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Bundeskanzler Olaf Scholz bespricht die Flutlage mit dem Landrat von Mansfeld-Südharz, André Schröder (CDU), bei einem Besuch der zentralen Sandsackbefüllungsanlage in Berga.

© dpa/Jan Woitas

Der Kanzler in den Flutgebieten: Scholz verspricht rasche Hilfe – doch die Ampel streitet ums Geld

Kanzler Olaf Scholz will das Hochwasser mit einer nationalen Kraftanstrengung bewältigen. Aber nicht mal in seiner Regierungskoalition herrscht Einigkeit.

Der Empfang für Bundeskanzler Olaf Scholz im Hochwassergebiet ist unfreundlich. Nach einem Helikopterflug über die Flutgebiete besichtigt der SPD-Politiker in Gummistiefeln in Sangerhausen im Südharz mit Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) und Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) einen gefährdeten Deich.

„Verbrecher“, „Ihre Politik basiert auf Lügen“ und „Geh gleich wieder zurück“ ist aus der Menge zu hören. Es sind nur etwa zehn Menschen, die da rufen. Unzureichend finden die Fluthilfen aber auch andere. „Was wir brauchen, ist eine bessere Koordination. Hier weiß keiner, was der andere macht“, sagt ein Anwohner. 

Der Unmut dürfte Scholz klargemacht haben, dass seine Regierung weiter an Rückhalt zu verlieren droht, wenn sich die Betroffenen der Flutkatastrophe alleingelassen fühlen.

Scholz verspricht schnelle Unterstützung

Scholz sagt dann auch rasche Hilfe zu. „Klar ist, das wird nur gemeinsam gehen, und das muss auch solidarisch in Deutschland erfolgen“, erklärt er wenig später im Nachbarort Berga, wo er sich eine Anlage zum Abfüllen von Sandsäcken anschaut.

Eigentlich sind für die Katastrophenhilfe die Länder zuständig, aber der Kanzler verspricht eine nationale Kraftanstrengung. „Das gilt für den Bund, das gilt für die Länder und für viele andere gemeinsam, das gehört zu unserem Land dazu“, sagt er etwas umständlich.

Scholz hat nur ein Problem, der Spar-Etat, den er mit Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) vereinbart hat, enthält keinen Spielraum für zusätzliche Milliardenausgaben, die nun drohen könnten, auch wenn noch niemand die Schäden seriös abschätzen kann.

Scholz wird deshalb auch mitten im Hochwassergebiet nach der Aussetzung der Schuldenbremse gefragt. Man werde schauen müssen, „wie groß die Schäden sind und was das bedeutet und daraus dann unsere Schlüsse ziehen“. Das werde gemeinsam und solidarisch in Deutschland erfolgen. „Die Entscheidung werden wir dann zwischen Bund und Ländern intensiv beraten und treffen, wenn es so weit ist.“

FDP sieht Instrumentalisierung der Notlage

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich ist da direkter. Die Ampel-Partner seien „gut beraten, sich offen mit der Frage zu befassen“, ob die Ausnahmeregel neben der Ukraine und der Ahrtal-Katastrophe „nicht auch für dieses Ereignis anzuwenden ist“, sagt er „Table Media“. Die FDP-Fraktion sei informiert, dass man die Hochwasserhilfen in die aktuellen Haushaltsgespräche einbringen werde.

Der FDP gefällt das gar nicht. „Das Manöver der SPD, jetzt nach einer Aussetzung der Schuldenbremse zu rufen, ist durchschaubar“, schreibt Generalsekretär Bijan Djir-Sarai bei X. „Das Hochwasser, das gerade so vielen Menschen bei uns im Land größte Sorgen bereitet, sollte man nicht für die eigene politische Agenda instrumentalisieren.“

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FDP-Fraktionschef Christian Dürr sieht das ähnlich: „Wer in diesen Tagen seinen Keller auspumpen muss, befasst sich sicher nicht mit Haushaltsfragen oder der Schuldenbremse“, sagt er „Politico“. Gibt den Flutopfern dann aber auch ein positives Signal: Selbstverständlich werde der Bund niemanden in den betroffenen Gebieten im Stich lassen, „aber das geht auch ohne die Aufnahme neuer Schulden“.

Für die Ampel bedeutet die harsche Zurückweisung die nächste Krise. Angesichts des Widerstands der FDP will bei SPD und Grünen am Donnerstag dann auch niemand erläutern, wie genau die weitere Ausnahme von der Schuldenbremse organisiert werden könnte.

Immerhin will die SPD mit Unterstützung der Grünen nun wegen gleich zwei Flutkatastrophen das Schuldenlimit im kommenden Bundeshaushalt aussetzen. Langsam wird es unübersichtlich.

Noch ein Sondervermögen?

Der Grünen-Haushälter Bruno Hönel hat deshalb bereits einen dauerhaften Fonds vorgeschlagen, um die Schäden von Extremwetterereignissen auszugleichen, die wegen des Klimawandels immer mehr zunehmen werden. Schäden gäbe es dabei genug. Eine Studie von Prognos für das Wirtschafts- und Umweltministerium ermittelte 2022, dass seit dem Jahr 2000 durchschnittlich Kosten von 6,6 Milliarden Euro pro Jahr entstanden sind.

Der Ökonom Marcel Fratzscher hält wegen der Klimakrise eine Reform der Schuldenbremse für dringend nötig. Kurzfristig plädiert der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) für ein Sondervermögen mit Verfassungsrang, „um notwendige Ausgaben finanzieren und vor allem auch schnell und flexibel auf Notsituationen reagieren zu können“.

Bei Grünen und SPD finden die Idee viele gut, nur rechnet niemand damit, dass sich ein solches im Grundgesetz festgeschriebenes Sondervermögen mit Union und FDP umsetzen lässt. In den Flutgebieten dürften sich deshalb viele fragen, ob sie die nötige Hilfe bekommen werden. Immerhin: Im Südharz hilft ab Montag die Bundeswehr.

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