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Boris Palmer (Bündnis 90/Die Grünen), Oberbürgermeister von Tübingen, wird zumindest nicht für die Grünen bei der nächsten Wahl zum Oberbürgermeister antreten.

© Marijan Murat/dpa

Boris Palmer zieht Konsequenzen: Der beliebte Oberbürgermeister könnte den Grünen als Unabhängiger gefährlich werden

Für die Grünen will er nicht mehr antreten, da ein Ausschlussverfahren gegen ihn läuft. Das ist logisch. Und für die Partei heikel. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Der unendliche Fall Boris Palmer vs. Grüne: Acht Monate lang betreibt die Landesspitze in Baden-Württemberg nun schon den Parteiausschluss des Tübinger Oberbürgermeisters, aber ein regelrechtes Verfahren hat bisher nicht einmal angefangen.

Immerhin hat Palmers Rechtsbeistand, das grüne Urgestein Rezzo Schlauch, zwischenzeitlich einen Punktsieg errungen. Nicht das Kreisschiedsgericht in Tübingen, sondern das in Stuttgart beheimatete Landesschiedsgericht muss sich mit der Causa befassen. Dazu haben Satzungsprobleme des Stadtverbands geführt.

Ein Parteiausschlussverfahren war beschlossen worden, weil Palmer sich in einem Facebook-Beitrag aus Sicht des Vorstands rassistisch über den früheren Fußballnationalspieler Dennis Aogo geäußert hatte.

Schon vorher war er immer mal wieder mit Ansichten zur Flüchtlingspolitik und zu Coronamaßnahmen angeeckt. Palmer meinte zu den Äußerungen über Aogo, die seien satirisch gemeint gewesen. Offizielle Ermittlungen wurden im September eingestellt.

Palmer wird als Bürgermeister sehr geschätzt

Jetzt ist immerhin klar, dass Palmer, der von mehr als zwei Dritteln der Tübinger für seine Leistungen gelobt wird, bei der OB-Wahl im Herbst zumindest nicht wieder als Kandidat der Grünen antreten wird.

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Denn der Kandidat, die Kandidatin soll in einer Urwahl bestimmt werden, und man könne als OB-Kandidat einer Partei nicht zugleich Ausschlusskandidat sein, meint Palmer. Nach der mathematischen Aussagenlogik hat er recht. Und Palmer ist Mathematiker.

Dass er sich trotzdem der Urwahl stellen soll, um die Partei zu „befrieden“, wie die Stadt-Grünen gerade an ihn appellieren, ist vor dem Hintergrund eher befremdlich. Wahrscheinlich aber hat es damit zu tun: Tritt Palmer als Unabhängiger an, hätte die mutmaßliche grüne Kandidatin wenig Chancen – zumal auch andere Parteien in Tübingen, vor allem die CDU, mit Palmer sehr zufrieden sind.

500 prominente Grüne haben sich inzwischen auch schon hinter ihn gestellt, Realos und Linke, Antje Vollmer, Ludger Volmer, Uschi Eid, frühere OB’s wie Dieter Salomon aus Freiburg, dann der langjährige Staatskanzleichef von Winfried Kretschmann, Klaus-Peter Murawski. Das Argument: Zur Gründungs-DNA der Grünen gehöre ein sehr breites Spektrum. Thomas Ebermann, Otto Schily, Rainer Trampert, Dora Flinner – wer da mit Parteiausschlüssen hätte reagieren wollen, hätte das Scheitern der Grünen provoziert.

Im Vergleich dazu sei Palmer sehr nahe an der Partei, und viele Ausschlussgründe, die vorgetragen würden, so beispielsweise zur Asylpolitik, seien tägliches grünes Regierungshandeln in den Ländern und im Bund. Nicht nur Palmer hat das „sehr berührt“. Im Landesverband rumort es.

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