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Eine Industrieelektrikerin montiert einen Schaltkreis im Berufsbildungszentrum der Remscheider Metall- und Elektroindustrie.

© imago images/Rupert Oberhäuser

Frust zum Frauentag: Warum schreit die Wirtschaft nicht viel lauter nach all den Top-Frauen?

Alle Jahre wieder werden zum Frauentag die Quoten gezählt. Doch das hilft niemandem. An ihnen wird sich nie etwas ändern, solange die Kinderbetreuung nicht ernst genommen wird.

Ein Kommentar von Anke Myrrhe

Immer dasselbe. Equal-Pay-Day, Frauentag, wo stehen wir in Sachen Gleichberechtigung? Die Themen wiederholen sich Jahr für Jahr rund um den 8. März, das Datum bietet die kalendarische Pflicht, sich mit „diesem Frauenkram“ auseinanderzusetzen.

Denn auch wenn sich heute niemand mehr trauen würde, von „Familie und dem ganzen Gedöns“ zu sprechen, wie es einst Gerhard Schröder tat (das war 1998) – gedanklich ist die Gesellschaft mehr als ein Vierteljahrhundert später gar nicht so weit davon entfernt. Nach dem 8. März verschwinden die feministischen Symbole schnell wieder in der Schublade. Die Welt bleibt, was sie nun mal ist: sehr männlich.

Und der Kampf um Gleichberechtigung in Deutschland wird angesichts der vielen weltpolitischen Krisen nicht einfacher: Ist es nicht vermessen, sich hier zu beschweren, wenn Frauen im Iran unterdrückt werden, von der Hamas vergewaltigt werden und vorm Krieg in der Ukraine fliehen müssen, während ihre Männer dort unsere Werte mit dem Leben verteidigen? Wie klein wirkt daneben unser Ruf nach der gleichen Verteilung der Familienarbeit.

Doch wer so argumentiert, verliert sich schnell im Whataboutism der Weltgeschichte, der immer das eine Leid gegen ein schlimmeres aufrechnen kann. Helfen tut das niemandem. Und es zeigt einmal mehr, dass es nie wirklich um die Sache ging, sondern immer nur um die Symbolik eines Tages im März. Bei der Demo in der ersten Reihe stehen, das ist einfach. Danach kann man sich wieder den „wirklich wichtigen Dingen“ zuwenden.

Ein Feiertag als Höhepunkt der Symbolpolitik

In Berlin gipfelte die gutgemeinte Symbolik darin, den Frauentag 2019 zum gesetzlichen Feiertag zu erheben (Mecklenburg-Vorpommern zog 2023 nach). Das lag vor allem daran, dass man den feiertagsmäßig unterversorgten Berlinern einen freien Tag schenken wollte, der in einer links-grünen Regierung mit einer Stadt voller Andersgläubiger aber keinesfalls ein christlicher sein durfte.

Das konservative Familienbild ist nicht nur in der AfD-Erzählung von Tradition und ,Normalität’ weit verbreitet, es reicht auch tief hinein in die Mehrheitsgesellschaft.

Anke Myrrhe, stellvertretende Chefredakteurin beim Tagesspiegel.

Und Frauen finden doch alle irgendwie wichtig, nicht wahr? Das ist das Mindestmaß an Diversität, auf das man sich einigen kann. Oder zumindest konnte.

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Denn ob das heute noch gilt – auch daran muss man angesichts hart geführter gesellschaftlicher Debatten wohl ein Fragezeichen setzen. Das konservative Familienbild ist nicht nur in der AfD-Erzählung von Tradition und „Normalität“ weit verbreitet, es reicht auch tief hinein in die Mehrheitsgesellschaft.

Da wird zwar häufig nicht mehr infrage gestellt, dass Frauen einer sogenannten Erwerbsarbeit nachgehen, aber es ist auch nach wie vor gesellschaftlich völlig unproblematisch, wenn sie ihre Erfüllung allein in der Familienarbeit suchen. Unbezahlt und völlig abhängig vom Partner.

Nice to have – aber fürs Familieneinkommen nicht relevant

Nach wie vor ist rund ein Fünftel der Frauen in Deutschland beruflich inaktiv – und hat auch nicht vor, das zu ändern. Rund 35 Prozent arbeiten in Teilzeit. Frauenarbeit wird im konservativen Familienmodell noch immer als eine Art Selbstverwirklichung gesehen: Nice to have, aber fürs Familieneinkommen nicht relevant.

Die Selbstverständlichkeit, mit der sich sowohl Männer als auch Frauen im Jahr 2024 in dieses Rollenbild fügen, überrascht vor allem deswegen, da die deutschen Universitäten längst eine andere Sprache sprechen. Die Zahl der Absolventinnen ist seit Jahren mindestens ausgeglichen, zuletzt sogar mit leichtem Frauenüberschuss.

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Man wundert sich, warum die Wirtschaft nicht viel lauter schreit nach all diesen top ausgebildeten Frauen. DIW-Chef Marcel Fratzscher hat bereits 2022 geschrieben: „Das größte Potenzial auf dem Arbeitsmarkt sind die Frauen.“ Wenn schon nicht aus feministischen Gründen, dann müsste schon allein wegen des Fachkräftemangels doch jetzt das große Umdenken einsetzen.

Doch das kann gar nicht passieren, solange die Kinderbetreuung derart halbherzig angegangen wird. Der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz existiert höchstens auf dem Papier, nur ein Drittel der Unterdreijährigen besucht bundesweit eine Einrichtung, überall fehlen die Plätze.

Das Recht auf Ganztag ist zwar beschlossen, die Umsetzung aber gar nicht möglich, weil weder Gebäude noch Fachpersonal ausreichend vorhanden ist. Das fehlt auch, weil eine angemessene Bezahlung für diese zentrale Arbeit an der Gesellschaft – das gilt übrigens auch für die Integration – einfach verweigert wird.

Diese große Aufgabe müsste zuerst angegangen werden, und zwar ernsthaft, ohne Ausreden und Gedöns.

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