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Erfahrung mit der Groko. In der letzten Amtszeit von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) war Olaf Scholz (SPD) Finanzminister.

© dpa/Michael Kappeler

Immer wieder Ampel-Zoff: Wo eine große Koalition besser regieren könnte

Zwischen FDP und Grünen kracht es öfter, in der SPD wächst die Ungeduld über die kleineren Partner. Wäre Rot-Schwarz die bessere Lösung?

Selbst beim Entwurf für den Bundeshaushalt bekommen sich die Ampel-Partner in die Haare. Immer wieder zoffen sich FDP und Grüne, während die SPD sich bisher zurücknimmt. Doch bei den Sozialdemokraten wächst der Unmut über beide Partner. Unprofessionell, regierungs-unerfahren – so urteilen die Genossen über Liberale und Grüne. Der Dauer-Streit lässt alle drei Parteien in den Umfragen abstürzen, die SPD rangiert inzwischen hinter der AfD.

Könnte eine große Koalition Deutschland nicht besser, effizienter, erfolgreicher regieren als die Ampel? Angesichts der Streithähne auf der Regierungsbank, aber auch mit Blick auf die Lage – Krieg in Europa, Rezession, Inflation – denkt mancher längst über eine Neuauflage der großen Koalition nach. Die Mehrheit im Bundestag hätten SPD und Union, freilich unter Führung der Sozialdemokraten. Also Kanzler Olaf Scholz und Vizekanzler Friedrich Merz (CDU).

In den Umfragen hingegen liegen CDU/CSU klar vor der SPD, das spräche für einen Kanzler aus der Union. Der Charme der Vision: Sozial- und Christdemokraten wollen jeweils eine Mehrheit der Bürger hinter sich vereinen, während FDP und Grüne nur um Teile der Gesellschaft werben.

Zwölf Jahren lang haben Schwarze und Rote Deutschland unter Angela Merkel geführt, auch damals gab es Streit, aber weit weniger harsch als heute. Wie kämen SPD und Union politisch, programmatisch miteinander aus?

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Sicherheitspolitik

Gut, Annalena Baerbocks Hauptanliegen einer „feministischen Außenpolitik“ wäre kaum Kernthema eines Auswärtigen Amtes (AA), von SPD oder CDU geführt (zumeist stellt der Juniorpartner den Außenminister). In der Ukraine-Politik wären die Konflikte kaum schärfer als unter der Ampel, die Union drängt – wie FDP und Grüne – stets auf eine robustere Unterstützung Kiews als die SPD.

In der Grundrichtung herrschte Konsens. Im Umgang mit China träte eine große Koalition wohl weniger lautsprecherisch auf als Baerbock. Die „China-Strategie“ hingegen hätte auch von Schwarz-Rot oder Rot-Schwarz stammen können. Über das Bemühen von Olaf Scholz um Länder wie Indien, Brasilien und den „globalen Süden“ gäbe es Konsens. Bei der Stärkung der Bundeswehr würde eine große Koalition entschiedener agieren.


Migration

Ziemlich deutlich zeigen sich die Übereinstimmungen zwischen SPD und Union bei der Migrationspolitik. Als Faeser Anfang Juni auf EU-Ebene den geplanten Schnellverfahren für Migranten mit geringer Bleibeperspektive zustimmte, erhielt sie ausgerechnet Lob von ihrem Amtsvorgänger Horst Seehofer. Der frühere CSU-Chef sprach angesichts des Durchbruchs beim Treffen der EU-Innenminister von einem „historischen Verhandlungsergebnis“.

Zuletzt hatte Faeser strengere Regeln bei der Abschiebung von ausreisepflichtigen Ausländern und von Angehörigen krimineller Vereinigungen vorgeschlagen. Der strikte Kurs der Innenministerin hat wohl auch taktische Gründe, schließlich ist Faeser SPD-Spitzenkandidatin für die hessische Landtagswahl am 8. Oktober.

In jedem Fall liegt Faeser mit den Vorstößen zu vermehrten Abschiebungen grundsätzlich näher bei der Union als bei den Grünen. Dass Faeser mit den Vorschlägen – hessischer Wahlkampf hin oder her – durchaus den Segen der Parteiführung hat, hatte SPD-Chef Lars Klingbeil deutlich gemacht. Laut Klingbeil ist eine härtere Linie in der Migrationspolitik ein Gebot der Stunde und keinesfalls eine Anbiederung an die AfD.

Ähnliches gilt auch für die Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten, die in der Ampel vor allem auf den Widerstand der Grünen stößt. Konservative SPD-Politiker wie der zum „Seeheimer Kreis“ zählende Fraktionsvize Dirk Wiese halten die geplante Einstufung von Georgien und Moldau als sichere Herkunftsstaaten für eine konsequente Entscheidung.

Auch in der Union wird das so gesehen. Allerdings wollen CDU und CSU den Kreis der Länder, in welche dann künftig abgelehnte Asylbewerber leichter abgeschoben werden könnten, noch weiter ziehen. CDU-Parteichef Merz hat gefordert, auch Marokko, Algerien und Indien in die Liste der sicheren Herkunftsstaaten aufzunehmen.


