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An seiner Seite: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Israels Botschafter Ron Prosor.

© IMAGO/Political-Moments/imago

Deutsch-israelisches Jugendwerk – ein Werk für die Zukunft : Die Staatsräson mit Leben füllen

Im vergangenen September vereinbart, jetzt ist es ein Jahr später – bald muss es aber mal kommen: das gemeinsame Jugendwerk mit dem Volk der Juden. Dazu drängt nicht zuletzt Botschafter Ron Prosor.

Wenn es etwas gibt, das Ron Prosor, Botschafter Israels in Deutschland, in seiner Amtszeit verwirklicht sehen möchte, dann ist es ein deutsch-israelisches Jugendwerk. Denn tatsächlich gibt es das noch nicht. Ein deutsch-französisches, das ja, aber eines mit Israel muss erst noch geschaffen werden.

Dabei ist es ja eine Schicksalsgemeinschaft, die beide Staaten miteinander verbindet, und deutsche Staatsräson, diese Verbindung zu fördern und mit Leben zu erfüllen. Als der Teil der historischen Verantwortung, die beiden Seiten nur zu bewusst ist.

So auch jüngst bei den Tagen des deutsch-israelischen Jugendaustauschs auf Schloss Gollwitz im Brandenburgischen, initiiert von der Flick-Stiftung gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz.

Botschafter Prosor, neben Ministerpräsident Dietmar Woidke Schirmherr der Veranstaltung, beschrieb sie entsprechend als Brücke zwischen den beiden Ländern wie auch zwischen der Vergangenheit und einer guten Zukunft. Es sei daher eine seiner „wichtigsten Aufgaben“, den Jugendaustausch auszubauen.

Woidke wiederum betonte die Notwendigkeit, durch „sichtbares Handeln gegen den wieder aufkeimenden Antisemitismus“ dieses Band zu festigen. Er sieht im Jugendaustausch eine „wichtige Säule“.

Säule und Brücke, Bilder, die zueinander passen und die Hoffnung aller Beteiligten auf rasche Verwirklichung stützen. Die Umsetzung wird trotz allem schwierig. Prosor versprach, zur Finanzierung das ihm Mögliche auf israelischer Seite zu tun; allerdings zeigte der Professor und Diplomat zugleich seine Enttäuschung, dass dieses Jahr nur 60 Begegnungen von der Bundesregierung gefördert werden könnten. Da wünschten dementsprechend viele der auf Schloss Gollwitz Versammelten mehr Engagement in jeder Hinsicht von der deutschen Seite.

Und das ist die deutsche Seite: das Bundesjugendministerium in Gestalt von Lisa Paus (Grüne). Sie hatte mit der damaligen israelischen Bildungsministerin Yifat Shasha-Biton im vergangenen September den Aufbau des Jugendwerks vereinbart, um die Kooperation „auf eine neue Stufe zu heben“. Die neue Stufe: Es soll die Erinnerung an den Holocaust wachhalten, wenn es bald keine Zeitzeugen mehr gibt, und zugleich aktuellen Themen der Jugend – darunter etwa der Klimawandel – Raum geben.

Drei Städte kommen als Standort infrage

Man könnte meinen, die Themen drängen. Nun ist aber neben dem Geld auch noch der künftige Standort des Jugendwerks strittig. Mehrere Städte kommen infrage: Wittenberg, Weimar und München. Die Auswahl wird schwierig, inhaltlich wie politisch.

Das Jugendwerk solle auf Grundlage der bestehenden Koordinierungsbüros für den Jugendaustausch entstehen, hieß es im vergangenen September. Das deutsche Koordinierungsbüro „ConAct“ befindet sich seit Gründung 2001 in der Lutherstadt Wittenberg; „ConAct“ fördert nach eigenen Angaben jährlich rund 300 Projekte, Träger ist die Evangelische Akademie Sachsen-Anhalt.

Thüringen erhebt aber ebenfalls Anspruch. Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hatte beim Besuch von Botschafter Prosor im März für Weimar als Sitz geworben, mit Hinweis auf die 900-jährige Geschichte des Judentums in seinem Land, eine lebendige jüdische Gemeinde und ein Konzept an historischem Ort.

420
Betten soll ein Neubau in Weimar an historischem Ort haben

Danach soll ein Neubau mit 420 Betten auf dem Gelände einer ehemaligen Viehauktionshalle entstehen, wo ab 1942 Jüdinnen und Juden zusammengetrieben wurde, um sie über den Bahnhof Weimar zu deportieren. Später hatte die Wehrmacht auf dem Gelände ein Depot, in dem auch Häftlinge des nahe gelegenen Konzentrationslagers Buchenwald Zwangsarbeit verrichten mussten.

Eine Stadt, in der mit der ‘Judensau’ an der Stadtkirche Judenfeindlichkeit so offen ausgestellt wird, kann für jüdische Israelis kein Ort des Willkommens sein.

Felix Klein, Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung über Wittenberg als möglichen Standort.

Wittenberg oder Weimar? Oder München als Ausweg? Gegen Wittenberg wird auch die Geschichte von Martin Luther ins Feld geführt. Die Thüringer Jüdische Gemeinde sieht in ihm „ohne Zweifel eine bedeutende Persönlichkeit“, aber „zugleich war er ein großer Antisemit“. In Wittenberg sei Luther allgegenwärtig.

In der Ablehnung sehen sich die Thüringer mit anderen Juden in Deutschland und mit dem Antisemitismusbeauftragten des Bundes, Felix Klein, einig. „Eine Stadt, in der mit der ‘Judensau’ an der Stadtkirche Judenfeindlichkeit so offen ausgestellt wird, kann für jüdische Israelis kein Ort des Willkommens sein“, hat Klein erklärt.

Die Evangelische Kirche hält derweil an Wittenberg fest, die Landesregierung Sachsen-Anhalt auch, Thüringen steht dagegen. München macht sich deshalb kleine Hoffnungen, und auch, weil die Konferenz der europäischen Rabbiner ihren Hauptsitz von London dorthin verlagert hat.

Entscheiden muss das Bundesjugendministerium als Träger der künftigen Einrichtung. Es tagt eine bilaterale Arbeitsgruppe. Ron Prosor hat seine Botschaften für die Beratungen schon formuliert. Seine wichtigste: dass das Jugendwerk so bald wie möglich steht. Und zwar noch vor dem Mai 2025, in dem Deutschland und Israel 60 Jahre diplomatische Beziehungen feiern.

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