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Die G20-Staaten haben vereinbart, keine Kohleprojekte mehr im Ausland zu finanzieren.

© MICHELE SPATARI /AFP

Grüner mit G7: Die Industrieländer müssen beim Klimaschutz Vorbild sein

Mit deutschem Vorsitz müssen die G7 für den Klimaschutz neue Wege gehen. Dafür braucht es Partnerschaften und mehr konkrete Maßnahmen. Ein Gastbeitrag.

Ein Gastbeitrag von
  • Laurence Tubiana
  • John Podesta

Global Challenges ist eine Marke der DvH Medien. Das neue Institut möchte die Diskussion geopolitischer Themen durch Veröffentlichungen anerkannter Experten vorantreiben. Heute ein Beitrag von John Podesta und Laurence Tubiana. Podesta ist Gründer und Vorsitzender des Think Tanks Center for American Progress. Tubiana ist CEO der European Climate Foundation. Weitere AutorInnen: Prof. Dr. Ann-Kristin Achleitner, Jürgen Trittin, Sigmar Gabriel, Günther Oettinger, Prof. Jörg Rocholl PhD, Prof. Dr. Bert Rürup, Prof. Dr. Renate Schubert.

Die Zeit zwischen den Jahren eignet sich gut für Reflexion und Planung. Weniger geruhsam gestaltet sie sich allerdings für die neue Bundesregierung: Zum Jahreswechsel übernimmt Deutschland den Vorsitz der G7. Die bedeutendsten Industrienationen der westlichen Welt haben auch die größte Verantwortung für den globalen Klimaschutz. Die Klimakrise erfordert sofort mutige Entscheidungen, um die Emissionen im In- und Ausland schnell zu senken. Für einen erfolgreichen G7-Gipfel im nächsten Jahr dürfte es kaum reichen, wenn Deutschland mit gutem Beispiel vorangeht. Die von Kanzler Olaf Scholz geführte Regierung muss auch sicherstellen, dass die Schwellen- und Entwicklungsländer auf dem Weg zur Klimaneutralität mitgenommen werden.

Ohne den Ausstieg aus der Kohle geht es nicht

Wo stehen wir am Vorabend des deutschen G7-Vorsitzes? Die Bilder des Jahres 2021 sind dramatisch: Flutkatastrophe in Deutschland, Waldbrände und Wirbelstürme in den USA, Wassermangel in Kenia. Die Auswirkungen der Klimakrise sind vor unserer Haustür angekommen. In den nächsten 25 Jahren ist es unsere Aufgabe, die Wirtschaft, die 250 Jahre lang von fossilen Brennstoffen lebte, auf saubere Energien umzustellen. Die G7-Länder müssen zeigen wie das geht. Wir befinden uns in dem entscheidenden Jahrzehnt für den Ausstieg aus den fossilen Energien. Ohne einen zügigen Ausstieg aus der Kohleverstromung werden wir unsere Klimaziele nicht erreichen. Auch neue Abhängigkeiten vom Erdgas stehen dem entgegen.

Immerhin, wichtige Weichen wurden in diesem Jahr gestellt: Die G20-Staaten haben vereinbart, keine Kohleprojekte mehr im Ausland zu finanzieren. Eine Allianz aus fast 40 Ländern und Entwicklungsbanken verpflichtete sich, bis Ende 2022 die Unterstützung fossiler Energieprojekte zu beenden. Und im Glasgower Klimapakt haben sich 197 Staaten erstmals bereit erklärt, der Kohle den Rücken zu kehren.

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Die Vereinbarung der Ampelkoalition, den Kohleausstieg möglichst auf 2030 vorzuziehen und den Stromanteil der erneuerbaren Energien auf 80 Prozent zu erhöhen, gibt diesen Initiativen zusätzlich Schub. Wie sonst sollte man von Schwellenländern wie Indien und China erwarten, dass sie aus der Kohle aussteigen, wenn Europas größte Volkswirtschaft sich selbst dafür fast 20 Jahre Zeit lassen würde? Allerdings: Absichtserklärungen können nur ein erster Schritte sein. Olaf Scholz hat daher Recht, wenn er mit Blick auf den Klimaschutz sagt: „Jetzt geht es um die Umsetzung.

Die G7-Länder können nicht länger beanspruchen, führende Nationen zu sein, ohne den internationalen Klimaschutz zu stärken.

