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Der Staat gibt Milliarden aus, doch der Anteil der Familien, die jeden Cent zweimal umdrehen müssen, bleibt hoch.

© dpa

Interview mit Familien-Staatssekretärin: „Der beste Schutz ist, wenn die Eltern arbeiten“

Eine neue Studie rückt Kinderarmut wieder in den Blick. Hat die Politik versagt? Ein Gespräch mit Juliane Seifert, Staatssekretärin im Familienministerium.

Von Hans Monath

Juliane Seifert (42) ist Staatssekretärin im SPD-geführten Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend.

Frau Seifert, wie kann es sein, dass in einem so reichen Land wie Deutschland die Kinderarmut über Jahre konstant bleibt?

Jedes Kind in Deutschland muss die gleichen Chancen auf ein gutes Leben haben. Kein Kind darf in Armut aufwachsen. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Es stimmt, dass die Zahl der Kinder, die in Armut lebt, zu hoch ist. Deswegen hat Bundesfamilienministerin Franziska Giffey in dieser Legislatur bereits viel umgesetzt, Familien und Kinder zu unterstützen. Aber dauert auch, bis sich die neuen Leistungen in der Statistik niederschlagen. So hat sich beispielsweise die Zahl der Kinder aus Familien mit kleinen Einkommen, die den Kinderzuschlag erhalten, von Januar bis Juni 2020 von 300.000 auf 800.000 Kinder erhöht. Diese Zahlen konnten aber noch nicht in die aktuellen Analysen einfließen.

Was hat die Bundesregierung in den vergangenen Jahren gegen das Problem unternommen?

Im Koalitionsvertrag wurde durchgesetzt, dass entschiedener gegen Kinderarmut vorgegangen wird. Das Familien- und das Arbeitsministerium unterstützen Familien mit kleinen Einkommen jetzt finanziell besser durch das Starke-Familien-Gesetz. Der Kinderzuschlag von bis zu 185 Euro im Monat pro Kind wurde deutlich ausgeweitet. Die hohen Steigerungszahlen habe ich schon genannt.

Das Arbeitsministerium hat die Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets verbessert und entbürokratisiert. So sind bspw. jetzt das Mittagessen in der Schule und das ÖPNV-Ticket kostenlos. Und wir stärken die Erwerbstätigkeit der Eltern. Denn der beste Schutz gegen Kinderarmut ist, wenn die Eltern arbeiten.

Mit dem Gute-Kita-Gesetz haben wir nicht nur die Qualität der Kitas verbessert, sondern die Kita-Gebühren für Familien mit kleinen Einkommen abgeschafft. Wir arbeiten jetzt an dem Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschüler und stellen im Konjunkturpaket 3,5 Milliarden Euro zusätzlich für den Ausbau von Kitas und Ganztagsschulen zur Verfügung. Das wird für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sorgen.

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Was haben Sie konkret für Alleinerziehende getan, deren Kinder überproportional arm sind?

Alleinerziehende werden jetzt besser unterstützt als noch vor ein paar Jahren. Schließlich haben sie und ihre Kinder ein besonders hohes Armutsrisiko. So wurde der Unterhaltsvorschusses deutlich ausgeweitet und der steuerliche Entlastungsbetrag erhöht. Außerdem erhalten jetzt mehr Alleinerziehende den Kinderzuschlag. Zentraler Punkt für die Alleinerziehenden ist aber eine verlässliche Kinderbetreuung. Auch deshalb haben wir uns in der Krise dafür eingesetzt, die Notbetreuung schnell für Alleinerziehende zu öffnen.

Juliane Seifert ist Staatssekretärin im Bundesfamilienministerium. In den Jahren 2016 und 2017 war sie Bundesgeschäftsführerin der SPD.
Juliane Seifert ist Staatssekretärin im Bundesfamilienministerium. In den Jahren 2016 und 2017 war sie Bundesgeschäftsführerin der SPD.

© Michael Kappeler/picture alliance/dpa

Experten befürchten neue Nachteile für arme Kinder durch Corona - insbesondere in Bezug auf Bildung. Wie können die vermieden werden?

Die letzten Monate und Wochen waren eine sehr große Belastung für die Familien; vor allem für die Familien, wo das Geld eher knapp ist. Die Bundesregierung hat von Anfang an die Familien in dieser schwierigen Zeit unterstützt, ob über das Kurzarbeitergeld, den ausgeweiteten Kinderzuschlag, das angepasste Elterngeld oder die Lohnersatzleistung für Eltern, die wegen geschlossener Kitas und Schulen nicht arbeiten konnten.

Die Corona-Krise hat uns nochmal gezeigt, wie wichtig Kitas und Schulen für uns alle sind. Sie sind die Voraussetzung dafür, dass Kinder gefördert werden, aber auch dass Eltern Beruf und Familie vereinbaren können. Und deswegen ist es auch so wichtig, dass die Länder daran arbeiten, dass nach den Ferien Schulen und Kitas wieder verlässlich funktionieren - natürlich immer vor dem Hintergrund des Infektionsgeschehens.

Auch die SPD spricht sich für eine Kindergrundsicherung aus. Hätten Eltern in Hartz IV mit vielen Kindern dann noch einen Anreiz, eine Erwerbsarbeit aufzunehmen?

Ja. Denn die Kindergrundsicherung soll Kinder einerseits finanziell absichern und fördern aber auch andererseits die Erwerbstätigkeit der Eltern besser ermöglichen. Wir sehen zwei Säulen: Zum einen sollen die finanziellen Familienleistungen gebündelt und gestärkt werden, da war die Reform des Kinderzuschlags ein erster wichtiger Schritt für.

Und die zweite Säule ist eine verlässliche Betreuungsinfrastruktur mit gebührenfreien und guten Kitas und Ganztagsangeboten. So werden alle Kinder gleich gefördert und Eltern haben die Möglichkeit auch mehr zu arbeiten.

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