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Die Klimaaktivistinnen Greta Thunberg (l.) und Patience Nabukalu nehmen an einer Demonstration von Fridays for Future gegen eine geplante Öl-Pipeline in Ostafrika teil.

© picture alliance/dpa

Fünf Jahre Klimastreik: Gegen andere Protestbewegungen wirkt Fridays for Future hochvernünftig

Weniger auffällig, dafür konstruktiver: Die Fridays-for-Future-Bewegung, gestartet von der Klimaaktivistin Greta Thunberg, hat sich fünf Jahre nach ihren Anfängen angepasst.

Ein Kommentar von Jakob Schlandt

Statt Schule schwänzen, lieber Ingenieur für Erneuerbare Energien werden! Das und viele weitere onkelhafte Ratschläge mussten sich die Aktivistinnen und Aktivisten anhören, als sie 2018 anfingen, am Freitag nicht in den Unterricht zu kommen, um für Klimaschutz zu demonstrieren.

Tja, genau das macht Fridays for Future (FFF) nun. Kommende Woche wird auch in Berlin ein „Solar Camp“ veranstaltet, auf dem Teilnehmenden solartechnische Grundlagen vermittelt werden.

Am Sonntag ist es genau fünf Jahre her, dass die Neuntklässlerin Greta Thunberg den „Schulstreik fürs Klima“ und damit die FFF-Protestbewegung startete. Dass die Bewegung ab Sommer 2018 rasant Zulauf erhielt, ist zeitlich kein Zufall.

2015 und 2016 stieg, ausgelöst durch das Pazifikwetterphänomen El Niño, die globale Durchschnittstemperatur ruckartig. Europa durchlitt mehrere Dürre- und Hitzesommer. Sie sind nur der Anfang, es wird schlimmer werden. Die zuvor von manchen gehegte Hoffnung auf grobe Prognosefehler der Klimawissenschaft war ein grober Fehler.

Darüber hinaus klaffte in den Anfangsjahren von Fridays for Future eine scheunentorgroße Lücke in der deutschen und europäischen Klimapolitik. Das Paris-Abkommen war 2015 unterschrieben worden, allenthalben wurden hochtrabende Klimaziele beschlossen – aber ohne nennenswert etwas für das Erreichen zu tun.

Das wollten viele Junge nicht mehr hinnehmen. Sie zahlen den höchsten Preis, falls Natursysteme und Infrastrukturen zusammenbrechen und die Welt in einer ökologischen Dauerkrise versinkt.

FFF war also nie ein Zeitgeistphänomen, sondern folgte einer politischen, ja sogar physikalischen Logik. Nun hat die Bewegung, ebenfalls logisch, Einfluss und Mobilisierungsfähigkeit verloren.

Dass zum nächsten „globalen Klimastreik“ am 15. September auch nur annähernd so viele Demonstrierende kommen wie vier Jahre früher, als es geschätzt über eine Million allein in Deutschland waren? So gut wie ausgeschlossen.

Die Letzte Generation zieht nun die Aufmerksamkeit auf sich

Zum einen liegt das daran, dass der Streit um Klimapolitik nicht mehr außerhalb der Regierung, sondern innerhalb stattfindet. Die Grünen können sich beileibe nicht mit allen Forderungen durchsetzen, aber die Ampel macht entschlossenere Klimapolitik als Schwarz-Rot, keine Frage. Der Solarausbau zieht an, die Wasserstoffwirtschaft entsteht, die Wende in der Wärmeversorgung ist vorbereitet. Mal läuft es besser, mal schlechter, aber es tut sich was.

Zuletzt protestierte die Klimabewegung Fridays for Future in Lüneburg für eine Bahn-Neubaustrecke.
Zuletzt protestierte die Klimabewegung Fridays for Future in Lüneburg für eine Bahn-Neubaustrecke.

© dpa/Georg Wendt

Zweitens: Andere ziehen jetzt die Aufmerksamkeit auf sich. Allen voran die Letzte Generation mit ihrem zivilen Ungehorsam, der Straftaten einschließt. Ihre Aktionen werden von einer großen Mehrheit, einschließlich der Grünen-Wähler, abgelehnt. Fridays for Future distanziert sich höflich, aber entschieden. Das ist das einzig Richtige.

In der Eskalationshierarchie sind die „Fridays“ nun auf hintere Plätze verwiesen. Die Medien-Scheinwerfer richten sich nur noch selten auf die moderateren Aktivistinnen und Aktivisten. Fridays for Future leidet zudem unter der Polarisierung und bekommt einen Teil der Wut ab, die den „Klimaklebern“ gilt.

Es ist deshalb schwieriger geworden, klar ablehnende Teile der Gesellschaft zu erreichen. Auf der anderen Seite wirkt Fridays for Future mit seinen milden Mitteln im Vergleich nun moderater, ja geradezu hochvernünftig. Das kann helfen, jene zu erreichen, die unentschlossen in der Mitte stehen.

Die Puste ist der Bewegung ohnehin noch nicht ausgegangen. Sie hat aber ihren Schwerpunkt verlagert: Neben Demonstrationen spielen Kooperationen eine große Rolle, zum Beispiel mit der Gewerkschaft Verdi. Aktionen wie das Solar Camp unterstreichen, wie sehr FFF darauf achtet, aufbauend statt destruktiv zu wirken.

Noch immer hält die Bewegung an ihrer dezentralen Organisation fest. Aber in Programm und Tat ist der Unterschied zu etablierten Umweltschutzorganisationen nicht mehr groß.

Fridays for Future hat sich in Deutschland den Bedingungen angepasst: der grünen Regierungsbeteiligung und den „Klimaklebern“. Wie Gründerin Greta Thunberg, damals 15, heute 20, ist die Bewegung erwachsen geworden. Erwachsen, weniger auffällig, dafür aber konstruktiver. Ein guter Weg.

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