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Anne Spiegel ist zurückgetreten.

© IMAGO/Political-Moments

Anne Spiegel hat sich überschätzt: Das „Wohl des Volkes“ sollte vor dem Privaten stehen

Der Rücktritt von Spiegel bringt alte Fragen zurück - etwa nach Anforderungen an Spitzenämter. Und die nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ariane Bemmer

Nun sieht am Ende auch ihr Ende aus wie eine schlechte Inszenierung, die man mit Schaudern oder Schaulust zur Kenntnis nimmt, und dabei nie so ganz weiß, was davon stimmt, und was nur vorgeschoben ist.

Anne Spiegel ist als Bundesfamilienministerin zurückgetreten. Das geschah kurz nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz ihr beigesprungen war und hatte verkünden lassen, dass er eng und vertrauensvoll mit ihr zusammen arbeite.

Und es geschah keine 24 Stunden, nachdem Spiegel am späten Sonntagabend die Presse eingeladen hatte, um etwas fahrig und unsortiert Details aus ihrem anstrengenden Privatleben bekannt zu machen, von dem Schlaganfall ihres Ehemanns 2019 und den Corona-Stress ihrer vier kleinen Kinder.

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Damit wollte sie einige ihrer Fehler als Umweltministerin in Rheinland-Pfalz erklären, allen voran den vierwöchigen Familienurlaub, als im Ahrtal die Flutkatastrophe 139 Menschen um ihr Leben gebracht hat.

Schon Sonntagabend hatten manche eine Rücktrittserklärung erwartet, es kam dann aber nur eine Bitte um Entschuldigung und die irritierende Frage an einen ihrer Begleiter, ob sie ihre Aussagen noch irgendwie „abbinden“ solle. Das erinnerte unwillkürlich an die SMS-Affäre von neulich, in der es ihr darum ging, ein „Wording“ zu finden, das das Handeln ihres Ministeriums in der Flutkatastrophe gut aussehen lasse.

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Mitten in die sich an ihren Sonntagabendauftritt anschließenden Deutungsversuche und Empörungswellen hinein nun also das, was wahrlich fällig war. Für Anne Spiegel endet damit vorerst eine steile Karriere, die ihr, so legten es ihre Ausführungen nahe, wichtiger war als Rücksichtnahme auf ihren kranken Mann.

Diese Rücksicht hatte sie stattdessen von der Öffentlichkeit eingefordert. Die sollte seine Ruhebedürftigkeit höher werten als die Aufgaben, die sich einer Ministerin in Katastrophenzeiten stellen.

[Lesen Sie auch: Anne Spiegel: Als Idealbesetzung gestartet – von der Vergangenheit eingeholt (T+)]

So sind mit diesem Rücktritt aus diesen Gründen alte Fragen zurück in den Debatten: die nach den Anforderungen und Zumutungen von politischen Spitzenämtern. Und die nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ist es in Zeiten, in denen sich auch konservative Unternehmen um Familienfreundlichkeit bemühen, um Spitzenpersonal zu gewinnen, noch zeitgemäß, von Spitzenleuten in der Politik zu verlangen, dass sie sich mit Haut und Haaren ihrer Aufgabe widmen?

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Man kann das so sehen. Politiker sind keine Manager, sie unterschreiben keine Arbeitsverträge, sie schwören Eide. Man braucht nicht pathetisch zu werden, aber das „Wohl des Volkes“ sollte vor dem privaten stehen. Und wenn sich das aus Gründen vorübergehend nicht einhalten lässt, hat etwa Frank-Walter Steinmeier einen Ausweg gezeigt: indem man vorab transparent macht, wie die Situation ist und warum man wie zu handeln gedenkt.

Spiegel hat gemauschelt und gehofft, dass sie damit durchkommt

Was Steinmeier 2010, damals SPD- Fraktionschef, in Sachen Nierentransplantation zugunsten seiner Frau vorgemacht hat, hat Anne Spiegel nicht nachgemacht. Sie hat herumgemauschelt und gehofft, dass sie damit durchkommt. Man hat das sicher nicht zu Unrecht als Anzeichen ihrer Überforderung interpretiert.

Das Land bleibt nun mit zwei Leerstellen zurück. Es fehlt eine Ministerin, und es fehlt das „Role Model“ für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, als das Spiegel angetreten war.

Wer seine Hoffnungen auf sie gesetzt hatte, auf eine ehrgeizige Frau, die aus eigenem Erleben weiß, worum es geht, wenn es um Kinder und Karriere geht, und die in Regierungsverantwortung hätte Einfluss nehmen können, dürfte sich schwer enttäuscht sehen.

Statt etwas zum Besseren zu verändern, hat Spiegel durch Selbstüberschätzung und missglückte Job-Performance das Gegenteil erreicht. Ihr Scheitern könnte all jene frustrieren, die sich jenseits des Scheinwerferlichts Tag um Tag für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf abstrampeln. Und sie spielt all jenen in die Hand, die meinen, Frauen mit Kindern seien für herausfordernde Tätigkeiten grundsätzlich ungeeignet.

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