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Wegen Lobbyismus-Vorwürfen verzichtet Philipp Amthor am Freitag auf seine Kandidatur für den CDU-Vorsitz in Mecklenburg-Vorpommern.

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Der Fall Amthor, die Abgeordneten und der Lobbyismus: Warum der Bundestag dringend neue Regeln braucht

Die Amthor-Affäre zeigt, wie groß die Lücken in den Regeln für Abgeordnete und für Lobbyisten sind. Die Koalition muss endlich handeln. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Claudia von Salzen

In der Affäre um den CDU-Abgeordneten Philipp Amthor rückt eine Frage in den Mittelpunkt: Wie konnte es passieren, dass ein Parlamentarier für ein Unternehmen Lobbyarbeit macht, zugleich Aktienoptionen erhält und an Luxusreisen teilnimmt? In Amthors eigener Partei ist beschwichtigend vom Anfängerfehler eines sehr jungen Abgeordneten die Rede.

Die weniger wohlwollende Antwort auf diese Frage lautet: Ein Politiker, der über juristischen Sachverstand verfügt, hat eine Lücke in den Regeln für Abgeordnete gefunden und genutzt.

Tatsächlich hat sich Amthor beim Bundestag bestätigen lassen, dass er die Optionen nicht öffentlich machen muss.

Die Sache wäre nie herausgekommen, wenn dem „Spiegel“ nicht die interne Kommunikation der Firma zugespielt worden wäre. Der Fall Amthor zeigt, wie groß die Lücken im System sind – und dass die Regeln für Abgeordnete und für Lobbyisten dringend geändert werden müssen.

Doch die Gefahr ist groß, dass die Koalition unter dem Druck der Affäre einen Vorschlag präsentiert, der das Problem nur oberflächlich behandelt – falls sie sich überhaupt einig werden kann.

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Die Union signalisiert zwar Gesprächsbereitschaft, doch die schon lange laufenden Gespräche mit der SPD kamen bisher nicht voran. CDU und CSU wollen zwar die Lobbyisten, nicht aber die Abgeordneten selbst zu mehr Transparenz verpflichten.

Die SPD wiederum ist zwar gut darin, der Union öffentlichkeitswirksam vorzuwerfen, ein Lobbyregister zu verhindern. Allerdings war den Sozialdemokraten das Thema dann doch nicht so wichtig, dass sie es ins Pflichtenheft der Koalition aufgenommen hätten.

Mittlerweile fordert auch die früher als „Mövenpick-Partei“ verspottete FDP neue Regeln für Interessenvertreter. Selbst Lobbyisten sprechen sich für ein Lobbyregister aus, sie wollen sich von dem negativen Image befreien. Es gehört zur politischen Willensbildung in einer Demokratie, dass alle Interessengruppen ihre Anliegen vorbringen können. Allerdings muss klar sein, wer in wessen Auftrag unterwegs ist. Versteckte Einflussnahme sollte es nicht geben, weil in dieser Grauzone die Probleme beginnen.

Lobbyregister ist nur ein Teil der nötigen Reformen

Die Einführung eines Lobbyregisters ist nur ein Bestandteil der notwendigen Reformen. Die Verhaltensregeln für Abgeordnete sind in mehreren Punkten so unzureichend, dass der Bundestag eine Rüge der Staatengruppe gegen Korruption kassierte: Die Experten bescheinigten dem Parlament völligen Reformunwillen. Das schlechte Zeugnis liegt seit einem Jahr vor, doch passiert ist nichts. Jetzt muss die Koalition endlich handeln.

Mit der Forderung nach mehr Transparenz ist kein Generalverdacht gegen Abgeordnete verbunden. Nebentätigkeiten sind ihnen erlaubt, und das muss auch so bleiben, weil ein Mandat ein Auftrag auf Zeit ist. Niemand sollte gezwungen sein, wegen der Wahl in den Bundestag einen handwerklichen Betrieb, eine Arztpraxis oder einen Hof aufzugeben.

Die Verhaltensregeln für Abgeordnete sind in mehreren Punkten so unzureichend, dass der Bundestag eine Rüge der Staatengruppe gegen Korruption kassierte: Die Experten bescheinigten dem Parlament völligen Reformunwillen.
Die Verhaltensregeln für Abgeordnete sind in mehreren Punkten so unzureichend, dass der Bundestag eine Rüge der Staatengruppe gegen Korruption kassierte: Die Experten bescheinigten dem Parlament völligen Reformunwillen.

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Schwierig kann es aber werden, wenn eine Nebentätigkeit erst nach dem Einzug in das Parlament beginnt. Ein Mandat darf nicht dafür missbraucht werden, sich Einfluss oder auch nur das Adressbuch versilbern zu lassen. Doch solche Fälle gab und gibt es. Deswegen müssen die Verhaltensregeln und auch das Abgeordnetengesetz geändert werden.

Verzichten die Parlamentarier darauf, sich klarere Grenzen zu setzen, gewinnen am Ende nur die Populisten, die alle Politiker pauschal als korrupt beschimpfen. Mehr Offenheit stärkt die Demokratie, weil sie zeigt, dass Volksvertreter gegenüber denen, die sie gewählt haben, Rechenschaft ablegen. Viele Abgeordnete sind aber offensichtlich der Auffassung, dass die Prävention von Korruption in Deutschland kein Thema sei – zumindest nicht, wenn es um sie selbst geht.

Der Öffentlichkeit ist es allerdings nicht vermittelbar, dass Lehrer von ihren Schülern nicht mehr als einen Blumenstrauß und eine Tafel Schokolade annehmen dürfen, während Abgeordnete mit Aktienoptionen belohnt werden können.

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