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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist bei der jüngsten Klausurtagung im Schloss Meseberg im Gespräch mit Claudia Roth, der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.

© IMAGO/Political-Moments/imago

Aufarbeitung von Ausbeutung und Zwangsarbeit : Bundesregierung redet mit Tansania über Kolonialvergangenheit

Einst gehörte Tansania zu den ostafrikanischen Staaten, die Deutschland als Kolonien unterwarf. Die Verbrechen der Deutschen sind nun Thema zwischen beiden Staaten.

Erst Namibia, nun Tansania: Die Bundesregierung spricht nach eigenen Angaben mit Tansania über Fragen der Kolonialvergangenheit und deren Aufarbeitung. Zugleich räumte die Regierung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen Wissenslücken in einigen zentralen Aspekten der mehr als drei Jahrzehnte währenden deutschen Kolonialherrschaft ein. Die Antwort der Bundesregierung liegt der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vor.

Tansania gehörte mit Burundi, Ruanda und kleinen Teilen von Mosambik zwischen 1885 und 1919 zu Deutsch-Ostafrika. Die Deutschen beuteten ihre Kolonie aus, auch unter Einsatz von Zwangsarbeit. Trotzdem blieb der Betrieb von Baumwoll- und Sisal-Plantagen weitgehend unrentabel, weil die Einfuhren fast doppelt so hoch wie die Exporte blieben.

Maji-Maji-Krieg mit Hunderttausenden Toten

Immer wieder kam es zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Einheimischen. Der Maji-Maji-Krieg (1905-1908) gilt als einer der größten und verheerendsten Kolonialkriege. Unterschiedlichen Schätzungen zufolge wurden dabei zwischen 75.000 und 300.000 Menschen getötet; meist wird die Zahl der Opfer auf 180.000 beziffert.

In der Antwort an Dagdelen heißt es, der Bundesregierung sei bekannt, dass Sklaverei in Form von Kontraktarbeit auch nach der offiziellen Abschaffung der Sklaverei im frühen 19. Jahrhundert fortbestand. Die meist aus China stammenden Kontraktarbeiter, sogenannte Kulis, seien häufig gewaltsam rekrutiert worden.

„Über die genaue Anzahl der Kontraktarbeiter, die im ehemaligen Deutsch-Ostafrika auf Plantagen in Hand deutscher Kolonialisten im Einsatz waren, liegen der Bundesregierung keine verlässlichen Erkenntnisse vor.“ Gleiches gelte für Gewinne und Einnahmen, die durch Zwangsarbeit sowie die Erhebung der Hütten- und Kopfsteuer erzielt wurden.

Dagdelen kritisiert Bundesregierung scharf

„Es ist beschämend, dass die Ampel bei der politischen wie juristischen Aufarbeitung deutscher Kolonialverbrechen in Tansania auf Abwarten und Aussitzen setzt, statt proaktiv voranzugehen und selbst Verantwortung zu übernehmen“, kritisierte Dagdelen. „Den von Kanzler Scholz propagierten Neustart der Beziehungen zu den Staaten Afrikas und eine Absage an neokoloniale Ausbeutung wird es so schwerlich geben.“

Anfang Juni hatte die Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken hin mitgeteilt, es gebe derzeit keinen klaren Fahrplan für einen Kolonialdialog mit Tansania. Im Falle Namibias, der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika, hatte ein solcher Dialog zu einer „Gemeinsamen Erklärung“ geführt, der das namibische Parlament allerdings bislang die Zustimmung verweigert.

Das Auswärtige Amt betrachtet die Erklärung gleichwohl weiter als „wichtigen Meilenstein auf dem Weg der deutsch-namibischen Versöhnung“. Derzeit liefen „konstruktive Gespräche mit der namibischen Regierung, um in dem Entwurf der Gemeinsamen Erklärung offen gebliebene Auslegungsfragen in einem Addendum zu klären“, teilte das Außenamt auf KNA-Anfrage mit. Ein konkreter Termin für die nächsten Verhandlungen wurde nicht genannt. Die bislang letzte Gesprächsrunde fand am 17. und 18. November 2022 in Berlin statt. (KNA)

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