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Da braut sich was zusammen: Markus Söder (CSU) und Boris Rhein (CDU), der Bayer und der Hesse.

© dpa/Boris Roessler

Landtagswahlen in Bayern und Hessen: Vor einer neuen Zeitrechnung – Politik nach dem Beben

Die Ampel muss die Ergebnisse fürchten. Aber nicht nur sie. Die ganze politische Klasse ist gefordert, Probleme zu lösen. Sonst drohen die braunen Parias.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

| Update:

In Hessen und Bayern sind insgesamt knapp 14 Millionen Menschen zur Wahl aufgerufen. Fast ein Viertel der Deutschen lebt in den beiden von CDU und CSU regierten Bundesländern, industriestarken Ländern. 20 Prozent aller Wahlberechtigten – das ist nicht nichts. Westdeutschland wählt!

Und ja, die Landtagswahlen geraten zu einer Abstimmung über die Ampelpolitik im Bund. Gerade Markus Söder, Bayerns Regierungschef, will das so, auch, weil es in den Bundesländern keine übermäßig strittigen Themen gibt. Hier passt die Frage schon: Schadet die Bundespolitik in den Ländern?

In Hessen wird die Antwort erst recht schwierig, weil als SPD-Spitzenkandidatin Nancy Faeser antritt, die Bundesinnenministerin. Sie wird mehr denn je als Berliner Ministerin wahrgenommen, wegen ihrer Zuständigkeiten, besser: Verantwortlichkeiten. Außerdem hat sie bereits gesagt, im Fall einer Wahlniederlage nicht nach Wiesbaden zu wechseln. Oppositionsführerin in Hessen war Faeser schon.

Nun steht sie als Innenministerin für das Thema dieser Tage und Wochen, das mehr als vieles andere die Menschen zur Wahlurne treiben wird: Zuwanderung und Flucht. Das ist laut Umfragen das wichtigste Problem. Die Politik soll sich kümmern, dringend, zwingend – und erfolgreich. Ein Misserfolg trifft die ganze Ampel.

Zahlen des Niedergangs

Die Hoffnung der SPD auf Faeser ist derweil allerdings dahin, und die Befürchtung ist, dass diese Erkenntnis sich ausweitet. In Vorwahlumfragen steht die Hessen-SPD nur noch bei 16 Prozent, das ist auch der Wert der Bundes-SPD. Zum Vergleich, als Anhaltspunkt für den Niedergang: Bei den Landtagswahlen 2013 schaffte die SPD 30,7 Prozent, 2018 waren es noch 19,8 Prozent der Stimmen.

So drängt Söder aus Bayern heraus im Verein mit CDU-Chef Friedrich Merz, die Ampel bei diesen Wahlen demonstrativ zum Teufel zu jagen. Ihr Ruf nach dem „Deutschlandpakt“, wie Olaf Scholz die Pläne zur Modernisierung der Verwaltung, zum ökologischen Umbau der Wirtschaft und zur Eindämmung irregulärer Migration genannt hat, wird zur Drohung. Sind das doch allesamt Vorhaben, für die der Kanzler die Unterstützung der Unionsopposition benötigt – die sie ihm immer noch verweigern kann.

Und Merz wird gegenwärtig in diese Verweigerungshaltung hineingetrieben. Er lässt sich radikalisieren, ja stigmatisieren von Söder und seinen Adlaten. Was erkennbar dieser Strategie folgt: dass sich Merz in der Rolle als oberster Einpeitscher selbst als Kanzlerkandidat abschafft. Als Hohepriester des Dagegen wird keiner Kanzler.

Merkt Merz das nicht? Da gilt dann umso mehr: Jeder disqualifiziert sich so gut er kann. Und am Ende ist der Weg frei - für Söder. Ein Hendrik Wüst kann ihn nicht aufhalten. Dafür hat er nicht die Statur.

Franz Josef Strauß wird im Grab rotieren

Nur, so wichtig alles das ist, was zumal in personeller Hinsicht in und für Berlin ausgeklügelt wird - wo Deutschland nach den Wahlen steht, das wird entscheidend. Genauer: wie weit rechts. Mag Söder argumentieren wie er will, Tatsache bleibt, dass es auch in Bayern eine starke politische Kraft rechtsaußen gibt. Obwohl das niemals passieren sollte. Franz Josef Strauß, Überfigur der CSU und Leitfigur von Söder, wird im Grab rotieren.

Eine Kraft am rechten Rand, die immer stärker wird. Eine, die das Kräfteparallelogramm der Republik aus den Fugen bringt. Die Gefahr ist da. Schön, wenn es nicht so käme.

Wenn doch, wird es noch einmal bedeutsamer, mit welcher Strategie die etablierten Parteien den tatsächlichen Problemen des ganzen Landes zu Leibe rücken und damit den braunen Parias. Und das müssen sie. Dieses Thema ist so groß, dass die anderen klein dagegen wirken.

Je weniger aber eine Bereitschaft der Demokraten zu erkennen ist, zusammenzustehen, um für Lösungen zusammenzuarbeiten, desto wichtiger wird wiederum das Wahlvolk die Innereien der Parteien nehmen und die Politik danach beurteilen: wer mit wem gegen wen. Sonntag, 18:00, ist darum der Start einer neuen Zeitrechnung – es beginnt die Probezeit für die politische Klasse.

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