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Wegen gestiegener Zinsen und Baukosten werden in Deutschland viel zu wenige Wohnungen gebaut.

© imago/BildFunkMV/imago

Gegen die Wohnungskrise: Für den Bau-Turbo sollen sich jetzt die Länder bewegen

Bund und Länder wollen den Wohnungsbau ankurbeln. Die Länder sollen einfachere und einheitliche Genehmigungsverfahren schaffen. Die Branche ist skeptisch.

Viele Hausbesitzer sind zunehmend frustriert. Seit der Corona-Pandemie vergeht selbst bis zur Genehmigung für den Ausbau des Dachs in vielen Städten mehr als ein Jahr. Gegen dieses Bummeltempo in den Verwaltungen wollen Bund und Länder nun vorgehen.

Vorerst bis 2026 haben die Behörden künftig nur noch drei Monate Zeit, um Einwände geltend zu machen. Danach gilt die Baugenehmigung automatisch als erteilt. Der Umbau von Dachgeschossen, um Wohnraum zu schaffen, soll sogar genehmigungsfrei werden. Selbst auf Bebauungspläne können die Kommunen beim Wohnungsbau bald unter bestimmten Voraussetzungen verzichten. Entsprechende Regelungen müssen die Länder nun in ihren Landesbauordnungen schaffen.

Dies vereinbarten Kanzler Olaf Scholz und die Ministerpräsidenten auf ihrem Gipfeltreffen am Montag. Von einem „Bau-Turbo-Pakt für Deutschland“ spricht das Bauministerium von Klara Geywitz. Die SPD-Politikerin versprach, dass mit dem Pakt in Städten wieder mehr bezahlbarer Wohnraum entstehen kann. „Nun können brachliegende Flächen rasch genutzt und Baulücken geschlossen werden“, sagte sie.

Dass sich die Anforderungen für die Geländerhöhe unterscheiden, je nachdem ob man in Berlin oder in Potsdam baut, ist schwer zu erklären.

Hanna Steinmüller, Mitglied im Bau-Ausschuss für die Grünen

Der Pakt soll die Beschlüsse des Baugipfels umsetzen, der Ende September im Kanzleramt stattfand. Geywitz ist dafür auf die Länder angewiesen. Denn sie entscheiden maßgeblich, wie in Deutschland gebaut wird. Auf dem Bund-Länder-Treffen wurde nun vereinbart, die 16 Landesbauverordnungen zu vereinheitlichen.

Das fordern auch die Ampelfraktionen. „Dass sich die Anforderungen für die Geländerhöhe unterscheiden, je nachdem, ob man in Berlin oder in Potsdam baut, ist schwer zu erklären“, sagt Hanna Steinmüller, die für die Grünen im Bau-Ausschuss sitzt. Die Länder seien nun in der Verantwortung. „Bauunternehmen, aber auch Mieterinnen und Mieter verlassen sich auf die Zusagen“, sagte sie dem Tagesspiegel.

Die Länder wehren sich dagegen, als Verhinderer dazustehen. An ihnen würden Erleichterungen und Beschleunigungen beim Wohnungsbau nicht scheitern, sagt Baden-Württembergs Ministerin fürs Wohnen, Nicole Razavi (CDU), dem Tagesspiegel. Einzelne Punkte seien bereits in Umsetzung oder schon umgesetzt, betont die derzeitige Vorsitzende der Bauministerkonferenz.

Wenn hier nicht endlich gehandelt wird, entwickelt sich die Wohnungsnot zu sozialem und damit auch politischem Sprengstoff.

Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie

In der Baubranche gibt es allerdings Zweifel an der Reformbereitschaft der Länder. „Der Beschluss ist gut, mit den Erfahrungen der Vergangenheit glauben wir allerdings nicht daran, dass es zu einer schnellen Umsetzung kommt“, sagt Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, dem Tagesspiegel. „Dafür sind die föderalen Strukturen viel zu komplex.“

Die Bundesländer müssten ihre unterschiedlichen Interessen zugunsten einer bundesweiten Lösung zurückstellen. „Wenn hier nicht endlich gehandelt wird, entwickelt sich die Wohnungsnot zu sozialem und damit auch politischem Sprengstoff“, sagt Müller.

Neue Wohnungen gibt’s oft nur mit Parkplätzen

Ein Beispiel für einen föderalen Flickenteppich sind die Stellplatzverordnungen. Noch immer verlangen viele Länder, dass mit Wohnraum stets auch Auto-Parkplätze gebaut werden. Berlin und Hamburg haben die Regel hingegen abgeschafft. Andere Bundesländer überlassen die Entscheidung ihren Kommunen.

Die Regel gilt als großer Kostentreiber. Das Institut der deutschen Wirtschafft in Köln hat ermittelt, dass Wohnungen und Häuser mit Stellplatz zehn Prozent teurer sind. „Wir raten Gemeinden, die Stellplatzpflicht entweder drastisch zu reduzieren oder sie ganz entfallen zu lassen“, sagt Andrea Gebhard, die Präsidentin der Bundesarchitektenkammer, dem Tagesspiegel.

Es würden oft Parkplätze gebaut, die gar nicht benötigt würden. „Denn die junge Generation hat viel weniger Interesse an einem eigenen Auto.“ Bund und Länder wollen die Stellplatzpflicht nun zumindest bei „Umbauten und Aufstockungen und Ergänzungen im Wohnungsbestand“ abschaffen. Gebhard sieht darin ein wichtiges Signal.

„Bisher war es oft so, dass ein Haus nicht aufgestockt werden konnte, weil es nicht genug Parkplätze für die neuen Wohnungen gegeben hätte“, sagt Hanna Steinmüller. Das sei teuer und unsinnig. 

Bund und Länder wollen auch die Voraussetzungen für einen einfachen „Gebäudetyp E“ schaffen. „Damit können Architekten künftig mehr experimentieren und einfacher und ressourcenschonender bauen“, lobt Gebhard. Sie sieht in Deutschland vielfach übertriebene Standards, etwa bei der Dicke der Wände. „Das macht es schwierig, günstige Wohnungen zu bauen.“

Genehmigungen für in Fabriken vorgefertigte Modulbauten sollen künftig deutschlandweit gültig sein. Dies ist den Wohnungsbauunternehmen besonders wichtig. Ihr größter Verband GDW will an diesem Donnerstag 25 Musterwohnbauten vorstellen.

Sie sollen von den Mitgliedsunternehmen anschließend 20.000-mal gebaut werden. Es geht um mehr als 20 Prozent des Bauvolumens der GDW-Mitglieder. Mit dem seriellen Bauen sollen schnell mehr Wohnungen entstehen und die Angebotsmieten sinken. Standardisierte Genehmigungen dürften der Branche dabei sehr entgegenkommen.

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