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Ich und du. Die Ministerpräsidenten Armin Laschet (links) und Markus Söder im April 2019 beim Beginn der Wahlkampagne zu den Europawahlen in trauter Einigkeit.

© Tobias Schwarz / AFP

Die K-Frage als Zerreißprobe: Die CDU ringt um ihr Überleben als Volkspartei

Die Mehrheit an der Unions-Basis glaubt, dass Söder den Abwärtstrend stoppen kann. Sicher ist das nicht, aber sicherer als mit Laschet allemal. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Die Frage nach der Kanzlerkandidatur ist größer als die, ob Armin Laschet oder Markus Söder der bessere Kanzler wäre. Für die CDU wird sie zur Existenzfrage.

Bleibt sie die letzte Volkspartei in Deutschland – mehr noch: die letzte christdemokratische Volkspartei im westlichen Kontinentaleuropa? In Frankreich und Spanien sind sie zu unbedeutenden Kräften geschrumpft, die im Rennen um den nächsten Regierungschef keine Rolle mehr spielen – wie hier die SPD.

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Die CDU ist in Todesangst, misstraut aber dem Überlebenstrieb ihrer Führung. Ein Mensch, der mitten im Fluss unterzugehen droht, würde instinktiv das rettende Ufer suchen. Die CDU hingegen verharrt in Schockstarre. Sie hört zu viele innere Stimmen, die entgegengesetzte Richtungen empfehlen.

Zweierlei liegt auf der Hand: Selbstlähmung macht Rettung aus eigener Kraft unmöglich. In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod. Und: Eine Partei hat zwar keinen autonomen Instinkt, der in Lebensgefahr übernimmt und das Stimmengewirr aus Gremien, Orts- und Landesverbänden, Abgeordneten und Wählern mit einem Notsignal aus purem Überlebenswillen übertönt. Klar ist aber, was der Chor der inneren Stimmen mehrheitlich empfiehlt: Söder ist das rettende Ufer, nicht Laschet.

Die Rückmeldungen aus den Wahlkreisen in der Fraktionssitzung am Dienstag haben die Botschaft der Umfragen verstärkt. Laschet kann die Basis nicht motivieren, sich in den Wahlkampf zu werfen.

Furcht vor einer Abwärtsspirale mit Laschet

Laut Deutschlandtrend wollen ihn nur 15 Prozent der Bürger und 17 Prozent der Unionsanhänger als Kanzlerkandidaten. Weit weniger als die 28 Prozent Zustimmung für CDU/CSU. Laschet würde die Union nach unten ziehen, Richtung 20 Prozent und Platz zwei hinter den Grünen.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff favorisiert Söder, ebenso die meisten Landesverbände im Osten und im Süden.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff favorisiert Söder, ebenso die meisten Landesverbände im Osten und im Süden.

© dpa

Mit Söder hingegen hat die Union gute Chancen, die Pole Position zu halten und auszubauen auf über 30 Prozent. 44 Prozent der Bürger und 72 Prozent der Unionswähler möchten ihn.

Söder motiviert die Anhänger, um den Sieg zu kämpfen

Die Kandidatenfrage ist zur schicksalhaften Weichenstellung geworden. Mit Laschet geht es in eine Niederlage und vielleicht in eine Abwärtsspirale, aus der sich die Union über Jahre nicht befreien wird. Platz zwei hinter den Grünen besiegelt womöglich ihr Ende als Volkspartei.

Mit Söder ist der Erfolg nicht garantiert. Aber er bietet die Chance, dem Abstiegsstrudel zu entgehen. Mit seinem kämpferischen Auftreten und den Umfragewerten gibt er der Basis den Glauben zurück, dass es sich lohnt, um den Sieg zu kämpfen.

Das führt zu drei Fragen. Warum hat sich die Union dann nicht längst entschieden? Taugt Söder als Hoffnung für die Union und für Deutschland? Wird die CDU als Anker des Parteiensystems gebraucht?

[Mehr zum Thema: Wo steht die CDU-Basis im Kampf um die K-Frage? T+)]

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble stellt sich hinter Laschet. Das Parteipräsidium habe entschieden.
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble stellt sich hinter Laschet. Das Parteipräsidium habe entschieden.

© dpa

Da gehen die Narrative in der breiten Öffentlichkeit und der Union auseinander. Öffentlich ist häufig zu hören: Die CDU hat als größere Schwester ein natürliches Vorgriffsrecht. Laschet beansprucht nur, was ihm zusteht. Die Entscheidung des Präsidiums ist maßgeblich. Wer aufbegehrt, schadet der Partei. Die CDU darf nicht erneut den Vorsitzenden demontieren. Im Übrigen ist Söder ein charakterloser Machtmensch, der nur seinem persönlichen Ehrgeiz frönt. Auf Umfragen soll man nichts geben; nicht einmal die Bayernwahl hat er strahlend gewonnen.

Die Mehrheit der Fraktion hält diese Darstellung für unredlich. Manche haben die Festlegung des Präsidiums auf Laschet als absehbares Lippenbekenntnis eingeordnet, andere als grobes Foul empfunden. Die Absprache war, die Kanzlerkandidatur offen zu halten, bis der CDU-Vorsitz geklärt ist, und danach im Einvernehmen zu entscheiden. Leitkriterium sollte sein, mit wem die Union die besseren Chancen habe. Das ist Söder.

Söder agiert gegen die CDU? Stimmt nicht, sagen viele

Den Egotrip gegen die Interessen der CDU werfen immer mehr Unionisten Laschet vor. Die Partei wolle mehrheitlich Söder, also handele der im Sinne der CDU. Laschets jüngstes Erpressungsmanöver hinter den Kulissen – er werde alles hinschmeißen und Söder vorwerfen, der habe die CDU zerstört – hat ihn erst recht Ansehen gekostet. Den Ruf des prinzipienlosen Hallodris hat Söder auf dem letzten Parteitag vor Corona, 2019 in Leipzig, mit einem zukunftsgewandten Auftritt verdrängt. Er bekam Ovationen.

Nun heißt es, Schwarz-Grün sei mit ihm besser zu machen als mit Laschet. Der verwalte die Energiewende nur taktisch nach Art des Kohlekompromisses: ein paar Monate Laufzeit mehr oder weniger. Söder werbe für Konzepte, wie Deutschland die Technologieführerschaft gewinne, etwa mit Wasserstofftechnik. Mit ihm sei die Union grüner als Auto- Ministerpräsident Kretschmann in Stuttgart.

Wäre ein Kanzler Söder gut für Deutschland? Braucht das Parteiensystem die Union, weil stabile Regierungen bei sieben Parteien im Parlament mit kräftigen Rändern rechts und links immer schwieriger werden, oder können die Grünen diese Rolle übernehmen?

Für die Republik gibt es da keine zwingenden Antworten. Die Wähler geben ihre individuellen im September. Klar doch, Söder kann ein Reinfall werden. Und warum sollen die Grünen die CDU nicht ersetzen können? Die CDU aber hat sich in ihrer Schicksalswoche mehrheitlich für einen Rettungsweg entschieden: für Söder, gegen Laschet, auch wenn der es noch akzeptieren muss. Sie wird sich nicht selbst für verzichtbar erklären.

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