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Rivalen im Ring: Markus Söder, CSU-Vorsitzender und bayerischer Ministerpräsident (l.), mit Friedrich Merz.

© picture alliance/dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Merz erhält Rückendeckung: Die K-Frage ist entschieden? Niemand sollte Söder zu früh abschreiben

CDU-Chef Merz gilt als Favorit für die Unions-Kanzlerkandidatur. Doch eine Fähigkeit unterscheidet ihn erheblich von einem möglichen Konkurrenten: CSU-Chef Söder hat gelernt zu regieren.

Ein Kommentar von Daniel Friedrich Sturm

Geht es nach Michael Kretschmer (CDU), Sachsens Ministerpräsidenten, so ist die Frage nach dem Unions-Kanzlerkandidaten bereits entschieden. „Friedrich Merz ist Vorsitzender der CDU und der Unionsfraktion im Bundestag – und wird von Markus Söder, Alexander Dobrindt und mir sehr unterstützt bei einer Kandidatur“, behauptet Kretschmer in den „Funke“-Zeitungen.

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Prozent der Deutschen würden derzeit CDU/CSU wählen, ermittelte die Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF. Bei der Bundestagswahl 2021 kam die Union auf 24,1 Prozent.

Auf den ersten Blick spricht allerhand dafür, dass Friedrich Merz der CDU/CSU-Kanzlerkandidat wird. Als CDU-Vorsitzender, Unions-Fraktionschef und Oppositionsführer ist Merz formal wie faktisch der mächtigste Mann in den Unionsparteien. In den letzten Monaten hat die Union an Zuspruch gewonnen, liegt in Umfragen zwischen 31 und 34 Prozent.

Merz gewinnt Ansehen

Merz hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion weitgehend hinter sich versammelt. Er hat zuletzt weniger Fehler gemacht als zu anderen Zeiten. Knapp zwei Jahre vor der regulären Bundestagswahl 2025 gewinnt er an Ansehen, auch im Ausland, wie der Empfang durch Emmanuel Macron im Élysée-Palast zeigt.

Ist Merz also bereits Kanzlerkandidat und Herausforderer von Olaf Scholz, ohne formal nominiert worden zu sein? Hat Kretschmer recht mit seiner These, die K-Frage sei entschieden? Gemach, gemach! Ob Joachim-Friedrich Martin Josef Merz, 68 Jahre alt, wirklich Kanzlerkandidat wird, ist heute so ungewiss wie vor einem halben Jahr.

Laschet setzte sich nur mit Mühe durch

Dass Merz als Vorsitzender der größeren der Schwesterparteien CDU und CSU den „ersten Zugriff“ auf die Kandidatur habe, das entspricht einer formalistischen Betrachtungsweise. Es ist keine drei Jahre her, dass der damalige CDU-Chef Armin Laschet seine Bereitschaft zur Kanzlerkandidatur erklärte – und es der CSU-Vorsitzende Markus Söder gleichfalls tat.

Nur mit viel Mühe und der vehementen Fürsprache durch Wolfgang Schäuble setzte sich Laschet gegen Söder durch. So viel zum „ersten Zugriffsrecht“.

Markus Söder hat im Oktober eine Landtagswahl gewonnen, wenn auch wenig glorreich. Aber er sitzt als Ministerpräsident und CSU-Vorsitzender fest im Sattel. Der in der CDU zuweilen erträumte parteiinterne Aufstand gegen Söder blieb aus. In Umfragen kommt Söder auf (erheblich) bessere Zustimmungswerte als Merz. Wie mögen wohl CDU-Landesvorsitzende und Bundestagsabgeordnete denken, wenn sie zur Einsicht gelangen, mit Söder ließen sich mehr Prozente, mehr Mandate und mehr Macht gewinnen als mit Merz?

Söder redet mittags anders als morgens

Wer einwendet, Söder strebe die Kanzlerkandidatur gar nicht mehr an, kennt Söder nicht. Dessen Neigung, mittags anders zu reden als noch am Morgen und angebliche Überzeugungen zu wechseln wie andere Menschen ihre Unterhemden, ist legendär.

Die Beteuerungen Söders, er stehe nicht zur Verfügung oder dergleichen, kommentierte der Söder-erfahrene Armin Laschet kürzlich so: „Die Sätze habe ich alle schon mal vorher gehört.“ Mit den Jahren dürfte es Söder in München doch allmählich langweilig werden. Warum sollte ihn Berlin plötzlich nicht mehr reizen? Wieso sollte sich Söder die Kanzlerkandidatur nicht mehr zutrauen?

Man kann ja über Söders Wendigkeit und seinen Opportunismus spotten. Eine Fähigkeit aber unterscheidet ihn erheblich von Merz: Söder hat gelernt zu regieren. Er tut das seit mehr als 16 Jahren, war Europaminister, Umwelt- und Gesundheitsminister, Finanzminister. Söder führt seit bald sechs Jahren ein Land, das mehr Einwohner hat als Belgien, Portugal oder Schweden und das jedenfalls besser als Belgien funktioniert.

Die Erfahrung zählt

In diesen Zeiten ist Regierungserfahrung stärker denn je gefragt. Die diversen Krisen im In- und Ausland erfordern eigentlich einen Kanzler, der weiß, wie man regiert, wie man riesige Verwaltungsapparate steuert. Friedrich Merz besitzt weniger Regierungserfahrung als Gregor Gysi, war nicht einmal Landesminister oder nur Staatssekretär.

Söder weiß außerdem, wie man mit einem schwierigen Koalitionspartner umgeht. Dass Merz, zuweilen emotional-unkontrolliert, aus dem Effeff heraus eine Regierung mit zwei oder gar drei weiteren Koalitionsparteien geschmeidig moderieren kann – darauf dürfen nicht einmal seine treuesten Anhänger vertrauen.

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