vorgehen der Ampel ist ausschließlich vom Willen getragen, die Mitwirkungsmöglichkeiten der Länder zu beschneiden“, sagte der CDU-Rechtspolitiker Günter Krings noch vor der Absetzung der Abstimmung. „Gute Gesetzgebung sollte immer in der Suche nach Kompromissen liegen.“

Daher lag dem Bundestag am Donnerstag auch ein Antrag der Unions-Fraktion vor: Sie empfahl, der Bundestag möge doch einfach den Vermittlungsausschuss anrufen, und zwar zum ersten, einheitlichen Gesetz. Nun scheint eine neue Kompromisssuche zu beginnen, sowohl inhaltlich als auch verfahrenstechnisch – die man schon Mitte Februar hätte starten können.

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