zum Hauptinhalt
Der kolumbianische Präsidentschaftskandidat der Koalition des „Historischen Pakts“, Gustavo Petro, lächelt, während er am 29. Mai 2022, dem Wahltag, in der Parteizentrale in Bogota feiert.

© AFP/Yuri Cortez

Gustavo Petro erhält 40,3 Prozent der Stimmen: Ehemaliger Guerilla-Kämpfer gewinnt erste Wahlrunde in Kolumbien

Die Gewalt der Rebellen hat linke Politik in Kolumbien über Jahrzehnte hinweg unmöglich gemacht. Nun könnte erstmals ein Ex-Guerillero Präsident werden.

Der frühere Guerilla-Kämpfer Gustavo Petro hat die erste Runde der Präsidentenwahl in Kolumbien klar gewonnen. Der frühere Bürgermeister der Hauptstadt Bogotá errang 40,3 Prozent der Stimmen, wie die Wahlbehörde am Sonntag (Ortszeit) nach der vorläufigen Auszählung fast aller Wahllokale mitteilte. Der parteilose Kandidat Rodolfo Hernández kam demnach auf 28,1 Prozent. Die beiden stärksten Bewerber treffen am 19. Juni in der Stichwahl aufeinander.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

„Heute geht es um den Wandel“, sagte Petro nach der Veröffentlichung der Wahlergebnisse. „Eine Ära geht zu Ende. Jetzt geht es darum, die Zukunft zu gestalten.“ Setzt sich Petro auch in der zweiten Runde durch, würde erstmals in der jüngeren Geschichte des südamerikanischen Landes ein Linker in den Regierungspalast Casa de Nariño in Bogotá einziehen.

Kolumbien ist traditionell konservativ geprägt. Zwar ist die soziale Ungleichheit enorm, bislang war linke Politik durch die Gewalt der Guerillagruppen im jahrzehntelangen Bürgerkrieg allerdings stets diskreditiert.

Der millionenschwere Bauunternehmer Hernández war Bürgermeister der Großstadt Bucaramanga, verfügt aber über wenig Beziehungen im politischen Bogotá. Der Populist verspricht im Falle eines Wahlsiegs eine schlanke Regierung und einen entschlossenen Kampf gegen die Korruption. Der derzeitige konservative Staatschef Iván Duque durfte nicht mehr antreten, weil die Verfassung eine Wiederwahl nicht vorsieht.

Der kolumbianische Mitte-Rechts-Präsidentschaftskandidat Rodolfo Hernandez von der Antikorruptionspartei verlässt das Wahllokal, nachdem er seine Stimme während der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen in Bucaramanga, Kolumbien, abgegeben hat.

© REUTERS/Stringer

Petro und Hernández zogen jeweils mit afrokolumbianischen Kandidatinnen für das Amt der Vizepräsidentin in den Wahlkampf. Francia Márquez an der Seite von Petro ist Menschenrechtsaktivistin und Umweltschützerin aus der von der Gewalt besonders betroffenen Region Cauca. 2018 wurde sie für ihren Kampf gegen illegale Goldminen in ihrer Heimat mit dem renommierten Goldman-Preis ausgezeichnet.

Hernández' Vizekandidatin Marelen Castillo hingegen kommt aus dem Universitätsbetrieb. Die 53-jährige Wissenschaftlerin aus Cali studierte zunächst Biologie und Chemie, machte später einen Master als Industrieingenieurin und erwarb in den USA einen Doktortitel in Erziehungswissenschaften. Bevor sie sich als Vizekandidatin bewarb, führte sie zwei katholische Privatuniversitäten.

300.000 Sicherheitskräfte waren am Wahltag im Einsatz

Kolumbien litt über Jahrzehnte unter einem blutigen Bürgerkrieg zwischen linken Rebellen, rechten Paramilitärs und staatlichen Sicherheitskräften. 220.000 Menschen kamen ums Leben, Millionen wurden vertrieben. 2016 schloss die Regierung einen Friedensvertrag mit der linken Farc-Guerilla, die Hoffnung auf einen Aufschwung war groß. Doch die Gewalt ist vor allem in ländlichen Gebieten zurück. 300.000 Polizisten und Soldaten waren am Sonntag im Einsatz, um Wähler, Wahlhelfer und Kandidaten zu schützen.

[Lesen Sie auch: Kampf um Rohstoffe: Südamerikas letzte Bodenschätze werden geräubert (T+)]

Der künftige Staatschef von Kolumbien steht vor enormen Herausforderungen. Das nach Brasilien zweitbevölkerungsreichste Land sowie der wichtigste Verbündete der USA in Südamerika leidet unter den Folgen der Corona-Pandemie, Inflation, sozialer Ungerechtigkeit und Gewalt. Petro will im Falle eines Wahlsiegs das marktliberale Wirtschaftsmodell verändern, die Steuern für Unternehmen erhöhen und die Ausbeutung der Bodenschätze zurückfahren.

Über die Pläne des bislang weitgehend unbekannten Kandidaten Hernández hingegen ist recht wenig bekannt. „Heute hat das Land der Berufspolitiker und der Korruption verloren“, sagte der 77-Jährige am Sonntag. „Heute haben die Banden verloren, die glaubten, für immer an der Macht zu sein. Heute haben die Bürger gewonnen, heute hat Kolumbien gewonnen.“ (dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false