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Das Flüchtlingsdilemma – auch eines der Grünen.

© dpa/Uncredited

Das Thema Asyl ist nur auf Wiedervorlage: Wo die Grünen das Regieren schmerzt

An diesem Dienstag ist Weltflüchtlingstag. Und die Zahlen sind erschreckend. Was heißt: Das Thema verfolgt die Grünen und damit die Ampel-Koalition.

Eine Kolumne von Stephan-Andreas Casdorff

Und, ist jetzt nach dem Grünen-Länderrat zur Asylfrage alles wieder gut, oder zumindest besser in der Koalition? Ja – und nein. Das unmittelbare Zerwürfnis ist abgewendet, aber auch nur vertagt. Der Streit kommt auf Wiedervorlage.

Nicht allein, weil die Linken unter den Grünen das wollen. Sondern von der Sache erzwungen: Der Friede von Bad Vilbel hängt daran, dass im EU-Rahmen bei der Asylgewährung noch Fortschritte für Familien mit Kindern erzielt werden. Wehe, wenn nicht. Dann wird Außenministerin Annalena Baerbock nicht mehr demonstrativ durch Jubel der Rücken gestärkt werden.

Außerdem ist es so: Es darf nicht noch einmal ein derart furchtbares Unglück geschehen wie vor der griechischen Küste, als ein überfülltes Flüchtlingsboot sank, mit fünfhundert Toten, darunter viele Kinder und schwangere Frauen. In dem Fall wird der von den Grünen leidlich mitgetragene EU-Asylkompromiss wieder infrage gestellt werden.

Aber auch so verfolgt das Thema die Grünen und damit die Ampel. An diesem Dienstag ist Weltflüchtlingstag, und diese Zahl wird ihnen aufzeigen, wie schwierig es bleiben wird, in der Regierung damit umzugehen: 108 Millionen, so viele Menschen sind derzeit auf der Flucht. Das sind nicht nur Flüchtlinge aus der Ukraine oder die, die über den Balkan und das Mittelmeer nach Deutschland gelangen wollen. Aber es werden mehr werden. Und damit auch die Bilder derjenigen, die es nach Europa geschafft haben und dann an Grenzen, an Zäunen stehen, in Lagern warten.

Wer sagt, dass Regieren Spaß macht?

Dagegen anzuregieren, wem gelingt das schon. Die Grünen, wohlgemerkt: die im Bund, machen gerade die härteste Erfahrung überhaupt: Regieren macht keinen Spaß. Regieren ist kein Spaß. In der Opposition ist gut schelten, sind die Gedanken freier, die Meinungen auch. Es ist eine andere Kultur. Und nach dieser Kultur kann man sich in bedrängten Situationen zurücksehnen.

Die Grünen, die sich doch als Konkurrenten der SPD um die (linke) Mitte bewerben, sind auf diese Weise zusätzlich herausgefordert. Wollen sie in der Mitte der Gesellschaft anschlussfähig sein, müssen sie um geschlossene Reihen kämpfen, ob beim Heizungsgesetz oder beim Asylkompromiss.

Das sind die Signale von Bad Vilbel, von allen Führungsfiguren in der Partei. Alle wissen: Andernfalls sinken die Umfragewerte weiter. Noch sind sie zweistellig, können aber auch schnell unter zehn Prozent sinken – wenn die bürgerlichen Milieus sich wieder abwenden.

Deshalb müssen die Grünen sich umso mehr bemühen, beides zu schaffen: sich ihrer Tradition und Seele gemäß den kritischen Fragen zuzuwenden und dennoch pragmatisch zu sein. Was bedeutet, nach der Erkenntnis zu handeln, dass nur in der Regierung Schritte möglich sind, die sie auch ihrem Ziel einer veränderten Gesellschaft näherbringen.

Darum geht es dann in der Asylfrage: Wie geht es, Zuwanderung zu steuern und zugleich Zufluchtsuchende nicht über Jahre hinweg im Ungewissen zu lassen, in Containerdörfern notdürftig unterzubringen und sie Aggressionen in der Gesellschaft auszusetzen, um sie dann irgendwann doch wieder abzuschieben? Für Grüne und damit für die Koalition ist das eine harte Sache. Und sie bleibt auf Wiedervorlage. 

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