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So stellen sich Hannovers Verantwortliche in Zukunft die autofreie Prinzenstraße vor.

© dpa/Bearbeitung:Tagesspiegel

Autofreie Innenstädte: Wird Hannover zum Vorbild?

Hannover will bis 2030 eine nahezu autofreie Innenstadt schaffen. Das könnte auch ein Beispiel für andere Städte werden. Drei Experten schätzen die Chancen dafür ein.

Hannover hat zuletzt ein Konzept für eine nahezu autofreie Innenstadt vorgelegt. Das Zentrum soll bis 2030 fast autofrei werden, Parkplätze an Straßen und Plätzen sollen verschwinden. 

Wird die niedersächsische Landeshauptstadt ein Vorbild für andere Städte? Drei Experten antworten. Alle Folgen „3 auf 1“ finden sie hier.


Der Städteumbau braucht mutige Bürgermeister*innen

Eines vorweg, es geht keineswegs um autoFREIE Innenstädte, sondern schlicht um deutlich weniger Autos in den Innenstädten. Weltweit reduzieren immer mehr Städte den Platz und die Privilegien für Autofahrende. Ob in Paris, London, Barcelona oder New York, die Beispiele zeigen, dass nicht Bullerbü entsteht, sondern Innenstädte, die grüner und leiser werden, die belebt und attraktiv sind, wovon wiederum Geschäfte, Gewerbe und Gastronomie profitieren.

Nach anfänglichen Protesten in diesen Städten wünscht sich nach dem Umbau kaum jemand den Zustand vorher zurück. Die Beispiele zeigen aber auch, dass es fast immer mutige Bürgermeister*innen braucht, diese Veränderung anzustoßen und den unvermeidlichen Widerstand auszuhalten.

Mut, der in Deutschland bislang fehlt. Respekt also vor Belit Onay in Hannover, dem zu wünschen ist, dass seine ambitionierte und pragmatische Strategie für die Landeshauptstadt Realität wird und wir ein Beispiel zum Nachahmen bekommen.


Wer Durchfahren verbietet, muss Umfahren ermöglichen

Vorbildlich ist sicher die Öffentlichkeitsarbeit der Hannoveraner. Denn ganz autofrei wird deren Zentrum nicht. Man hat richtigerweise berücksichtigt, dass Anwohner und Wirtschaftsverkehr, also zum Beispiel Paketboten, Elektriker, Müllabfuhr oder der Lkw mit Ware, nicht ausgesperrt werden können.

Abgesehen davon: Durch die Altstadt Hannovers kommt man in 15 Minuten zu Fuß. Das ist nicht viel größer als der autofreie Bereich zwischen Alex und Humboldtforum. Für welche der Innenstädte im polyzentrischen Berlin sollte das Modell also realistisch Vorbild sein?

Weniger Autoverkehr ist aber natürlich richtig. Autofreie Bereiche, zum Beispiel am Hackeschen Markt, befürwortet die IHK grundsätzlich. Aber der Rahmen muss stimmen: Die Anrainer müssen beteiligt werden, es braucht ausreichende Parkmöglichkeiten, Radwege und perfekte ÖPNV-Angebote für Pendler und Besucher. Und nicht zuletzt: Wer das Durchfahren verbietet, muss das Umfahren ermöglichen. Es braucht also – wie in Hannover – einen Ring, vielleicht sogar als Autobahn?


Hannovers Konzept ist ambitioniert – und trotzdem realistisch

Das Spannende am neuen Mobilitätskonzept für die Innenstadt von Hannover: Es ist gar nicht radikal, sondern eine Zusammenführung bewährter Maßnahmen zu einer konsistenten Strategie – keine Selbstverständlichkeit.

Das Konzept ist ambitioniert, dabei realistisch und pragmatisch. Es baut auf dem „Innenstadtkonzept 2035“ auf und kann die dort praktizierte intensive und unverzichtbare Einbindung von Stadtgesellschaft und Stakeholdern weiterführen.

Es setzt die Erkenntnis, dass in der City reine Autoorientierung weder den Bewohner*innen und Besucher*innen noch dem Handel nützt, mit Augenmaß in konkrete Maßnahmen im Sinne qualitätvoller öffentlicher Räume um. Die Erreichbarkeit bleibt gut, der Wirtschaftsverkehr profitiert.

Schnell realisierbare erste Maßnahmen ermöglichen den raschen Einstieg in den Umsetzungsprozess – anders als bei anderen, radikaleren Konzepten, denen es an „Erdung“ fehlt. Aber: Hannover muss danach auch weiterdenken und sich zum Beispiel intensiver mit dem City-Ring befassen.

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