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Friedrich Merz.

© dpa/Federico Gambarini

Update

„Erbärmlicher Populismus“: Merz erntet heftige Kritik für Aussage über Asylbewerber beim Zahnarzt

Der CDU-Chef hat in einer Fernsehsendung behauptet, dass abgelehnte Asylbewerber beim Arzt zulasten der deutschen Patienten behandelt würden. Dafür bekommt Merz nun viel Gegenwind.

| Update:

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hat die Bundesregierung mit einem drastischen Vergleich zur Eindämmung der irregulären Migration aufgefordert. „Die Bevölkerung, die werden doch wahnsinnig, die Leute, wenn die sehen, dass 300.000 Asylbewerber abgelehnt sind, nicht ausreisen, die vollen Leistungen bekommen, die volle Heilfürsorge bekommen“, sagte Merz im „Welt-Talk“ des Fernsehsenders Welt.

„Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine. „Was Sie hier machen, ist eine Katastrophe für dieses Land“, fügte er an die Parteivorsitzenden von SPD und Grünen, Lars Klingbeil und Omid Nouripour, gerichtet hinzu.

„Wir müssen uns über die Pull-Faktoren (Sog-Faktoren) hier in Deutschland unterhalten (...). Die gibt es, und zwar massiv, so dass die Leute in der großen Zahl hierherkommen“, erklärte Merz.

Merz: Die Grünen als Problem

Das Problem in der Debatte zur Begrenzung der Migration seien die Grünen, so Merz. „Und wenn der Bundeskanzler eine Lösung sucht, dann sind wir bereit, darüber zu sprechen. Das heißt nicht, dass wir in diese Regierung eintreten.“

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„Wir haben gesagt, wenn der Bundeskanzler mit den Grünen keine Mehrheit im Parlament hat, dann sind wir bereit, mit ihm darüber zu sprechen, ob er sie mit uns hat“, fügte er hinzu.

SPD und Grüne werfen Merz Populismus vor

Von SPD und Grünen wurde ihm daraufhin übelster Populismus vorgeworfen. Bundesinnenminister Nancy Faeser, SPD-Spitzenkandidatin für die Hessen-Wahl in eineinhalb Wochen, widersprach umgehend. „Das ist erbärmlicher Populismus auf dem Rücken der Schwächsten. Wer so spricht, spielt Menschen gegeneinander aus und stärkt nur die AfD“, schrieb sie auf X, vormals Twitter. „Und es ist falsch: Denn Asylsuchende werden nur behandelt, wenn sie akut erkrankt sind oder unter Schmerzen leiden.“

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Am Donnerstag fügte Faeser in Brüssel hinzu: „Das ist der Populismus, den ich auch letzte Woche im Bundestag schon thematisiert habe.“

Merz trete wie der Onkel aus dem Familienchat auf

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hat Merz gegenüber dem „Spiegel“ hart kritisiert. „Wir alle kennen aus dem Familienchat auf WhatsApp diesen einen Onkel, der immer ungeprüft Falschinformationen teilt“, sagte Kühnert. „Im Familienchat ist das nur nervig, aber wenn der Onkel der Chef der größten Oppositionsfraktion im Deutschen Bundestag ist, ist es unprofessionell und gefährlich.“

Esken fordert Entschuldigung von Merz

„Friedrich Merz muss einsehen, dass er mit dieser Falschaussagen Menschen verleumdet“, sagte SPD-Chefin Saskia Esken den Zeitungen der Mediengruppe Bayern am Donnerstag. „Den Asylbewerbern nachzusagen, sie kämen nach Deutschland, um das Gebiss korrigieren zu lassen, ist unerhört und es ist schlicht falsch.“ Daher solle sich Merz „bei jenen entschuldigen, die er damit verleumdet hat.“

Esken warf Merz zudem vor, Aussagen aufzugreifen, „die zuvor von Vertretern der AfD im Parlament zu hören waren“. Immer wieder stelle der CDU-Chef Behauptungen „frei von Fakten“ in den Raum, die „in hohem Maße populistisch“ seien und „spalterisch wirken“. „Dass der Vorsitzende einer demokratischen Volkspartei für den schnellen Applaus in Kauf nimmt, die gesellschaftliche Debatte aufzuheizen und unsere Gesellschaft damit zu spalten, ist hochgradig gefährlich.“ 

Auch die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) kritisierte die Aussagen des CDU-Chefs. „Friedrich Merz' Äußerungen sind unverantwortlich und eine Schande für den Vorsitzenden einer christdemokratischen Volkspartei“, sagte Dreyer am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur in Mainz.

