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Pflegefachkräfte wie Kaouther Toumi (l) und Praxisanleiterin Susann Glowalla (r) sind überproportional häufig weiblich.

© dpa/Friso Gentsch

Update

Lohnlücke unverändert hoch: Frauen verdienen weiter weniger – auch beim Bonus

Im Westen ist der Verdienstunterschied dreimal so hoch wie im Osten. Ja, Frauen arbeiten häufiger als Männer in Teilzeit. Das ist allerdings nicht der einzige Grund für die Lohnlücke.

Bis morgen arbeiten Frauen in Deutschland rechnerisch bei gleichem Stundenlohn wie Männer unbezahlt. Daran hat sich im Wesentlichen auch im Jahr 2023 nicht wirklich etwas geändert. Einen Tag vor dem „Equal Pay Day“, einem internationalen Aktionstag, der auf die Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern aufmerksam machen soll, veröffentlichte das Statistische Bundesamt in Wiesbaden Zahlen zur Entwicklung in Deutschland.

Die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern hat sich am deutschen Arbeitsmarkt im vergangenen Jahr nicht verringert. Frauen verdienten durchschnittlich brutto 20,84 Euro pro Stunde und damit 4,46 Euro oder 18 Prozent weniger als Männer, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag in Wiesbaden mitteilte. Dieser „unbereinigte Gender Pay Gap“ hatte auch im Jahr zuvor 18 Prozent betragen.

Faire Löhne und ein ungehinderter Zugang zum Arbeitsmarkt sind zentral für Geschlechtergerechtigkeit. 

Ricarda Lang, Mitglied im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

„Der Gender Pay-Gap ist auch im europäischen Vergleich sehr hoch und reflektiert Arbeitsmarktstrukturen, die Frauen systematisch benachteiligt“, schrieb Bettina Kohlrausch, Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI), die Entwicklung, auf X.

Frauen sind dabei nicht nur beim Grundgehalt, sondern auch bei Bonuszahlungen benachteiligt: Ihr Bonus fällt in Deutschland um 6,1 Prozent geringer aus als der von Männern. Das zeigt eine ebenfalls am Dienstag veröffentlichte Analyse des ifo-Instituts in Zusammenarbeit mit der Unternehmensberatung Mercer. „Die geschlechtsspezifische Lohnlücke bei den Bonuszahlungen ist deutlich größer als beim Grundgehalt“, sagt ifo-Forscherin Michaela Paffenholz. Wegen dieser großen Unterschiede falle auch die Lücke beim Gesamtgehalt nochmals deutlich größer aus. 

Drittel des Lohnunterschieds nicht erklärbar

Ein Großteil der Lohnlücke ist den Angaben zufolge darauf zurückzuführen, dass Frauen häufiger als Männer in Teilzeit arbeiten sowie in Branchen oder Berufen, in denen schlechter bezahlt wird. Während Männer 2023 im Monat 148 Stunden einer bezahlten Arbeit nachgehen konnten, waren es bei Frauen nur 121 Stunden und damit 18 Prozent weniger. Vor allem auch, weil Frauen weiterhin überproportional häufig die Betreuung von Kindern, Menschen mit Behinderungen oder pflegebedürftigen Personen übernehmen.

„Betreuungsangebote in Kitas und Kindergärten müssen weiter ausgebaut werden“, sagte Grünen-Parteivorsitzende Ricarda Lang vor dem Equal Pay Day. Dies müsse Hand in Hand gehen mit verbesserten Arbeitsbedingungen der meist weiblichen Fachkräfte. Zudem wollen die Grünen das Ehegattensplitting aufheben und zunächst die Steuerklassen drei und fünf abschaffen.

Für das verbliebene Drittel des Unterschieds von rund sechs Prozent (bereinigter Gender-Pay-Gap) gibt es demnach keine eindeutige Erklärung. Auch bei vergleichbarer Tätigkeit, Qualifikation und Erwerbsbiografie verdienen also Frauen sechs Prozent weniger als Männer.

Der Gender Pay-Gap ist auch im europäischen Vergleich sehr hoch und reflektiert Arbeitsmarktstrukturen, die Frauen systematisch benachteiligt.

Bettina Kohlrausch, Direktorin WSI

Langfristig sei die Verdienstungleichheit aber gesunken. Erste Daten dazu hatte die Behörde im Januar mitgeteilt. Den Rückgang der Verdienstlücke von 22 Prozent im Jahr 2014 auf 18 Prozent im vergangenen Jahr führten die Statistiker vor allem darauf zurück, dass die Bruttostundenverdienste der Frauen stärker stiegen als die der Männer. Der Gender Gap Arbeitsmarkt, der neben der Verdienstlücke zusätzlich die Unterschiede in der bezahlten monatlichen Arbeitszeit und in der Erwerbsbeteiligung von Frauen und Männern berücksichtigt, verringerte sich in diesem Zeitraum von 45 Prozent auf 39 Prozent. Die von Männern geleistete Zahl der Arbeitsstunden sank und die Erwerbsbeteiligung von Frauen stieg.

Westen schlägt Osten auch bei Ungleichheit

Ein reiner Blick auf die deutschlandweiten Daten verdeckt die großen regionalen Unterschiede bei den geschlechtsspezifischen Lohnunterschieden. In Westdeutschland ist der Gender Pay Gap mit 19,8 Prozent mehr als dreimal so hoch wie in Ostdeutschland mit 5,8 Prozent. Das zeigt eine gestern vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) veröffentlichte Untersuchung für das Jahr 2022. In Mecklenburg-Vorpommern ist der Unterschied mit 3,3 Prozent am geringsten. In Baden-Württemberg mit 26,6 Prozent am höchsten. Das Land Berlin schneidet beim unbereinigten Gender Pay Gap mit 6 Prozent am viertbesten ab.

Auf Ebene der kreisfreien Städte und Landkreise ist die Spannweite noch einmal größer als bei Betrachtung auf Bundeslandsebene. Im Bodenseekreis liegt der Verdienstunterscheid bei 38,2 Prozent. Nur in vier Kreisen liegt das Entgelt von Frauen dagegen über dem der Männer. In Dessau-Roßlau verdienen Frauen im Schnitt 2,5 Prozent mehr. So auch in den kreisfreien Städten Cottbus (0,5 Prozent) und Frankfurt Oder (0,6 Prozent) sowie im Landkreis Stendal (0,7 Prozent). (mit dpa)

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