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Mehr Zukunfft wagen: der Bau der Hafencity in Hamburg.

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Baut doch endlich mal!: Olaf Scholz fordert zu Recht neue Großsiedlungen

In Deutschland wird immer weniger gebaut. Dabei leben hier immer mehr Menschen. Die Politik muss deshalb dringend etwas wagen.

Ein Kommentar von Caspar Schwietering

Im Wahlkampf hat Olaf Scholz den Deutschen bezahlbare Mieten versprochen – durch eine Bauoffensive mit 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr. Davon ist der SPD-Politiker Scholz als Kanzler weiter denn je entfernt.

Bis September wurden in Deutschland nicht mal 200.000 neue Wohnungen genehmigt. Im September waren es laut Statistischem Bundesamt nur 19.300. Das ist nicht nur im Vergleich zum Vorjahresmonat ein Rückgang um 29 Prozent, laut der Baubranche ist es der schlechteste Wert seit 2013.

Durch die gestiegenen Zinsen verschärft sich die Krise beim Wohnungsbau. Viele Menschen erleben, dass die Wohnungssuche in der Großstadt immer schwieriger wird. Das ist auch das Top-Thema der Bauminister der Länder, wenn sie ab diesem Mittwoch drei Tage in Baden-Baden zusammenkommen. Wobei: Die Bauminister gönnen sich zum 75. Jubiläum ihrer Konferenz auch einen kleinen Festakt im Kurhaus.

Den meisten Deutschen dürfte das Gremium völlig egal sein. Aber wie in Deutschland gebaut wird, entscheiden de facto diese 16 Minister mit ihren Landesbauordnungen. Die Beschlüsse von Scholz‘ Baugipfel im Kanzleramt? Für die Vorsitzende der Bauministerkonferenz ist das nicht viel mehr als ein interessanter Vorschlag.

Man werde sich natürlich auch mit dem 14-Punkte-Plan des Bundes für den Wohnungsbau beschäftigen, sagte Baden-Württembergs Bauministerin Nicole Razavi (CDU). Dass die Länder ihn umsetzen – und etwa gemeinsam einen einfacheren Gebäudetyp-E für den sozialen Wohnungsbau einführen –, versprach sie nicht.

Ohne neue Stadtviertel ist der Flächenfraß eher größer

Scholz hat inzwischen selbst erkannt, dass er sich für die versprochene Bauoffensive nicht auf die Landesbauminister verlassen darf. Er hat 20 neue Großwohnsiedlungen in den beliebtesten Ballungsgebieten vorgeschlagen. Es ist ärgerlich, dass diese Idee gerade zerredet wird.

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Die Angst vor neuen Großsiedlungen ist verständlich. Der neue Wohnungsbau in den Sechziger- und Siebzigerjahren hat schwierige Stadtteile wie das Märkische Viertel in Berlin, die Neue Vahr in Bremen und Köln-Chorweiler hervorgebracht. Daraus sollte allerdings keine Zukunftsangst folgen.

Das Bauen im Großmaßstab kann auch gelingen – das zeigt etwa Wien gerade mit seiner Seestadt Aspern für bis zu 25.000 Menschen. Bei einer genauen Betrachtung sind die Argumente gegen 20 neue Stadtteile deshalb wenig überzeugend.

Die Grünen-Fraktion und die Bundesarchitektenkammer bemängeln den Flächenverbrauch. Sie wollen am liebsten nur noch bestehende Gebäude aus- und umbauen und nachverdichten. Doch in den großen Hype-Städten werden sie so nicht schnell genug zusätzliche Wohnungen schaffen.

Zuletzt sind deshalb immer mehr Menschen in den Speckgürtel gezogen. Berlin hat 2022 gut 16.000 Einwohner an Brandenburg verloren. Das ist die umweltschädlichste Lösung der Wohnungskrise. Nicht nur pendeln die Menschen dann zum Job oder zum Einkaufen in die Städte.

Die beliebteste Wohnform auf dem Land ist weiter das Einfamilienhaus – mit besonders hohem Flächenverbrauch und schlechter Energiebilanz.

Scholz sollte 20 Modellstadtteile bauen lassen

Auch die großen Wohnungsbauunternehmen halten Scholz‘ 20 Neubauviertel für die falsche Lösung. Sie argumentieren, dass nicht fehlendes Bauland, sondern gestiegene Kosten den Wohnungsbau verhindern. Der Bund solle doch einfach die Bauzinsen heruntersubventionieren, argumentiert ihr Verband GdW. Kein Wunder: Für jeden Lobbyverband ist staatliches Geld ohne Auflagen ein Traum.

Wenn der Bund über die beschlossenen Sonderabschreibungen hinaus das Bauen subventioniert, muss er das mit Auflagen verbinden. Scholz 20 neue Großstadtsiedlungen könnten Modellcharakter haben – für gelungenes soziales und ökologisches Bauen.

Sie könnten als Schwammviertel gebaut werden, mit kurzen Wegen zu Geschäften, Schulen, Kitas und Arbeit, mit öffentlicher Verkehrsanbindung und einer guten sozialen Mischung. Sozialwohnungen, die dort entstehen, sollten dauerhaft günstigen Wohnraum bieten. Hier könnte die Ampel die Wiedereinführung der Wohngemeinnützigkeit erproben.

Im vergangenen Jahrzehnt ist Deutschland wider Erwarten nicht geschrumpft, sondern gewachsen. Für ein gutes Zusammenleben mit 84 Millionen Einwohnern und mehr müssen wir bauen.

Dafür müsste Scholz eigentlich noch mal einen großen Baugipfel einberufen und diesmal mehr wagen. Ob die Ampel dafür noch ausreichend Kraft aufbringt, ist aber fraglich.

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