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Armin Laschet (CDU), Annalena Baerbock (Grüne) und Olaf Scholz (SPD), die Spitzenkandidaten der neuen und alten Volksparteien.

© WDR/Oliver Ziebe

Herkunft bestimmt nicht mehr die Wahl, sondern Interessen: Das Volk sucht seine Parteien

Sachsen-Anhalt wird bei der Landtagswahl am Sonntag die Schwachstellen des deutschen Parteiensystems aufzeigen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Es ist die Sachsen-Anhalt-Woche. Das kleine Bundesland wird groß – gemessen an der allgemeinen Aufmerksamkeit. Etliches wird am Wahlausgang diesen Sonntag abzulesen sein; neben Personellem zum Beispiel: Ist das Konzept Volkspartei überholt, oder funktioniert es regional begrenzt?

Das war der Ursprung: offen zu sein für Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten und für alle Weltanschauungen, als Wähler oder Mitglieder schichtübergreifend und weltanschaulich verbunden. Wer erfüllt das schon noch, außer die CSU in Bayern?

Womit wir beim Thema sind, allerdings über Sachsen-Anhalt hinaus. Die CDU hat insgesamt ihre liebe Not, bei einem Altersdurchschnitt ihrer Mitglieder über 61. Den hat auch die SPD, genau so wie die Not. Das Zentrumsmilieu der Union dünnt aus, entsprechend der sinkenden Zahl der Gläubigen, die Arbeiterschaft, einst das Synonym für SPD, ist mehrheitlich qualifizierte Arbeitnehmerschaft geworden. Die Bindekräfte im einen wie im anderen Fall werden schwach.

Die Bindekräfte werden schwach

Was ist also das Konzept, die Idee? Schwierig, erst recht, wenn die Parteien die Spreche derer nicht mehr sprechen, die sie vertreten und vertreten wollen. Das erfordert ja einen Spagat. Am Gendern zeigt sich die Kluft. Immer schwieriger wird es, Kompromisse zu finden – die aber das Rückgrat der Volkspartei sind. Dermaßen heterogen ist die Gesellschaft geworden. Dazu kommt, dass die Auseinandersetzungen entlang von Haltung und Gesinnung geführt werden. Im Grunde wie früher. Da ist sich übrigens die (westdeutsche) Gesellschaft treu geblieben. Und in der neuen Republik dominant.

Zeitenwende in der deutschen Politik? Die Volksparteien verlieren immer weiter an Bedeutung.

© ZDF

Herkunft bestimmt nicht mehr die Wahl, sondern Interessen tun es, und die wandeln sich. Oft auch schneller als früher. Dazu zerfällt das Potenzial stärker in Stadt und Land, Berufsgruppen, Lebensformen. Daraus ein Wahlprogramm zu formen, das eine hohe Zahl liest – und auch noch gut findet –, wirkt gegenwärtig nahezu unmöglich. Und doch: Was geht die Menschen an? Was brauchen sie, suchen sie? Fragen der Zeit, die von Parteien – als Teil vom Ganzen – beantwortet werden müssen. Nach je ihren eigenen Interessen.

Umfragewinner müssen nicht die Wahl gewinnen

Darum stehen die Grünen gerade gut da. Was sich allerdings auch schnell wieder ändern kann. Wer Umfragen gewinnt, gewinnt noch nicht die Wahl. Und ihre Instabilität ist legendär. Immer dann, wenn die Partei auf dem Sprung ist, fällt sie doch wieder. Stabilität wiederum ist ein Versprechen, das sich mit dem Signum Volkspartei verbindet.

Damit aber sind die Grünen noch nicht fest in der Wahrnehmung der Gesellschaft verankert; und dazu fehlt ihnen ein Angebot an alle auf möglichst vielen Politikfeldern. Insofern hat Robert Habeck mit gutem Grund jüngst ihren tradierten Pazifismus als Grundhaltung infrage gestellt.

Ziel muss es sein, das Reservoir derer zu füllen, die Politik machen wollen. Da sind Parteien so nötig wie immer: Sie stellen (fast) alle Abgeordneten und das Regierungspersonal in Bund und Ländern. Deshalb auch ist Sachsen-Anhalt wichtig: Die Wahl wird auch zeigen, wo bei den Parteien die Schwachstellen sind.

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