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Ohne Samthandschuhe – Verteidigungsminister Boris Pistorius und Serbiens Präsident haben offenbar Klartext miteinander geredet.

© dpa/Soeren Stache

„Dann braucht Ihr uns nicht“: Warum es für Pistorius kurz sehr frostig in Belgrad wurde

In Serbien sind die Meinungsverschiedenheiten zwischen Boris Pistorius und Präsident Vucic offen zutage getreten. Einige Aussagen gaben dem deutschen Gast jedoch Grund zur Zuversicht.

Mit den in Bosnien stationierten Soldatinnen und Soldaten, die er am Vormittag im Hauptquartier der EU-Stabilisierungstruppe nahe der Hauptstadt Sarajevo besucht hat, war es netter. Die lockeren Gespräche mit den Bundeswehrkräften bereiteten Verteidigungsminister Boris Pistorius aber nicht unbedingt auf die Konfrontation vor, die ihn nach der Weiterreise Richtung Serbien an diesem Mittwochnachmittag im Präsidentenpalast von Belgrad erwartete.

Staatschef Aleksandar Vucic begrüßte seinen Gast aus Deutschland zwar nach außen hin freundlich und mit Handschlag. Aber die Stimmung war durchaus angespannt in der Berliner Delegation. Wie würde der Gastgeber reagieren auf das, was zuletzt alles war? Mit höflicher Zurückhaltung oder lautstarkem Protest? Pistorius hatte sich für beide Fälle etwas zurechtgelegt.

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Viel im Vorfeld angestaut

Es hatte sich einiges angestaut vor diesem Treffen. Ihren Anfang nahm die jüngste diplomatische Verstimmung vor Weihnachten. Da bezeichnete es das Auswärtige Amt in einer Erklärung zu den vorangegangenen serbischen Wahlen als „inakzeptabel“, dass es in einem EU-Beitrittskandidatenland erwiesenermaßen zu Einschüchterungen und Stimmenkäufen gekommen sei. Vucic konterte, Berlin habe sich auf „die bisher brutalste Weise in den Wahlprozess eingemischt“.

Kurz vor Pistorius‘ Eintreffen regte sich Vucic öffentlich über einen Zeitungsartikel in Deutschland auf, in dem Serbiens Aufrüstung als mögliche Vorbereitung für neue Aktionen im Nordkosovo beschrieben wurde. So sieht es auch die kosovarische Regierung, die Belgrad hinter einem blutigen paramilitärischen Überfall vom 24. September vermutet und mehr davon zutraut.

Boris Pistorius selbst machte sich unbeliebt mit Äußerungen zum Auftakt seiner Balkanreise im Kosovo. So deutlich wie er hatte noch kein Mitglied der Bundesregierung von Serbien eine Entscheidung verlangt – zwischen eigenen EU-Ambitionen und alter Verbundenheit mit Russland. Man könne „nicht auf zwei Hochzeiten tanzen“, so Pistorius. Für ihn wirkt Moskau bewusst destabilisierend in der Region. Auf den Straßen Belgrads dagegen wirbt der russische Staatskonzern Gazprom großflächig mit dem Slogan „Zusammen“.

Das geflügelte Wort von den beiden Hochzeiten tauchte in der Pressekonferenz mit Vucic am späten Nachmittag nicht auf. Pistorius sagte, es habe im Austausch zuvor „nicht an Klarheit gefehlt“, der Gastgeber wiederum lobte die offenbar deutlichen Ansagen: „Wenn man sich nur mit Samthandschuhen anfasst, versteht man vielleicht auch nicht richtig, was der andere sagt.“

Wenn man sich nur mit Samthandschuhen anfasst, versteht man vielleicht auch nicht richtig, was der andere sagt.

Aleksandar Vucic, Staatschef Serbien

Daraus ergaben sich einige klare Zusagen. Offenbar auf Drängen des Gastes, der die Sorgen des Kosovo vor weiteren Angriffen zur Sprache brachte, versicherte Vucic: „Serbien wird niemanden überraschen mit militärischen Maßnahmen.“ Ihm sei auch zugesagt worden, dass Belgrad serbische Abspaltungsbestrebungen in Bosnien-Herzegowina „nicht unterstützt“. Pistorius stellte unwidersprochen fest, dass sich Serbien den EU-Russlandsanktionen „anschließen sollte und wird“.

Wir nehmen wahr, dass es Einfluss auf verschieden Kanälen gibt.

Verteidigungsminister Boris Pistorius über Russlands Rolle in Serbien

Den Einfluss Russlands auf die öffentliche Meinung seines Landes bestritt Vucic gar nicht, wohl aber die eigene Abhängigkeit: „Niemand kann mir etwas aufzwingen oder befehlen“, sagte er und verband das mit einer Stichelei, „weder aus Washington, Moskau, Berlin oder einer anderen Hauptstadt“.

Pistorius hielt dagegen: „Wir nehmen wahr, dass es Einfluss auf verschiedenen Kanäle gibt“. Seine klare Mahnung: „Kein Weg führt in die Europäische Union über Konflikte in dieser Region, gesteuert von wem auch immer“. In einer Mischung aus Schmeichelei und Warnung erinnerte der Gast aus Deutschland immer wieder daran, dass die größte regionale Wirtschaftsmacht Serbien auch eine besondere Verantwortung für Stabilität und „gut nachbarschaftliche Beziehungen“ habe.

Den großen gemeinsamen Zielen von Stabilität, europäischen Ambitionen und wirtschaftlichem Wohlstand stehen harte Gegensätze in der Frage des von Serbien nie anerkannten Kosovo gegenüber. Eine serbische Journalistin fragte Pistorius, auf welcher Rechtsgrundlage Deutschland den aus ihrer Sicht abtrünnigen Kosovaren militärisch helfe.

Aufreger Wahrungsreform

Aktuell treibt die Serben vor allem das laut Vucic „völlig gesetzeswidrige“ Verbot des Dinar im Norden des Kosovo um. Die Regierung in Pristina will damit serbische Doppelstrukturen unterbinden, Belgrads Staatschef sieht „unsere Bevölkerung“ benachteiligt und hat bereits Geldtransporter geschickt. An diesem Donnerstag will der Präsident auf einer Sondersitzung des Weltsicherheitsrates dazu sprechen.

Pistorius betonte erneut, er halte die Währungsreform für „legitim“, verlangte aber vom Kosovo „Übergangsfristen“. Das wiederum reichte Vucic bei Weitem nicht aus, weshalb es fast doch noch zum großen Knall gekommen wäre: „Wenn Ihr uns nur bei Euren Gesprächen mit dabei haben wollt, um Pristinas Sichtweise zu bestätigen, dann braucht Ihr uns nicht.“

Da wurde es kurz sehr frostig, doch kurz darauf freute sich Vucic bereits wieder, dass in Gestalt von Pistorius „der beliebteste Politiker in Deutschland“ in Belgrad zu Gast war.

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