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AfD-Parteichefin Alice Weidel.

© AFP/MICHELE TANTUSSI

Die Waffen der wehrhaften Demokratie: Wer auf die AfD zielt, braucht eine ruhige Hand

Das Karlsruher Urteil zur NPD-Nachfolgepartei zeigt deutlich, dass öffentliche Empörung über Rechtsextremismus kein Argument ist, das vor Gericht zählt.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Hunderttausende ziehen gegen Rechtsextremismus auf die Straße, ein deutliches Zeichen. Nur wofür? Wohlmeinende Politikbeobachter hegen die Vorstellung, die schiere Masse bringe AfD-Wähler ins Zweifeln, ob sie das Richtige tun.

Wenn Hunderttausende in Deutschland demonstrieren, bedeutet es eben auch, dass viele Millionen es nicht tun. 

Jost Müller-Neuhof

Über solche Formen von Naivität wird man Rechtsaußen schmunzeln. Dort sieht man den geeinten Auftritt von Regierungspolitikern und engagierten Staatsbürgern vermutlich als weiteren Beleg für eine – nicht zuletzt von und über Medien – gesteuerte Ideologie, die überwunden werden muss. Wenn Hunderttausende in Deutschland demonstrieren, bedeutet es eben auch, dass viele Millionen es nicht tun.

Dass die AfD einfach wegdemonstriert werden könnte, ist unwahrscheinlich. Es werden also wieder verstärkt die Mittel des Grundgesetzes in die Diskussion geraten, die Waffen der wehrhaften Demokratie. Es sind dies die letzten Mittel, zu denen angesichts der Wahlerfolge der AfD gegriffen werden sollte. Denn wehren muss sich eine Demokratie eigentlich erst, wenn sie ohne diese Gegenwehr scheitern würde.

Die Idee, Menschen wie Björn Höcke Grundrechte zu entziehen, markiert einen Irrweg. Abgesehen vom äußerst wahrscheinlichen Misserfolg des Unterfangens würde der Mann schon mit dem bloßen Versuch zum Helden seiner Szene.

Der Finanzierungsausschluss hat einen gewissen Charme

Neben dem Parteiverbot kommt mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Dienstag nun eine weitere Option in den Blick, der Ausschluss von der staatlichen Teilfinanzierung. Dieser Vorschlag hat, in Anwendung auf Weidel & Co, zumindest einen gewissen Charme. Mehr als ihre Konkurrenten reklamieren die Rechtspopulisten, den besten und direktesten Draht zum Volk zu haben. Ohne Staatsgeld zu ihrer Unterstützung könnten sie unter Beweis stellen, dass das stimmt.

Doch funktioniert das? Das Urteil weckt Zweifel. Es müsste wohl schon ein geschlossenes Konzept erkennbar werden, auf dessen Grundlage die AfD den Staatsumbau plant und vorantreibt. Die Annahme, dies habe sich im Potsdamer Treffen von zwei Dutzend trüben Gestalten und ihrem menschenfeindlichen Remigrationsgerede gewissermaßen materialisiert, ist illusorisch. In ihrer Eigenschaft als Partei hatte die AfD mit dem Geschehen so gut wie nichts zu tun.

In der Politik ist oft entscheidend, wie die Stimmung ist. Vor Gericht läuft es – meistens – etwas anders. Empörung hilft nichts, es zählen Beweise. Die verantwortlichen Politikerinnen und Politiker wissen das, deshalb zögern sie, Verbots- oder Entzugsanträge vorzubereiten. Man kann sie für vieles kritisieren, dafür nicht.

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