Es ist doch absurd, wenn er behauptet, dass Asylbewerberinnen und -bewerber Deutschen die Zahnarzttermine wegnehmen“, kritisierte die Regierungschefin. Wichtig sei auch zu betonen, dass diese Menschen lediglich ein Recht auf medizinisch notwendige Leistungen haben, also eine Basisabsicherung, die nicht mit dem Leistungskatalog der gesetzlichen und privaten Krankenkassen vergleichbar ist.

„Wer so redet, wie Friedrich Merz, der greift zum Brandbeschleuniger in einer ohnehin sehr aufgeheizten politischen Debatte“, mahnte die Sozialdemokratin. Im politischen Wettbewerb müsse um die besten Ideen gerungen werden. „Friedrich Merz sollte sich dringend für seine Äußerungen entschuldigen.“

Hier wird bewusst die Entgleisung nach rechts gesucht.

Katja Mast, parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion im Bundestag

„Merz sollte den Anstand haben, sich dafür zu entschuldigen“, sagte Katja Mast, parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion im Bundestag, der „Rheinischen Post“. Mast betonte: „Hier wird bewusst die Entgleisung nach rechts gesucht.“ Die Äußerungen seien dabei „noch in der Sache falsch“. Merz spiele mit dem Feuer. „Das ist brandgefährlich“, ergänzte die SPD-Politikerin. 

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan (SPD), meldete sich ebenfalls zu Wort: „Mit Falschbehauptungen Stimmung zu machen gegen die Schwächsten, das ist absolut unwürdig, Herr Merz!“, schrieb sie am Donnerstag auf X (vormals Twitter). „Sie wollen unsere Gesellschaft spalten.“ Dies sei „absolut verantwortungslos“. 

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Auch die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang widersprach Merz umgehend. „Friedrich Merz spielt ganz bewusst Gruppen gegeneinander aus, verbreitet dabei Falschinformationen. So wird kein einziges Problem gelöst, aber Hass geschürt. Das ist einem Vorsitzenden einer Volkspartei unwürdig“, schrieb sie auf X.

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Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge warf Merz bewusstes Spalten vor. „Dieses Schüren, Geflüchtete nehmen uns die Zahnarzttermine weg, das ist ein ganz bewusstes Spalten der Gesellschaft“, sagte sie dem Sender „Phoenix“. Das sei „ein Vergiften des Klimas“ und aus ihrer Sicht „verantwortungslos“. Merz schüre „Ressentiments gegen Geflüchtete“, sagte sie dem „Spiegel“.

Der Grüne Omid Nouripour appellierte noch während der Sendung an Merz: „Wenn wir uns alle bescheinigen, dass wir das Abendland zerstören, kommen wir nicht weiter.“

Der ebenfalls teilnehmende SPD-Chef Klingbeil wünschte sich, dass die „Schärfe“ aus der Debatte verschwinde – und er warnte vor Populismus. Merz zeichne Bilder, die dazu beitrügen, „dass die stärker werden, die Sie nicht stark machen wollen“. Gemeint war die AfD.

Kritik auch von den Linken

Der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, nannte die Äußerungen „eine völlig inakzeptable Position, weil es die Schwächsten gegen die Schwachen ausspielt“. 

Es stimme zudem schlicht nicht, sagte er dem Sender weiter. „Man schürt Ängste, die in dieser Form überhaupt nicht da sein sollten“. Dies sei „wirklich unverantwortlich“.