Recht

Der Streit über die Vorratsdatenspeicherung ist ein Dauerbrenner in der Ampel. Anders liefe es wohl unter einer großen Koalition. Die SPD ist mit der Union hingegen weitgehend einig in der Frage, ob im Kampf gegen Kinderpornografie und Kindesmissbrauch die umstrittene Datenspeicherung eingesetzt werden soll.

Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) drängt die Bundesregierung in diese Richtung. An Innenministerin Faeser würde eine rechtssichere Speicherung von IP-Adressen sicher nicht scheitern. Aber in der Ampel-Koalition sind es in diesem Fall die Liberalen, die nicht mitmachen wollen: Justizminister Marco Buschmann (FDP) will lediglich erlauben, dass die IP-Adressen einzelner Nutzer vorübergehend „eingefroren“ werden.


Klimaschutz

In ihren Wahlprogrammen zur letzten Bundestagswahl sprachen sich Union und SPD für mehr Tempo beim Klimaschutz und der Energiewende aus, wenn auch weniger ambitioniert als Grüne und Linke. Die langfristigen Ziele von CDU/CSU und Sozialdemokraten waren dabei auf dem Papier sogar identisch: Bis 2030 sollen die Emissionen in Deutschland um 65 Prozent gegenüber 1990 gesenkt werden, bis 2045 soll Klimaneutralität herrschen.

Dass Union und SPD bei der praktischen Umsetzung der Energiewende ähnlich ticken, wird in der Diskussion rund um das Heizungsgesetz deutlich, das zwischenzeitlich zu einer Zerreißprobe für die Ampel-Koalition führte. Mittlerweile ist das Gesetz überarbeitet worden, die Vorgaben für neu eingebaute Heizungen wurden mit der kommunalen Wärmeplanung verzahnt.

Im Rückblick wurden aus der SPD auch kritische Stimmen mit Blick auf das Verfahren laut. Zwar waren die nicht so lautstark wie bei der oppositionellen CDU/CSU. Aber immerhin sagte auch der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil, es dürfe keinen „Klimaschutz mit der Brechstange“ geben.


Landwirtschaft

Gelegentlich werden Übereinstimmungen zwischen Union und SPD in der Agrarpolitik deutlich – etwa dann, wenn sich der Schweriner Agrarminister Till Backhaus ähnlich heftig über den Grünen-Bundesminister Cem Özdemir ereifert wie seine konservativen Amtskollegen aus den Ländern. Ansonsten sind die Gemeinsamkeiten auf dem Feld der Agrarpolitik nicht so groß, wie man annehmen könnte.

Die Union ist derzeit dabei, sich als Fürsprecher der Bauern in Szene zu setzen. Im Bundestag machten CDU/CSU vor der Sommerpause gegen ein Gesetz mobil, das den Naturschutz in den EU-Staaten stärken soll. Die Begründung der Union: Den Bauern würden durch die EU-Pläne Flächen entzogen. Ganz anders die Tonlage bei den Sozialdemokraten: Ohne intakte Natur funktioniere auch die Landwirtschaft nicht, hieß es dort.


Finanzen

Am Wochenende ist unverhofft eine ganz neue Gemeinsamkeit zwischen CDU und SPD in die Welt gekommen: CDU-Chef Merz hat sich für einen höheren Spitzensteuersatz offen gezeigt. „Ob der Spitzensteuersatz bei 42 oder 45 Prozent liegt, ist nicht entscheidend. Wichtig ist eine Entlastung der Mittelschicht.“

Dass das als Gegenfinanzierungskonzept verstanden werden darf, ist unwahrscheinlich. Den berüchtigten „Mittelstandsbauch“ in der Steuerprogression abzubauen, würde sehr viel mehr Geld kosten, als ein höherer Spitzensteuersatz für hohe Einkommen einbringen kann.

Aber darum ging es Merz wohl auch nicht. Das Signal ist, dass eine Koalition mit den Sozialdemokraten (auch mit den Grünen) an der Frage nicht scheitern würde. Eine Entlastung in der Mitte ist andererseits das Versprechen aller Parteien.

Es geht Merz also nicht darum, mit dem höheren Spitzensteuersatz hier den Weg freizumachen. Er erwartet mutmaßlich Entgegenkommen der SPD bei einem Punkt, der für die Sozialdemokraten heikel ist. Das könnte zum Beispiel das Renteneintrittsalter sein.

Schon einige Monate zurück liegt ein Vorstoß von Jens Spahn, in dem noch mehr Potenzial liegt für eine neue „Groko“. Der CDU-Vize leitet eine der Arbeitsgruppen für das neue Parteiprogramm. In dem Zusammenhang hat er eine Reform der Erbschaftsteuer vorgeschlagen. Es soll demnach einen einheitlichen niedrigen Erbschaftsteuersatz von zehn Prozent auf das übertragene Vermögen geben, günstige Freibeträge inklusive. Eine Vermögenssteuer lehnt die CDU weiter ab.

Je nach Ausgestaltung einer neuen Erbschaftsteuer kann das für die SPD durchaus interessant sein. In der Koalition mit der Union hat es vor einigen Jahren eine Reform der Steuer gegeben, bei der die Sozialdemokraten allerdings über den Tisch gezogen worden sind. Sie würden einen neuen Anlauf daher sehr genau prüfen.

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