Industrieländer haben dabei eine entscheidende Vorbildfunktion. Sie können der Welt zeigen, dass Wohlstand und gute Arbeitsplätze nicht von fossilen Energien abhängig sind. Als Innovationsführer sollten Europa und Nordamerika anderen Ländern den Übergang zu einem klimafreundlichen Wohlstandsmodell ermöglichen. Dieses Modell ist das Herzstück der Präsidentschaft von Joe Biden und des europäischen Green Deals. Die G7-Länder können nicht länger beanspruchen, führende Nationen zu sein, ohne den internationalen Klimaschutz zu stärken. Wir haben keine Wahl mehr zwischen der Reduzierung der Emissionen im eigenen Land und der Unterstützung von Klimaschutz in ärmeren Ländern. Wenn sich die Staats- und Regierungschefs der G7 im kommenden Juni in Elmau treffen, sollten sie der Welt mit einem konkreten Maßnahmenpaket zeigen, wie die Ära der fossilen Brennstoffe beendet werden kann. Spielt Deutschland dabei eine Führungsrolle, erhöht sich auch sein geopolitisches Gewicht.

Grundlagen dafür sind im Koalitionsvertrag enthalten. Die Regierung hat zugesagt, ihre internationale Klimahilfe zu erhöhen. Der G7-Gipfel ist der geeignete Ort, den Ankündigungen Taten folgen zu lassen. Viele Schwellen- und Entwicklungsländer suchen Unterstützung, um den notwendigen ökologisch-industriellen Wandel zu bewältigen. Durch die Corona-Pandemie haben sich ihre sozialen und finanziellen Probleme schließlich weiter verstärkt.

Der neue Infrastrukturwettlauf

Es gibt weltweit eine massive Nachfrage nach ökologischer Infrastruktur – China sollte schon aus geostrategischen Gründen nicht das einzige Land sein, das die Nachfrage deckt. Bereits heute produziert die Volksrepublik fast drei Viertel der weltweiten Photovoltaik-Module und kontrolliert gut ein Drittel des Windturbinen-Markts. Jüngste Äußerungen von Staats- und Parteichef Xi Jinping deuten darauf hin, dass Peking seine globale Infrastrukturinitiative, die Neue Seidenstraße, weiter ökologisieren will.

Die westlichen Industriestaaten müssen sich diesem Infrastrukturwettlauf stellen. Der neuen Bundesregierung kommt dabei eine besondere Verantwortung zu. Mit dem „Build Back Better World“ Plan der US-Regierung, der „Clean Green Initiative“ Großbritanniens und dem „Global Gateway“ der EU werden derzeit gleich drei verschiedene globale Infrastrukturinitiativen auf den Weg gebracht, die der G7-Vorsitz miteinander verknüpfen muss, um die Investitionslücke der Entwicklungsländern zu schließen.

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Ein zentrales Element kann in diesem Zusammenhang der von Scholz vorgeschlagene offene internationale Klimaclub sein, der Emissionssenkungen in der Industrie und im Energiesektor vorantreiben soll. Was dieses Jahr mit der globalen Mindestbesteuerung großer Unternehmen erreicht wurde, sollte jetzt auch für den Klimaschutz gelten: Industriestaaten schließen sich mit Entwicklungsländern zusammen und helfen, klimapolitische Mindeststandards zu erreichen.

Mehr Partnerschaften als Alleingänge

Ein gutes Beispiel dafür ist die Energiewendepartnerschaft zwischen Südafrika, der Europäischen Union und den USA. Mit einer Startfinanzierung von 8,5 Milliarden US-Dollar soll diese Initiative die Dekarbonisierung des südafrikanischen Stromsektors vorantreiben und dem Land helfen, seine nationalen Emissionsziele zu erreichen. Indem die Europäer gemeinsam gut durchdachten und sozialverträglichen Kohleausstiegsplänen anderer Länder zum Erfolg verhelfen, stärken sie auch ihr Gewicht auf der weltpolitischen Bühne. Deutschland spielt als Europas stärkste Volkswirtschaft eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung weiterer Partnerschaften etwa m Rahmen des EU-Afrika-Gipfels und beim G20-Gipfel in Indonesien.

Wir erinnern uns: Als 1998 die erste rot-grüne Bundesregierung zustande kam, übernahm sie eine ökologische Vorreiterrolle. Ihr Erneuerbare-Energien-Gesetz löste einen Boom aus und avancierte zum globalen Vorzeigeprojekt, das von gut 100 Ländern übernommen wurde. Scharen von ausländischen Delegationen reisten nach Berlin, um mehr über Deutschlands Energiewende zu erfahren.

Eine sozial-grün-liberales Bündnis, dass sich als „Regierung des Aufbruchs“ versteht, könnte an diesem Vermächtnis anknüpfen – indem sie auch Schwellen- und Entwicklungsländern im Rahmen von Infrastruktur- und Klimapartnerschaften dabei hilft. Deutschland sollte seine G7-Präsidentschaft nutzen, um der Welt zu zeigen: Mit dem Klimaneutralitätsziel bis 2045 ist es uns ebenso ernst ist wie mit dem Einsatz für globalen Klimaschutz.

John Podesta, Laurence Tubiana

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