Unterstützung aus der Union

Friedrich Merz erhält für seine umstrittenen Äußerungen zur ärztlichen Versorgung von Migranten Unterstützung von Unionspolitikern im Bundestag.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) verteidigte seinen Parteivorsitzenden. „Es gibt ja ganz viele Menschen, die sich gerade Sorgen machen um den Zusammenhalt der Gesellschaft“, sagte er der dpa.

„Alle, die sich um Flüchtlinge kümmern, sind gerade am Limit, ob es die Kommunen sind, ob es die Schulen sind, die Kitas, die Kindergärten“, erläuterte Wüst. „Auch die Flüchtlingshelferinnen und Flüchtlingshelfer sagen uns, es ist einfach echt zuviel. Das gilt auch für die sozialen Sicherungssysteme, und ich glaube, darauf wollte Friedrich Merz hinweisen.“

Gesundheitssystem sei überlastet

Der gesundheitspolitische Sprecher der Fraktion, Tino Sorge (CDU), sagte der „Rheinischen Post“ (Freitag): „Hunderttausende abgelehnte Asylbewerber in Deutschland sind zum Teil seit Jahren ausreisepflichtig. Dennoch können sie zum Nulltarif das deutsche Gesundheitssystem nutzen.

Merz habe recht, und darüber müsse man diskutieren. „Dass Arzttermine auch wegen der Belastungen durch Migranten vielerorts knapper werden, ist eine Realität. Zahlreiche Kommunen bestätigen das seit Monaten. Das trifft auch auf Kita- und Schulplätze zu.“

Darüber hinaus sei klar, so der CDU-Politiker weiter, dass das Gesundheits- und Sozialsystem ein Pull-Faktor für Menschen sei – also ein Anreiz gerade zur Einreise nach Deutschland. „Viele Migranten erhalten in Deutschland zum allerersten Mal in ihrem Leben eine erstklassige Gesundheitsversorgung nach europäischen Standards, und zwar vom ersten Tag an.“

Nach 18 Monaten eröffne dann das Asylbewerberleistungsgesetz den allermeisten Migranten einen Zugang, wie ihn auch deutsche GKV-Versicherte hätten. „Sie müssen dafür allerdings nichts zahlen“, sagte Sorge.

Die Kritik aus den Reihen der Ampelkoalition nannte er „scheinheilige Empörung“. Diese sage viel darüber aus, wie mit kritischen Meinungen umgegangen werde.

Auch der CDU-Innenpolitiker Philipp Amthor verteidigte Merz’ Aussagen. „Wir haben durch die ungesteuerte Zuwanderung, die wir auch durch diese Ampelpolitik erleben, natürlich einen großen Druck auf die Infrastruktur in unserem Land“, sagte er RTL/ntv-„Frühstart“. „Kitaplätze, Schulen, Gesundheitsversorgung – überall dort gibt es natürlich Probleme. Und dieser Problemdruck, der steigt durch ungesteuerte Zuwanderung.“

Merz spreche aus, was viele wahrnehmen

„Herr Merz gibt wieder, was viele in der Bevölkerung wahrnehmen“, sagte Alexander Throm, innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, der „Welt“.

„Das Beispiel vom Zahnarzt steht dabei für knappe und überlastete Ressourcen durch zu hohe Migration, wie etwa bei Wohnungen, Kitas und Schulen“, so Throm. „Empörungsrituale dürfen uns doch nicht davon abhalten, Probleme beim Namen zu nennen.“

CSU-Landesgruppenchef Dobrindt verteidigt Merz

Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hat die Äußerungen von Friedrich Merz gerechtfertigt. „Friedrich Merz hat auf eine Stimmung in der Bevölkerung hingewiesen, die sich auf die Belastung der Infrastruktur bezieht“, sagte Dobrindt am Donnerstag.

Dazu gehöre neben Kitas und Schulen auch das Gesundheitssystem. Belastungsgrenzen gebe es nicht nur bei Kommunen, sondern auch in Sozialsystemen. „Deshalb ist Ordnung und Humanität und Begrenzung von Migration gleichermaßen notwendig“, betonte Dobrindt. (Tsp, dpa, AFP)

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