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Von der Badstraße zur Schlossallee - oder auch umgekehrt? Nur die Bank kann bei Monopoly nicht pleitegehen.

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Folgen der EZB-Geldpolitik: Führen die Billigzinsen zum nächsten Crash?

Wegen der Euro-Krise sind die Zinsen niedrig. Das ärgert Sparer - und freut den, der einen Baukredit aufnimmt. Doch das dicke Ende kommt wohl noch. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Fabian Leber

Als Mitte der 30er Jahre das Monopoly-Spiel aus Amerika nach Deutschland kam, wurde es schnell zum Renner. Die 1936 bei „Schmidt Spiele“ erschienene Version nahm sich die Straßennamen der damaligen Reichshauptstadt zum Vorbild. Die billige Huttenstraße entlieh man aus Moabit, die heutige Nobeladresse Schlossallee hieß „Insel Schwanenwerder“. Angeblich soll es auf die Intervention von Propagandaminister Joseph Goebbels zurückzuführen sein, dass das Spiel schon bald wieder aus dem Verkehr gezogen wurde. Auf Schwanenwerder nämlich hatte Goebbels eine Villa. Offiziell war es der „jüdisch-spekulative Charakter“, mit dem die Nazis ihr Verbot begründeten.

Populär geworden war Monopoly in den Jahren nach der Weltwirtschaftskrise in den USA. Die Große Depression hatte der Lust der Amerikaner am spielerischen Umgang mit Grundstückskauf, Häuserbau und persönlichem Bankrott offenbar keinen Abbruch getan. Einziger Unterschied zum realen Leben: Die Bank kann bei Monopoly niemals pleitegehen.

Deutsche Zustände - ähnlich wie in den USA vor dem Crash 2008

Die Deutschen dagegen halten sich für die bedächtigeren Kapitalisten. Daran änderte auch der Umstand nichts, dass es in großem Maßstab deutsche Banken waren, die sich vor dem Finanzcrash 2008 jede Menge Schrottpapiere an der Wall Street andrehen ließen und damit baden gingen. In Deutschland wird solider gewirtschaftet als im amerikanischen Kasino, das ist die gängige Vorstellung – und daher rührt auch die Popularität des Begriffs der „schwäbischen Hausfrau“.

Allein, manchmal verstellt eine falsche Selbstwahrnehmung den Blick für das Wesentliche. So weit nämlich ist die Euro-Zone und hier im speziellen Deutschland nicht von den Zuständen entfernt, die 2007/08 in den USA zur großen Finanzkrise führten. Der angelsächsische Traum von einer Demokratie der Hausbesitzer schien damals endlich in Erfüllung zu gehen. Bei der Vorstellung eines Programms zur Steigerung der Eigentumsquote sagte George W. Bush 2002: „Etwas zu besitzen, bedeutet mehr Freiheit zu haben.“ Er betonte, wie wichtig niedrige Zinsen und eine niedrige Inflationsrate seien, um Wirtschaftswachstum zu generieren. Die Ergebnisse dieser Politik sind bekannt.

Niedrige Zinsen – in Deutschland ist das vor allem ein Aufregerthema, wenn es um Erspartes geht, das keine Erträge mehr abwirft. Auf der anderen Seite sind Baukredite billig wie nie zu haben. In einigen Regionen eilen die Immobilienpreise allein deshalb der übrigen Wertentwicklung davon. Wie in den 2000er Jahren in den USA.

Nun wird immer wieder betont, dass die deutschen Banken höhere Sicherheiten verlangten. Doch Kreditvergaben ohne nennenswertes Eigenkapital sind auch in Deutschland nichts Ungewöhnliches mehr. Was aber, wenn in absehbarer Zeit die Zinsen wieder steigen sollten und die Hauspreise langfristig fallen? Schon jetzt geht die Bundesbank davon aus, dass die Immobilienpreise in Städten wie Berlin oder Hamburg um etwa ein Viertel zu hoch sind.

Auch sonst sehen die niedrigen Zinsen nur auf den ersten Blick verlockend aus. Die DZ-Bank hat berechnet, dass jedem Deutschen wegen der künstlich niedrigen EZB-Zinsen seit 2010 knapp 1400 Euro verloren gegangen sind – die Vorteile durch günstige Kredite sind da schon gegengerechnet.

Wolfgang Schäuble kann sich freuen - wegen der niedrigen Zinsen steht er gut da

Künstlich niedrig erscheinen die Zinsen vor allem, wenn man statt der Euro-Zone nur Deutschland in den Blick nimmt. Auf Spanien oder Italien bezogen mag das Zinsniveau ja angemessen sein – weil dort immer noch zu wenig Geld in die Wirtschaft fließt. In Deutschland aber braucht niemand die Dumping-Darlehen, damit die Geschäfte gut laufen. Hier fließt das billige Geld in vermeintlich sicheres Betongold, treibt die Preise für Häuser und Wohnungen und am Ende auch die Mieten.

Das Paradoxe könnte sein, dass die Medizin, die gegen die Krise an der einen Ecke in Europa helfen soll, anderswo erst zum Ausbruch der Krankheit führt. Vor einigen Wochen zum Beispiel warnte der Internationale Währungsfonds davor, dass die darbenden deutschen Lebensversicherungen mittlerweile ein potenzielles Risiko für die weltweite Finanzstabilität darstellen. Weil sie besonders viele Staatsanleihen halten.

Nach dem G-7-Finanzministertreffen in Dresden vor zwei Wochen sagte Bundesbankpräsident Jens Weidmann, die Gefahr einer Immobilienblase sei real. Wolfgang Schäuble, der mit ihm in Dresden war, schien das weniger zu bekümmern. Erst die Minizinsen machen seinen Bundeshaushalt schuldenfrei. Solange es sie gibt, kann er sich fühlen wie auf der Schlossallee.

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