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Schäubles Frau Ingeborg am Arm von Bundespräsident Steinmeier, dahinter Bundestagspräsidentin Bas, Frankreichs Präsident Macron, Bundesratspräsidentin Schwesig und  Kanzler Scholz.

© dpa/Kay Nietfeld

Bundestag trauert um Wolfgang Schäuble: „Deutschland verliert einen großen Demokraten und Staatsmann. Europa einen Vordenker“

Bei einem Trauerstaatsakt wird der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble im Bundestag gewürdigt. Der französische Präsident Emmanuel Macron nennt ihn „eine Säule für Europa“.

Angela Merkel ist gekommen. Sie sitzt auf der Ehrentribüne im Bundestag, die Ex-Kanzlerin, die viel mit Wolfgang Schäuble verband – oft wenig Freundschaft. Außerdem anwesend sind die drei lebenden Ex-Bundespräsidenten: Horst Köhler, Christian Wulff und Joachim Gauck. Der französische Staatschef Emmanuel Macron.

Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU). Die ehemaligen Bundestagspräsidenten Rita Süssmuth und Norbert Lammert (beide CDU). Und Fußballlegende Günter Netzer. Die Reihen der AfD aber, sie blieben weitgehend leer.

Dafür versammelten sich etwa 1500 Gäste aus Politik und Gesellschaft aus dem In- und Ausland zum Trauerstaatsakt im Bundestag zu Ehren des früheren Kanzleramtschefs, Bundesinnen- und Finanzministers, CDU-Vorsitzenden und Bundestagspräsidenten, Wolfgang Schäuble. Er war am zweiten Weihnachtstag im Alter von 81 Jahren nach langer Krankheit in seiner Heimatstadt Offenburg gestorben. An der Gedenkveranstaltung nahm Schäubles Familie um seine Frau Ingeborg teil.

Der Plenarsaal war an diesem Montag mit einem Schwarz-weiß-Bild von Schäuble sowie weißen Blumengestecken mit Rosen und Chrysanthemen geschmückt. Auch Schäubles Karlspreis und das Bundesverdienstkreuz waren aufgestellt. Zu Beginn und kurz vor dem Ende spielte ein Streichquartett Stücke von Mozart für den Musik-Liebhaber Schäuble. Traditionell sangen die Gäste am Ende die Nationalhymne.

Die deutsch-französische Freundschaft bildete die Klammer für den Staatsakt

Schäubles Nachfolgerin im Amt der Bundestagspräsidentin, Bärbel Bas (SPD), eröffnete die Gedenkstunde. „Deutschland verliert einen großen Demokraten und Staatsmann. Europa einen Vordenker. Und Frankreich einen besonderen Freund“, sagte die SPD-Politikerin über ihren Vorgänger.

Dass der Staatsakt zu Schäubles Ehren am Jahrestag der Unterzeichnung des Élysée-Vertrages stattfinde, „hätte ihm gefallen“, sagte Bas. Der Vertrag war vor 61 Jahren unterzeichnet worden, er gilt bis heute als Grundlage der deutsch-französischen Freundschaft.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wirft einen Kuss Richtung Ehrentribüne, auf der die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel sitzt.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wirft einen Kuss Richtung Ehrentribüne, auf der die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel sitzt.

© dpa/Kay Nietfeld

Zu Schäubles Ehren hielten außerdem der französische Präsident Emmanuel Macron sowie der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz Gedenkreden. In seiner Rede wurde Schäubles Parteifreund sehr persönlich und sorgte damit bei einigen Trauergästen für Tränen. Merz erzählte eine Anekdote, die sich so in der Familie Schäuble zugetragen haben soll – es ging um nicht weniger als das Wunder von Bern.

Der damals elfjährigen Bube aus dem Schwarzwald glaubte fest an einen Sieg. Trotz Rückstand. Daran zeigten sich Schäubles Beharrlichkeit und Fußballbegeisterung. „Ich habe von ihm unglaublich viel gelernt, politisch wie auch im Umgang“, sagte Merz.

Ich habe von ihm unglaublich viel gelernt, politisch wie auch im Umgang.

CDU-Chef Friedrich Merz über seinen Freund Wolfgang Schäuble

Schäuble habe mehr Wechsel von der Opposition auf die Regierungsbank und zurück mitgemacht als sonst wer im Hohen Haus, sagte Merz. Über 14 Legislaturperioden vertrat der Badener seine Heimat im Parlament. Schäuble war ein überzeugter Parlamentarier, ein guter Zuhörer sei er gewesen. „Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, sozialer Zusammenhalt, ökologische Nachhaltigkeit: Ohne Parlamentarismus geht all das nicht“, bemerkte Schäuble nach seiner Wahl zum Bundestagspräsidenten 2017.

Dieser Satz sei sein eigentliches politisches Vermächtnis, fand Merz. Besonders in Zeiten, in denen die demokratische Ordnung bedroht wird. Der Verstorbene gehörte dem Bundestag 51 Jahre lang an – länger als jede und jeder andere in der Geschichte des deutschen Parlamentarismus.

Für die Gäste war der Trauerstaatsakt auch ein Wiedersehen und eine Art Selbstversicherung freundschaftlicher Bande: Macron sendete eine Kusshand hoch auf die Tribüne zu Merkel, die Ministerpräsidenten Hendrik Wüst und Markus Söder plauderten ausgiebig vor Beginn der Veranstaltung, die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer unterhielt sich mit Georg Friedrich Ferdinand Prinz von Preußen.

Es liegt in der Entscheidung der Angehörigen, ob eine Person mit einem Trauerstaatsakt oder einem Staatsbegräbnis gewürdigt werden soll. Letzteres geschah beispielsweise nach dem Tod des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl, dessen Witwe sich gegen einen Staatsakt entschied.

Den letzten gab es 2018, damals wurde der Ex-Bundestagspräsident Philipp Jenninger verabschiedet. Schäuble war bereits am 5. Januar in seiner Heimatstadt Offenburg beigesetzt worden. Die Kosten für die Feierlichkeiten im Bundestag übernimmt der Bund. Sie werden vom Bundestag ausgerichtet.

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