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Corona-Patienten werden in Memmingen ins fliegende Lazarett der Luftwaffe gebracht

© Christoph Strache/AFP

Erster Corona-Patientenflug der Bundeswehr: Diesmal braucht das eigene Land die Retter aus der Luft

Die Luftwaffe fliegt erste Corona-Patienten aus dem überlasteten Bayern nach NRW. Die Möglichkeiten der militärischen Helfer sind aber begrenzt.

Von Robert Birnbaum

Es ist eigentlich nur ein kleiner Baustein im Kampf gegen die neue Corona-Welle – aber einer mit düsterer Symbolkraft.

Am Freitagnachmittag landete ein Spezial-Airbus der Luftwaffe im bayerischen Memmingen. Am Abend sollte er nach Münster-Osnabrück weiterfliegen, mit sechs schwer kranken Corona-Patienten an Bord.

In der letzten großen Corona-Welle brachten Bundeswehr-Maschinen Patienten aus überlasteten Kliniken Südeuropas nach Deutschland. Diesmal gehen im eigenen Land die Intensivbetten aus. Und diesmal bieten Italien und Portugal den Deutschen Hilfe an.

Der Flug ist der erste dieser Art im Rahmen des Kleeblatt-Konzepts, das die Länder nach den Erfahrungen von 2020 vorbereitet hatten und das die Verteilung von Patienten in vier geographischen Zonen der Republik regelt.

Um es umzusetzen, musste das NRW-Kabinett allerdings am Freitag eilends eine Verordnung erlassen und vom Landtag bestätigen lassen, die erst eine Rechtsgrundlage für die Aufnahme von Kranken aus anderen Bundesländern schafft.

In großem Maßstab in die Verlegungen einsteigen kann die Luftwaffe freilich nicht. Der Airbus A310 der Flugbereitschaft in Köln-Wahn, der jetzt zum Einsatz kam, ist für die Evakuierung von Schwerverletzten mit sechs Intensivbetten ausgerüstet.

Außerdem steht in Köln ein kleinerer A319 zur Verfügung. Den Businessjet hatte die Bundeswehr dem wegen des Diesel-Skandals um Geld verlegenen VW-Konzern abgekauft. Er sollte helfen, das „Open Skies“-Abkommen zu überwachen, das aber wie andere Abrüstungsverträge inzwischen außer Kraft ist. Die Maschine kann zwei Intensivpatienten transportieren.

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Doch es braucht nicht nur das fliegende Gerät. Um Corona-Patienten zu transportieren, benötige man das Material wie Schutzausrüstung, erläuterte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Arne Collatz, am Freitag in Berlin. Um sechs Patienten zu verlegen, müssten obendrein bis zu 20 Frauen und Männer bereitstehen.

„Das ist eine Herausforderung für uns“, betont der Oberst. Denn gerade die Sanität hat in der Bundeswehr seit langem mit Personalengpässen zu kämpfen. Ärzte, Sanitäter und Pfleger werden zugleich in den Bundeswehrkrankenhäusern gebraucht, die zu rund 80 Prozent zivile Patienten betreuen und in die Corona-Versorgung eingebunden sind.

Dazu kommen militärische Einsatzpflichten.

Ein Großraumtransporter A400M, der als MedEvac-Version über zwei Intensivbetten sowie vier Betten für weniger schwere Fälle verfügt, werde im Moment noch für Notfälle im Auslandseinsatz reserviert, erläuterte Collatz. Das fliegende Lazarett sichert etwa die Rettungskette für den Einsatz in Mali. Dort müssen Bundeswehr-Soldaten jederzeit mit Terror-Anschlägen rechnen. Aber auch Opfer schwerer Unfälle können vor Ort meist nur erstversorgt werden.

Die Bereitstellung weiterer Soldaten für andere Corona-Sondereinsätze sieht das Verteidigungsministerium ebenfalls betont zurückhaltend.

Derzeit unterstützen 3500 Soldatinnen und Soldaten Ämter vor allem in den Corona-Hotspots im Süden und Oste. Weitere 5000 will die Streitkräftebasis mobilisieren.

Das ist allerdings weit entfernt von den gut 20 000 Uniformierten, die in der ersten Welle im Frühjahr 2021 bei der Kontaktverfolgung und später in Impfkampagnen halfen.

Diesmal müsse die Bundeswehr an Hilfe-Anfragen etwa zur Kontaktverfolgung „sehr kritisch rangehen“, sagte der Sprecher. Die Armee helfe, aber sie sehe sich hier nicht in vorderster Linie gefordert: „Wir gehen ja davon aus, dass die Länder und Kommunen ihre Hausaufgaben gemacht haben.“

Denn die Bundeswehr müsse jeweils gegen ihre eigenen Prioritäten abwägen. Dazu gehört die Impfung der eigenen Soldaten, die seit wenigen Tagen zur faktischen Pflicht geworden ist.

Dazu gehören aber auch die militärischen Verpflichtungen zur Landesverteidigung und im Nato-Rahmen, vor allem für deren Schnelle Eingreiftruppen.

Collatz versicherte, die Zusagen für die Nato Response Force (NRF) könnten ohne Einschränkung erfüllt werden. Die Bundeswehr wird von 2022 bis 2024 als Rahmennation einer der Haupttruppensteller dieser Einheit sein; die fast 17 000 dafür eingeplanten Soldaten dürfen nirgendwo anders eingesetzt werden.

Angesichts der derzeit besonders angespannten Lage an den Nato-Außengrenzen zu Weißrussland, aber auch zur Ukraine ist die Einsatzbereitschaft der NRF und der geplanten „Speerspitze“ VRTF nicht nur ein theoretisches Sandkasten-Spiel.

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