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Ausgetreten: Chuka Umunna (ganz rechts) befürwortet ein zweites Brexit-Referendum und führt die Gruppe der Unabhängigen an.

© Simon Dawson/REUTERS

Großbritannien: Sieben Labour-Abgeordnete treten aus der Partei aus

Ihre Kritik richtet sich gegen Parteichef Corbyn – der Schritt ist auch ein Symptom für die Krise des britischen Parteien-Systems.

Gegen die Aufsplitterung des britischen Parteiensystems gibt es ein gewichtiges Argument, das Mehrheitswahlrecht: Auf der Insel gewinnt man Wahlen in der Mitte der Gesellschaft. Kleine Gruppierungen haben gegen die beiden großen Blöcke, die Konservativen und die Labour-Partei, selten eine Chance.

Aus Protest gegen den Führungsstil des Labour-Chefs Jeremy Corbyn sind am Montag trotzdem sieben Abgeordnete aus der Partei ausgetreten. Zu sehr haben die Ideologen um den 69-jährigen Corbyn die mehr zur politischen Mitte hin orientierten Abgeordneten marginalisiert; zu wenig haben sie getan gegen den Antisemitismus fanatisierter Randgruppen innerhalb der Partei; zu zögerlich ist die Parteispitze jenen Aktivisten entgegengetreten, die bewährte Mandatsträger aus Gründen der ideologischen Reinheit in die Wüste schicken wollten.

Hinzu kommt das Lavieren in der Brexit-Diskussion. Ausgerechnet Corbyn, langjähriger Fürsprecher innerparteilicher Demokratie, stellt sich quer zu seiner überwältigend pro-europäischen Partei und redet dem EU-Austritt das Wort. Schon im Wahlkampf um das Brexit-Referendum 2016 verweigerte sich der langjährige Skeptiker europäischer Integration der Parteilinie und trat nur extrem zögerlich für den Verbleib in der Europäischen Union ein.

Es gibt einen Präzedenzfall

Die sieben Abgeordneten gründen nun eine „unabhängige Gruppe“ im Parlament und riefen andere Politiker dazu auf, sich ihnen anzuschließen. Für die Abspaltung gibt es einen Präzedenzfall aus dem Jahr 1981. Auch damals ging es um Europa, auch damals war es die Labour- Party, der einige Abgeordnete von der Fahne gingen. Die berühmte „Viererbande“ umfasste gestandene Ex-Kabinettsmitglieder, darunter einen früheren Finanz- und einen Außenminister. Binnen kurzer Zeit folgten ihnen mehr als zwei Dutzend Unterhaus-Abgeordnete, darunter auch ein Konservativer, in die Sozialdemokratische Partei. Bei der darauffolgenden Wahl 1983 gewannen sie viele Stimmen, aber kaum Mandate.

Das jetzige Septett der Abtrünnigen besteht aus vergleichsweise Unbekannten, administrative Erfahrung hat keiner, ihre Chancen auf Verteidigung ihres Unterhaus-Mandates sind gering.

Sympathisanten für eine Partei der Mitte gibt es auch bei den Torys. Sollten sie nun den Labour-Rebellen folgen, ergäbe sich ein Problem: Die Tory-Zentristen sind Ex-Ministerinnen, Ex-Staatssekretäre oder gestandene Ausschuss-Vorsitzende mit prominentem öffentlichen Profil. Einem Chuka Umunna, dem ehrgeizigen Möchtegern-Chef der Unabhängigen, der sich vehement für ein zweites Brexit-Referendum einsetzt, würden sie sich gewiss nicht unterordnen. Damit bestätigt sich ein weiterer Grundsatz britischer Politik: Während sich die Linke spaltet, wahrt die Rechte um des Machterhalts willen eiserne Disziplin.

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