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EU-Kommissionsvize Frans Timmermans hält das Einlenken der Brüsseler Behörde für verfrüht.

© John Thys/AFP

EU-Kommissionsvize Timmermans über Polens Corona-Hilfen: „Ich teile diese Meinung nicht“

Nicht alle EU-Kommissare stimmten für die Billigung des polnischen Wiederaufbauplans. Kommissionsvize Timmermans gehörte zu den prominenten Nein-Sagern.

Der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, hält es für falsch, dass sich die überwiegende Mehrheit der insgesamt 27 EU-Kommissare am Mittwoch für die Billigung des polnischen Wiederaufbauplans im Rahmen des milliardenschweren Corona-Hilfsfonds ausgesprochen hat. „Ich teile diese Meinung nicht“, sagte Timmermans am Donnerstag im WDR-Europaforum mit Blick auf die Einschätzung der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, dass die nationalkonservative Regierung in Polen die Bedingungen für die Billigung des Wiederaufbauplans erfüllt habe.

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Timmermans räumte aber ein, dass er damit im Gremium der 27 EU-Kommissare eine Minderheitenposition vertritt. Der Niederländer und die Dänin Margrethe Vestager, die ebenfalls als Vize-Kommissionschefin fungiert, hatten am Mittwoch gegen die Billigung des polnischen Plans gestimmt. Der Plan bildet die Grundlage dafür, dass Polen mehr als 35 Milliarden Euro an Hilfen aus dem Corona-Wiederaufbaufonds in Anspruch nehmen kann.

Seit Jahren schwelt zwischen EU-Kommission und Polen ein Streit um die umstrittene Justizreform, welche die Regierung unter der Führung der nationalkonservativen Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) seit 2015 eingeführt hat. Timmermans war bereits in der vorigen EU-Kommission unter der Führung des Luxemburgers Jean-Claude Juncker beteiligt, als die Brüsseler Behörde angesichts der Mängel bei der Gewaltenteilung in Polen ein bis dahin beispielloses Strafverfahren gegen Polen einleitete.

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Zu den aktuellen Kernforderungen der EU-Kommission gehört die Auflage, dass die polnische Regierung die Disziplinarkammer am Obersten Gericht abschaffen muss, welche die Entlassung politisch missliebiger Richter und Staatsanwälte ermöglicht. Am vergangenen Donnerstag hatte das polnische Parlament, der Sejm, ein Gesetz zur Abschaffung der Disziplinarkammer beschlossen.

Timmermans: Polen erfüllt Auflage des EuGH noch nicht

Timmermans zeigte sich am Donnerstag aber überzeugt, dass Polen entgegen der Überzeugung von Kommissionschefin von der Leyen noch keineswegs sämtliche so genannten Meilensteine zur Billigung des Wiederaufbauplans erreicht habe. Er respektiere zwar die Einschätzung Leyens, sagte er. Allerdings erfülle Polen nach seiner Auffassung nicht die Vorgabe eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), dem zufolge unrechtmäßig entlassene Richter in Polen wieder eingesetzt werden müssen. „Die EU kann nicht überleben, wenn wir keine unabhängigen Richter haben“, sagte Timmermans.

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Die EU-Kommission hatte wegen der Mängel bei der Rechtsstaatlichkeit mit der Freigabe des polnischen Corona-Aufbauplans lange gezögert, den die Regierung in Warschau ursprünglich im Mai 2021 eingereicht hat. In Brüssel wird darüber spekuliert, dass Polens Rolle im Ukraine-Krieg und bei der Aufnahme von mehr als drei Millionen Flüchtlingen zum Einlenken der Brüsseler Behörde geführt hat.

Nach der Genehmigung des Wiederaufbauplans wird Leyen an diesem Donnerstag in Warschau erwartet. Bei dem Besuch sind Treffen mit dem Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki und dem Staatschef Andrzej Duda geplant.

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