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Alles nicht so schlimm. Franziska Giffey erklärt die Lage.

© dpa / Paul Zinken

Deprimierendes Schauspiel in Berlin: Franziska Giffey fehlt es nach der Wahlklatsche weiter an Problembewusstsein

Am Tag, nachdem ihre Wahl für unrechtmäßig erklärt wurde, überrascht die Regierende Bürgermeisterin die Berliner mit der Botschaft: Es läuft doch alles! Glaubt sie das wirklich?

Ein Kommentar von Sidney Gennies

Es hat etwas Trauriges, wie die Regierende Bürgermeisterin von Berlin, Franziska Giffey, in ihrer Regierungserklärung am Donnerstag so tut, als sei alles in Ordnung. Denn da ist richterlich bereits bestätigt, dass sie nicht einmal rechtmäßig ins Amt gewählt wurde.

Am Mittwoch hatte das Landesverfassungsgericht die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus von 2021 für ungültig erklärt und eine komplette Wiederholung verfügt. Grund: zu viele Fehler, zu viel Chaos, im Kern zu viel Schludrigkeit im Umgang mit einem der höchsten Güter einer freien Gesellschaft, dem Wahlrecht. Das war eine Klatsche, die jeden aufwecken muss. Eigentlich. Die Konsequenzen haben muss. Eigentlich.

Giffey aber bekommt nicht einmal eine Entschuldigung über die Lippen. Gesteht nur Fehler ein. Die seien eben passiert und dürften sich nicht wiederholen. Wer dafür verantwortlich sei, das lasse sich auch nicht sagen, die Schuld verteile sich auf viele Schultern. Und vielleicht glaubt sie ja wirklich, dass das genug der Worte seien.

Viel eher stellt sie damit aber einen Mangel an Problembewusstsein zur Schau, der zum Haare raufen ist – und der ahnen lässt, was in den kommenden Monaten auf Berlin zukommt.

Wir kümmern uns darum, dass Berlin trotz der Herausforderungen weiterläuft.

Franziska Giffey am 17. November

Giffey macht es vor, sie schaltet am Tag nach der kassierten Wahl direkt um in den Wahlkampfmodus. Die rot-grün-rote Koalition werde sich um die Wirtschaft kümmern, um die Energieversorgung und natürlich um die Menschen. „Wir kümmern uns darum, dass Berlin trotz der Herausforderungen weiterläuft“, sagt sie. Weiterläuft?

Wer soll das eigentlich glauben, wenn Berlin nicht einmal geschafft hat, was überall sonst in Deutschland funktioniert? Eine rechtskräftige Wahl abhalten. Und wer soll glauben, dass die Richtigen zur Wiederwahl stehen, wenn sie in einem Jahr nach dem Chaoswahltag noch nicht einmal herausgefunden haben wollen, wer die Verantwortung dafür trägt.

Andreas Geisel (SPD) hat die missratene Wahl als Innensenator verantwortet.
Andreas Geisel (SPD) hat die missratene Wahl als Innensenator verantwortet.

© picture alliance/dpa / Christoph Soeder

Obwohl der zuständige damalige Innensenator aus Giffeys eigener Partei, der SPD, ist. Wem soll man nun die Verantwortung übertragen, wenn bis heute niemand politische Verantwortung für dieses Desaster übernehmen will?

Das Schauspiel ist auch deshalb so deprimierend, weil Giffey es ja im Wahlkampf 2021 vermocht hatte, tatsächlich so etwas wie einen Funken des Aufbruchs zu entzünden. Immerhin so funkend, dass viele Nicht-Wähler mit ihrer Teilnahmeabstinenz aussetzten und ins Wahllokal gingen.

Überhaupt war die Wahlbeteiligung höher als sonst, weil die Abstimmung mit der Bundestagswahl zusammen fiel. Es war, wäre die Wahl nicht so dilettantisch vorbereitet gewesen, eine gute Zeit für die Demokratie.

Was nun folgt, ist das Gegenteil: Verdruss, Stillstand, Wahlkampfrangeleien. Kaum anzunehmen, dass bei der Wiederholung im Februar noch einmal so viele Wählerinnen und Wähler teilnehmen.

Dazu kommt: Berlin steht vor harten Zeiten. Den Parteien darf es deshalb nun nicht nur um Profilierung gehen. Nicht nur um vorgezogene Wahlgeschenke, wie das riesige Entlastungspaket.

Berlin schiebt riesige Probleme vor sich her. Die Schulen, den Verkehr, die dysfunktionale Verwaltung. Versprechungen wird es im Wahlkampf dazu nun viele geben. Gehandelt wird aber erst nach der Wahl und und mutmaßlich mal wieder zähen Koalitionsverhandlungen. Auf der Strecke bleiben Stadt und Leute. Aber keiner will’s gewesen sein.

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